Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter

MieterEcho online 08.03.2017

Stadtpolitisches Initiativentreffen

Am 6. März 2017 kam es zum vierten Mal zu einem Treffen von Berliner stadt- und mietenpolitischen Initiativen im Familien- und Nachbarschaftszentrum Wrangelkiez in der Kreuzberger Cuvrystraße. Den entscheidenden Anstoß zu dieser Entwicklung hatte am 2. November 2016 ein “Hearing“ mit fast 30 beteiligten Initiativen aus allen Teilen der Stadt gegeben (Berichte über die vorherigen Zusammenkünfte sind im Archiv von MieterEcho-Online nachzulesen). Nach dem letzten Treffen am 23. Januar war zwischenzeitlich in einzelnen AGs sehr gründlich an Perspektiven für die Weiterentwicklung des Bündnisses sowohl in seiner Organisationsstruktur als auch in seiner inhaltlichen Schwerpunktsetzung gearbeitet worden. Jetzt stellten die einzelnen Gruppen ihre Ergebnisse zur Diskussion.

Generell war im Laufe des Abends festzustellen, dass organisatorisch-strukturelle Fragen deutlich im Mittelpunkt standen. Diese Gewichtung in der Aufbauphase war bereits in vorangehenden Rundbriefen betont worden. Im Rahmen von sorgfältig ausgearbeiteten und um Nachhaltigkeit bemühten Kommunikationstrukturen, so hieß es dort, könne dann vielleicht umso besser auch inhaltlich zusammengearbeitet werden. Eine solche Herangehensweise erschien offenbar aufgrund der großen Heterogenität dieses mieten- und stadtpolitischen Bündnisses besonders geboten. Das Spektrum erstreckt sich, so wird in dem Text einer der AGs festgestellt, von der einzelnen Hausgemeinschaft "bis zu stadtweiten Gruppen, die z.B. Volksentscheide entwickeln". In politischer Hinsicht spannt sich der Bogen von betont regierungsfernen Gruppen bis hin zu solchen, die zwar ebenfalls außerparlamentarisch sind, aber gute Parteienkontakte doch für sehr wichtig halten. Es musste somit darum gehen, über die Verschiedenheit hinweg solidarisch-kritisches Verhalten zu fördern, nicht auszugrenzen und einzelnen Initiativen ihren eigenen Spielraum zu belassen.

Über solch eine um inhaltliche Offenheit bemühte Strukturbildung hinaus ist aber auch vorgesehen, günstige Organisationsgrundlagen in einem ganz praktischen Sinne zu schaffen, zum Beispiel im Internetbereich mit speziellen Online Tools. In dieser Hinsicht ist innerhalb des Bündnisses bereits einiges an Vorarbeit geleistet worden. So wurde etwa ein ‘Drive Ordner’ eingerichtet, in dem eigene bündnisbezogene Dokumente wie u.a. auch Protokolle abgelegt und Termine mitgeteilt werden können. An solchen Instrumenten wird momentan weiter gearbeitet. Für die Einrichtung einer eigenen umfassenden Website scheint es indessen, so wurde gesagt, im gegenwärtig laufenden Diskussionsprozess noch zu früh zu sein.

In der Anfangsphase des vielgliedrigen Programms, das die Orga-AG für den Abend am 6. März zusammengestellt hatte, wurde über den Turnus der kommenden Treffen sowie über einen Jour fixe beraten. Es kam zu einer Festlegung auf jeden zweiten Donnerstag im Monat in den Räumen in der Cuvrystraße, wobei es das eine Mal vorrangig um einen Austausch der Arbeitsgruppen untereinander und einen Monat später jeweils um ein allgemeines Plenum gehen soll.

Als ein noch näher bevorstehender relevanter Termin wurde das Wochenende am 25. und 26. März genannt, an dem im Haus der Demokratie die Tagung “Berlin von Unten - Eine andere Stadt ist möglich“ von der Initiative für eine außerparlamentarische Plattform der stadtpolitischen Basisgruppen veranstaltet wird. Eingeladen dazu wurden u.a. stadtpolitisch Aktive aus Rom und Barcelona, die von ihrem Engagement in wohnungs-politischen Plattformen und Bewegungen berichten werden und ihrerseits an hiesigen Aktivitäten interessiert sind. Die AGs des in diesem Artikel im Blick stehenden Intitiativenbündnisses sind aufgerufen, am Sonntag dem 26.3. ganztägig (ab 10.30 Uhr) an der "Zukunftwerkstatt für eine solidarische Stadt für Alle" teilzunehmen. Die Ergebnisse sollen dann in die folgenden monatlichen Treffen in der Cuvrystraße einfließen.

Die von der AG Ziele erarbeiteten “Leitlinien“ für das Bündnis wurden am 6. März nur zu einem Teil mündlich vorgetragen, waren den Initiativen und einzelnen Beteiligten aber schon vorher als Gesamttext zugeschickt worden. Es geht in ihnen um die Organisierung der Aktivitäten sowie um Regeln der Zusammenarbeit und der Entscheidungsfindung bei den Versammlungen, aber durchaus auch um gesellschaftspolitische Grundsätze. Sie spiegeln sich, so heißt es in den Formulierungen der AG Ziele, “in Begriffen wie ‘soziale Stadt’, ‘lebenswerte Stadt’, ‘soziale Nachbarschaft’, die alle mit dem besonderen Anspruch an das Gemeinwesen und das Gemeinwohl verknüpft sind.“ Der Widerstand richtet sich, so heißt es dort weiterhin, “gegen Megastrukturen, bei denen vorrangig profitorientierte Interessen von Investoren Einfluss auf Planungs-, und Bewirtschaftungsverfahren bzw. Entscheidungen haben“ und ebenso auch “gegen die soziale Homogenisierung der Kieze, gegen Verdrängung von wirtschaftlich benachteiligten Menschen und gewachsenen Strukturen“. Gefordert wird die Möglichkeit einer breiten Beteiligung bei allen Prozessen der Stadtentwicklung.

Eine eingehendere Diskussion zu diesen “Leitlinien“, wie sie die Mitglieder der zuständigen Arbeitsgruppe eigentlich erwartet hatten, konnte nicht geführt werden, da auch andere AGs noch vorbringen wollten, was sie zu ihren speziellen Themen ausgearbeitet hatten, so etwa, um hier verkürzt darauf einzugehen, die “AG 70%“, benannt nach dem Anteil von abhängigen privatwirtschaftlichen Mietverhältnissen, der ca. 70% der in Berlin wohnenden Menschen einschließt. Die AG, die ihre Arbeit bisher noch nicht richtig aufnehmen konnte, möchte Einflussmöglichkeiten über die Bezirke, Verwaltungen und den Senat bei Verdrängungsprozessen erkunden, Beispiele für positive und negative Erfahrungen bei Auseinandersetzungen sammeln sowie Formen des Widerstands diskutieren. Eine andere AG konzentriert sich speziell auf die Vorgehensweise von städtischen Wohnungsbaugesellschaften. Die “AG Kampagnen“, um nur noch eine weitere Gruppe zu nennen, hatte sich aktuell mit den jüngsten Demonstrationen gegen die Verdrängung von kiezbezogenem Gewerbe in Kreuzberg 36 befasst und zeigte einen kurzen Filmausschnitt dazu.

Die Benennung des Bündnisses, zu der es bereits eine Reihe von Vorschlägen wie etwa “Netzwerk stadtpolitischer Initiativen“, “Demos“,“Forum stadtpolitischer Initiativen“ u.a.m. sowie auch Probeabstimmungen gegeben hat, soll beim nächsten Treffen endgültig entschieden werden.

Zu den besonders wichtigen Themen, so war aus den Beiträgen herauszuhören, wird in den kommenden Monaten das Verhältnis zu den politischen Parteien und Institutionen gehören. Dabei wird, wie es in einem der Rundbriefe des Bündnisses heißt, zu diskutieren sein, wieviel Kooperation mit Rot-Rot-Grün nützlich ist für das Bündnis und welche außerparlamentarische Unabhängigkeit u. Selbstorganisation gewahrt werden muss. Konkret vorgeschlagen wurde an dem Versammlungsabend, dass es im Laufe des Sommers, wie schon beim ersten “Hearing“ im vergangenen November, eine Einladung an Regierungsmitglieder zur Teilnahme an der monatlichen Zusammenkunft geben solle, diesmal nicht nur zum Zuhören, sondern auch zum Gespräch mit ihnen. Da mietenpolitische Themen dabei sicherlich eine nicht unwichtige Rolle spielen, wird es sich an dieser Stelle wieder anbieten, über das neue Bündnis und seine Fortentwicklung zu berichten.

 

Jürgen Enkemann

 

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