Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter

MieterEcho online 13.04.2015

Geschichte einer tödlichen Entmietung

Vor zwei starb die Berliner Rentnerin Rosemarie F. Zwei Tage zuvor war sie aus ihrer Wohnung in Berlin-Reinickendorf zwangsgeräumt worden. Zum  zweiten Jahrestag ihres Todes hat die Sozialwissenschaftlerin Margit Englert  unter dem Titel  „Rosemarie F. Kein Skandal „ im  Verlag „Edition Assemblage“  ein Buch veröffentlicht.  Die Autorin lernte die Rentnerin   im Berliner „Bündnis Zwangsräumung verhindern!“ können, in dem sie  Unterstützung bei dem  Kampf gegen ihre Räumung suchte. Zu den Treffen brachte sie auch die Unterlagen und amtlichen Dokumente, die Grundlage des Buches geworden sind.  Darunter befinden sich viele Schreiben, die die Rentnerin an die Behörden und Wohnungseigentümerin Birgit Hartig  richtete, um ihre Räumung zu verhindern. Margit Englert geht sehr sensibel mit den persönlichen Daten der Rentnerin um. Sie hat schon im Vorwort deutlich gemacht, dass es in dem  Buch nicht um das Leben der Rentnerin geht, sondern um die Verhältnisse, die zu ihrem Tod führten. “Denn es ist klar, was Rosemarie widerfahren ist, ist kein Einzelschicksal. …. Es geht in diesem Text also nicht darum, Rosemarie als einen besonderen oder außergewöhnlichen Menschen herauszustellen“.  
 
„Kapitalanlage in  beschleunigten B-Lage“

Im Titel wird deutlich, dass es der Autorin um die kapitalistischen Verwertungsinteressen geht, die zum Tod der Rentnerin führten. „Wenn der Tod Rosemaries zum Skandal erhoben wird, lässt es sich leicht zurücklehnen und zur Tagesordnung übergehen. Und auf der Tagesordnung steht halt, Gewinne mit Immobilien zu machen, oder sich mit gutem Einkommen in Berlin eine der freiwerdenden Wohnungen zu nehmen, oder sich vorbildlich um die eigene Altersversorgung zu kümmern, durch Investition in Immobilien“, begründet Englert ihre im Titel formulierte Kritik an einer kurzatmigen Skandalisierungspolitik. Die Rezeption des Todes der Rentnerin bestätigt sie. Nach dem Tod der Rentnerin  gab es eine kurze folgenlose Empörung. Nicht einmal ein von den Oppositionsparteien im Berliner Abgeordnetenhaus ins Gespräch gebrachtes Räumungsmoratorium für RentnerInnen und schwer kranke Menschen wurde realisiert. Die Zwangsräumungen von einkommensschwachen Menschen gehen täglich weiter.
Englert benennt die Profiteur/innen und Verlier/innen der aktuellen Berliner Wohnungspolitik. Detailliert schildert sie, wie die in der Weimarer Republik errichtete Wohnsiedlung, in der F. wohnte, in den letzten beiden Jahrzehnten zur „Kapitalanlage in beschleunigter B-Lage“ geworden ist. Die Wohnung von Rosemarie F. wurde von der Geschäftsfrau Birgit Hartig erworben, die gemeinsam mit ihren Ehemann  die  Räumung der Rentnerin vorantrieb.  Gestützt auf die Dokumente  schildert Englert, wie Jobcenter und Eigentümer die Rentnerin  um ihre Wohnung brachten. „Der (Neo)liberalismus nutzt Sozialbehörden, die immer noch vorgeben, ärmere Menschen vor dem Verlust der Wohnung schützen zu wollen, als Instrument der Entmietung“, lautet  Englerts  Resümee.  Das im Untertitel gegebene Versprechen,  „Einblicke in den sozialstaatlich-immobilienwirtschaftlichen Komplex“ zu ermöglichen, werden auf den knapp 130 Seiten gut einlöst
Auf den letzten Seite sind Adressen von Organisationen wie der Berliner MieterGemeinschaft aufgelistet, an die sich MieterInnen wenden können, die sich dem Agieren des "sozialstaatlich-immobilienwirtschaftlichen Komplex" widersetzen wollen.   
Am Freitag, den 10. April  um 19 Uhr  wurde das Buch von  Margit Englert im Cafe am Schäfersee in der Residenzstraße 43 in Berlin-Reinickendorf vorgestellt   Dort hatte das Bündnis Zwangsräumung verhindern gemeinsam mit Rosemarie  F.  noch wenige Tage vor ihren Tod eine Nachbarschaftsveranstaltung zu Verhinderung der Räumung organisiert.
 
Peter Nowak
Englert Margit, Rosemarie F. kein Skandal, Einblicke in den sozialstaatlich-immobilienwirtschaftlichen Komplex, April 2015, Edition Assemblage, 134 Seiten, 7.80 Euro
ISBN 978-3-942885-83-6


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