Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter

MieterEcho online 07.04.2016

Verbesserungen für Mieter/innen oder eher ein Kessel Buntes? - Was von der Mietrechtsreform 2016 zu erwarten ist

Zum 1. Juni 2015 trat mit dem Mietrechtsnovellierungsgesetz (MietNovG) der erste Teil der im Koalitionsvertrag vereinbarten Mietrechtsreform in Kraft. Nun soll entsprechend der Koalitionsvereinbarung eine Reihe von weiteren Neuregelungen folgen. Diese betreffen ganz unterschiedliche Themenbereiche: Bessere und realitätsnahe Ausgestaltung von Mietspiegeln, Modernisierungen einschließlich Härteeinwände der Mieter/innen und Mieterhöhungen, Berücksichtigung der tatsächlichen Wohnfläche bei Betriebskosten und Mieterhöhungen sowie Beseitigung der Kündigungswirkung bei Mietrückständen durch die sogenannte Schonfristzahlung.
Sonderlich weit ist das Gesetzgebungsverfahren noch nicht gediehen. Ein Referentenentwurf soll im Frühjahr 2016 vorgelegt werden. Zu den beabsichtigten Gesetzesänderungen existiert bisher ein Eckpunktepapier des Justizministeriums vom 26. November 2015.

Grundsätze für Mietspiegel

Für die Mietrechtsreform ist geplant, den Erhebungszeitraum für Neuvertragsmieten bzw. Mietänderungen, die in die Datenbasis für die Erstellung von Mietspiegeln einfließen, von bislang 4 auf 10 Jahre zu erweitern. Dadurch sollen mehr und vor allem ältere Mietverträge bei der Berechnung der ortsüblichen Vergleichsmiete berücksichtigt werden.     Der im Gesetz nicht näher definierte Begriff, dass Mietspiegel „nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen“ zu erstellen sind, soll konkretisiert werden. Qualifizierte Mietspiegel sollen vor Gericht wie Sachverständigengutachten behandelt werden.
Die beabsichtigten Regelungen zu Mietspiegeln sind zu begrüßen. Durch die Verlängerung des Erhebungszeitraums auf 10 Jahre wird die ortsübliche Miete realer abgebildet. Klar umrissene Festlegungen, nach welchen Kriterien ein qualifizierter Mietspiegel zu erstellen ist, schaffen mehr Rechtssicherheit. Die von Vermietern derzeit vorgebrachten Angriffe gegen Mietspiegel führen dagegen zu erheblicher Rechtsunsicherheit und zur Zunahme gerichtlicher Auseinandersetzungen. Diese können für die Mieter/innen zu einem völlig unkalkulierbaren Kostenrisiko führen, falls das Gericht ein teures Sachverständigengutachten einholt.

Modernisierungsmaßnahmen

Geplant ist eine Erweiterung des bisherigen Katalogs von Modernisierungsmaßnahmen um solche, mit denen alters- bzw. behindertengerechte Wohnungen geschaffen werden, wenn die Wohnung zum dauerhaften Gebrauch durch diese Nutzergruppen bestimmt ist.

Härteeinwände der Mieter/innen

Änderungen sind auch bei den Härteeinwänden der Mieter/innen beabsichtigt. Die Frist, innerhalb der Mieter/innen Härteeinwände dem Vermieter mitteilen müssen, soll um einen Monat verlängert werden. Ist der Hinweis auf die Möglichkeit und die Frist für Härteeinwände in der Modernisierungsankündigung nicht enthalten, können diese Einwände – anders als bisher – auch noch nach Beginn der Baumaßnahmen erhoben werden. Eine unzumutbare finanzielle Härte soll regelmäßig vorliegen, soweit durch die Mieterhöhung die Bruttokaltmiete 40% des Nettoeinkommens der Mieter/innen übersteigt. Mieter/innen können sich – ebenfalls anders als bisher – auch dann auf eine unzumutbare finanzielle Härte berufen, wenn die Wohnung durch die Modernisierung lediglich in einen allgemein üblichen Zustand versetzt wird, also zum Beispiel erstmals ein Bad oder eine Heizung eingebaut wird. Wie schon seit 2013 soll der finanzielle Härteeinwand vom Gericht nicht im Duldungsprozess um die Modernisierungsmaßnahmen, sondern erst in einem weiteren Verfahren um die anschließende Modernisierungsmieterhöhung geprüft werden.
Die Verlängerung der Frist für Härteeinwände der Mieter/innen ist erfreulich. Dabei müsste jedoch klargestellt werden, dass Vermieter nicht berechtigt sein sollen, Mieter/innen vor Ablauf dieser Frist verbindliche Erklärungen über eine Duldung oder Verweigerung von Modernisierungsmaßnahmen abzuverlangen. In der Praxis ist das fast die Regel und Vermieter drohen oft mit einer kostspieligen Klage und hohen Schadensersatzforderungen. Außerdem wäre es wünschenswert, dass finanzielle Härteeinwände – wie vor 2013 – bereits im Duldungsprozess von Gerichten geprüft werden können.

Modernisierungsumlage

Das Vorhaben, eine Modernisierungsumlage auf den Zeitraum zu begrenzen, bis die Modernisierungskosten abbezahlt sind, ist offenbar „vom Tisch“. Stattdessen soll der umlegbare Prozentsatz der Modernisierungskosten auf die jährliche Miete von bisher 11% der Modernisierungskosten auf 8% gesenkt werden, im Koalitionsvertrag war von „höchstens 10%“ die Rede. Zudem sollen weitere Kappungsgrenzen eingeführt werden. Danach darf die Kaltmiete in einem Zeitraum von 8 Jahren um nicht mehr als 50% und maximal um 4 Euro/qm steigen. Zusätzlich soll das im Betriebskostenrecht geltende Wirtschaftlichkeitsgebot auch für Modernisierungskosten gelten. Das heißt, der Vermieter darf nur die Kosten umlegen, die ein verständiger Vermieter auch dann veranlasst hätte, wenn er sie selbst tragen müsste. Dadurch sollen „Luxusmodernisierungen“ verhindert werden. Für Vermieter, die sich vom Verfahren der Modernisierungsmieterhöhung überfordert fühlen, ist ein vereinfachtes Verfahren vorgesehen. Dabei werden die von den Modernisierungskosten abzuziehenden Erhaltungskosten als Pauschalen angesetzt. Macht der Vermieter von diesem vereinfachten Verfahren Gebrauch, kann er allerdings nur 4% statt 8% der Kosten jährlich umlegen. Das vorgesehene „vereinfachte Verfahren“ zur Modernisierungsmieterhöhung ist nebulös. In jedem Fall müssen Mieter/innen weiterhin einwenden können, dass die tatsächlichen Kosten für die nicht umlagefähigen Erhaltungsmaßnahmen (beispielsweise für marode Fenster, Fassadenschäden) höher sind als die vorgesehenen Pauschalen.     Dass laut Koalitionsvertrag die Modernisierungskosten längstens bis zu ihrer Amortisation umgelegt werden sollten und diese Begrenzung nun offenbar weggefallen ist, ist zu kritisieren. Die stattdessen angebotenen „Bonbönchen“ überzeugen nicht. Die vorgesehenen Kappungsgrenzen für Modernisierungsmieterhöhungen sind immer noch exorbitant hoch und werden kaum eine „Luxusmodernisierung“ verhindern können. Auch die Begrenzung von zulässigen Mietsteigerungen auf 40% des Nettoeinkommens ist vor allem für Mieter/innen mit geringem Einkommen viel zu hoch angesetzt.
Konsequent wäre es, die Modernisierungsumlage abzuschaffen und Vermieter auf die bestehende Möglichkeit zur Anpassung der Miete an die ortsübliche Vergleichsmiete nach dem Mietspiegel zu verweisen. Aber an die Erfüllung dieser langjährigen Forderung der Mieterorganisationen – auch der Berliner MieterGemeinschaft – wagt sich der Gesetzgeber nicht.

(Tatsächliche) Wohnfläche

Ausschlaggebend für Mieterhöhungen und die Umlage von Betriebskosten soll künftig allein die tatsächliche und nicht die vertraglich vereinbarte Wohnfläche sein. Bei einer Abweichung von mehr als 10% soll generell ein zur Mietminderung berechtigender Sachmangel vorliegen. Für den preisfreien Wohnraum sind zudem verbindliche Regelungen zur Berechnung der Wohnfläche vorgesehen, bislang gibt es diese nur für den preisgebundenen Wohnraum.
Die beabsichtigten Neuregelungen zur Berücksichtigung der tatsächlichen Wohnfläche bei Mieterhöhungen und Betriebskostenabrechnungen sind sinnvoll. Bei einer geringeren Wohnfläche als im Mietvertrag angegeben ist, sollte eine Mietminderung uneingeschränkt und nicht erst bei einer Abweichung von mehr als 10% möglich sein. Verbindliche Festlegungen zur Berechnung der Wohnfläche werden das Streitpotenzial bei Flächenabweichungen verringern.

„Schonfristzahlung“ und fristgerechte Kündigung

Bekanntlich haben Mieter/innen bislang die Möglichkeit, eine fristlose Kündigung wegen Mietrückstands dadurch abzuwenden, dass sie die Rückstände innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung der Räumungsklage vollständig ausgleichen oder eine Bestätigung der Kostenübernahme durch eine öffentliche Stelle beibringen. Allerdings wird durch eine solche „Schonfristzahlung“ nur die fristlose Kündigung unwirksam, die fast immer zusätzlich erklärte fristgerechte Kündigung aber nicht. Zukünftig sollen die Mieter/innen durch die Schonfristzahlung auch fristgerechte Kündigungen abwenden können.
Die Absicht, die Regelungen zur Schonfristzahlung auch bei fristgerechten Kündigungen anzuwenden, ist längst überfällig und nachdrücklich zu begrüßen. Allerdings sind die Proteste dagegen aus dem Vermieterlager nicht zu überhören. Bleibt zu wünschen, dass der Gesetzgeber sich davon nicht beeindrucken lässt.

Rechtsanwalt Wilhelm Lodde berät die Mitglieder in den Kreuzberger Beratungsstellen Möckernstraße und Adalbertstraße.

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