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MieterEcho 07.03.2013

„Die Blockade von Zwangsräumungen ist keine Eintagsfliege“

Interview mit dem Bündnis „Zwangsräumungen verhindern!“
 
MieterEcho: Ihr habt am 14. Februar früh am Morgen 1.000 Leute auf die Straße gebracht – die Wohnung der Familie Gülbol wurde trotzdem geräumt. Erfolg oder Niederlage?

Es ist sicher ein Erfolg aus verschiedenen Gründen: Die Gülbols waren trotz Räumung zufrieden. Die Solidarität war weit größer als erwartet, und ihre Botschaft ist in der Stadt angekommen: Zwangsräumungen gehen nicht mehr still und leise vonstatten. Seitdem melden sich noch mehr Leute beim Bündnis, die vor einer Zwangsräumung stehen und nicht mehr einfach nur zusehen wollen, sondern aktiv werden.
 
Die Mobilisierung hat das Potenzial gezeigt, das rund um das Thema Mieten/Wohnen im Moment besteht. Aber: wohin damit? Welche Perspektiven eines Mieterprotests seht ihr, der nicht nur verhindert, sondern in die Offensive kommt?

Das Motto heißt „Zwangsräumungen verhindern!“, also tun wir das auch weiterhin. Als Bündnis, zusammen mit Stadtteilinitiativen und anderen. Das Ziel ist schon, dass diese Aktionsform sich ausweitet und zu einem Problem für Senat und Vermieter wird, sodass politische Lösungen gefunden werden. Aber es geht natürlich auch darum, zusammen als Mieter/innen und Nachbar/innen die Erfahrung zu machen, dass wir mehr erreichen können als bloß zu skandalisieren oder Forderungen zu stellen. Das ist das Offensive unserer Idee, auch wenn es erst mal darum geht, etwas zu verhindern.
 
Und wie lässt sich das praktisch umsetzen? Beispielsweise ist das Konzept „Blockade“ zwar für einige Leute attraktiv – für andere aus verschiedenen Gründen aber wiederum gar nicht. Welche Angebote macht ihr diesen Leuten, um trotzdem am Protest teilzunehmen?

Jede Zwangsräumung ist speziell und erfordert eine breite Palette an Möglichkeiten des Protests. Daher gibt es auch ganz unterschiedliche Möglichkeiten sich zu beteiligen. Große öffentliche Blockade oder heimlich organisierte Überraschungsblockade, Sit-In bei der Wohnungsbaugesellschaft oder Besuch von Vermietern, Unterstützung bei Gerichtsverhandlungen oder Amtsbesuch mit Betroffenen, Kiezveranstaltung oder Pressearbeit, es ist wirklich viel zu tun.
 
Ihr habt im Februar groß mobilisiert, viel Medienecho erhalten. Worauf kommt es jetzt an, damit das keine Eintagsfliege bleibt? Was sind eure konkreten Pläne und Vorhaben für die nächste Zeit?

Es deutet sich jetzt schon an, dass das keine Eintagsfliege bleibt, da sich wie gesagt immer mehr Betroffene beim Bündnis melden. Nach dem 14. Februar haben wir in Reinickendorf eine weitere anstehende Zwangsräumung gehabt, die vorerst gestoppt werden konnte. Wichtig ist uns, dass „Zwangsräumungen verhindern!“ nicht beim Bündnis stehen bleibt. Wir hoffen, dass auch andere Mieter/inneninitiativen aktiv werden. Dafür bieten wir gerne unsere Unterstützung an.

Es kommt darauf an, Zwangsräumungen zu einem Dauerthema in der Stadt zu machen, das auch ohne Großevents am Leben bleibt. Dazu braucht es eine Stimmung in den Kiezen, dass Zwangsräumungsblockaden unterstützt werden und diese Unterstützung sich zunehmend lokal verankert. Welche Größenordnung das dann annehmen wird, können wir nur alle zusammen in der Praxis entscheiden.
 

Vielen Dank für das Gespräch.
 

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