Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter
MieterEcho 389 / Juli 2017

Die großen Profiteure

Immobilien-Aktiengesellschaften nutzen seit Jahren sogenannte
Share Deals und umgehen damit die Grunderwerbsteuer

Von Hermann Werle

Im April veröffentlichte die Bundesregierung ihre Antwort auf eine kleine Anfrage der Grünen bezüglich der „Share Deals am deutschen Portfoliomarkt“ . Darin erklärt die Regierung, dass die Finanzminister der Länder in einer Arbeitsgruppe Lösungsvorschläge für das Schlupfloch der Grunderwerbsteuervermeidung erarbeiten und möglichst bis Oktober 2017 Ergebnisse vorlegen wollen. Nach Aktivismus  sieht das nicht aus, aber – wir können beruhigt sein – „die Bundesregierung beobachtet sehr genau die Entwicklung von Transaktionen in den letzten Jahrzehnten“.

 

Gestützt auf Daten des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) erkennt auch die Bundesregierung die wachsende Bedeutung der Immobilien-Aktiengesellschaften, wenngleich sie sich im gleichen Antwortschreiben die Position des BBSR zu eigen macht, dass diese Unternehmen „derzeit nicht groß genug“ seien, „um den Wohnungsmarkt prägen zu können“. Den Zusatz des BBSR, dass „die Bestände der börsennotierten Vermieter räumlich in den größeren Städten und dort wiederum in bestimmten Quartieren konzentriert“ sind, unterschlägt die Bundesregierung in ihrer Antwort, dabei ist gerade dieser Hinweis bedeutsam für Ballungsräume wie Berlin, sowohl in Bezug auf ihre Machtstellung auf dem Wohnungsmarkt als auch in Hinsicht auf entgangene Grunderwerbsteuern.

In ihrer Stellungnahme bemerkt die Bundesregierung durchaus zutreffend eine auffällig hohe Zahl verkaufter Wohnungen zwischen 2013 und 2015 sowie „die hohe Zahl der Wiederverkäufe in den Jahren seit dem Jahr 2009“. Festgestellt wird zudem, dass die Wiederverkäufe „Teil von Investitions- und Portfoliostrategien zur Optimierung von Wohnungsportfolios großer Wohnungsunternehmen“ sind. Bei diesen großen Wohnungsunternehmen handelt es sich vornehmlich um börsennotierte Immobilien-Aktiengesellschaften, die sich in den genannten Jahren konsolidierten und dabei ausgiebig von Share Deals Gebrauch machten. Das hessische Finanzministerium geht davon aus, dass die Größenordnung der jährlich entgangenen Steuereinnahmen bundesweit bei bis zu einer Milliarde Euro liegt. Ursprünglich wurde die Grunderwerbsteuerbefreiung durch Share Deals vom Gesetzgeber ermöglicht, um bei Übernahmen von Industrieunternehmen Arbeitsplätze zu erhalten und zukünftige Investitionstätigkeiten nicht durch Steuerlasten zu gefährden. In diesem Sinne erklärte die Staatssekretärin für Finanzen, Dr. Margaretha Sudhof (SPD), im August 2016 dem Berliner Abgeordnetenhaus, dass also nicht „sämtliche Erwerbe von Unternehmensbeteiligungen als reines Instrument der Steuervermeidung“ charakterisiert werden könnten, „insbesondere nicht Anteilserwerbe an Unternehmen, bei denen die Zugehörigkeit von Grundstücken im Betriebsvermögen nur eine untergeordnete Rolle spielt“. Im Umkehrschluss kann davon ausgegangen werden, dass der Erwerb von Unternehmensbeteiligungen, bei denen die Zugehörigkeit von Grundstücken im Betriebsvermögen eine sehr zentrale Rolle spielt, als reines Instrument der Steuervermeidung betrachtet werden muss.

 

Boomjahre des Wohnungshandels            

Dies trifft bei der oben bereits erwähnten hohen Anzahl von Verkäufen und Wiederverkäufen recht häufig zu. Der Stellungnahme der Bundesregierung sind Auflistungen beigefügt, die darlegen, dass 555 Wohnungstransaktionen mit 800 oder mehr Wohnungen zwischen 1999 und 2016 stattfanden. Bei 100 Verkäufen, insgesamt über 1,1 Millionen Wohnungen, handelte es sich um Share Deals, die von der Grunderwerbsteuer befreit waren. Der Hintergrund der regen Geschäftstätigkeit waren unter anderem die diversen Börsengänge von Wohnungsgesellschaften, die wie die GSW in früheren Jahren privatisiert worden waren. Als Share Deal ging zuvor schon die Gehag 2007 von Oaktree Capital Management an die Deutsche Wohnen. Einen wahren Boom erlebten die Share Deals zwischen 2011 und 2015. Bei den größeren Bestandsverkäufen ab 800 Einheiten wurden in den Spitzenjahren bis zu 71% der Transaktionen im Rahmen von Share Deals vollzogen. Neben Oaktree finden sich auf der Verkäuferseite der Transaktionsliste mit Cerberus, Goldman Sachs, Terra Firma und Fortress gleich mehrfach die verschiedenen Privat-Equity-Fonds, welche die Aufkäufer der privatisierten Wohnungsbaugesellschaften waren. Die Käuferseite ist geprägt von den neuen Akteuren auf den Wohnungsmärkten: TAG Immobilien AG, Buwog, Conwert, Adler Real Estate, Ado Properties und nicht zuletzt Vonovia und die Deutsche Wohnen.

Dass die Share Deals beim Handel mit Wohnungsbeständen in erster Linie den Zweck der Steuervermeidung haben, bestätigen Berichte der Deutsche Wohnen. So heißt es in einer Einladung zur Hauptversammlung der Aktiengesellschaft vom September 2013: „Die Deutsche Wohnen AG beabsichtigt jedoch aus steuerrechtlichen Gründen, höchstens 94,9% der Anteile an der GSW Immobilien AG zu übernehmen. Denn gemäß § 1 Absatz 3 und Absatz 3a Grunderwerbsteuergesetz führt der Erwerb von mindestens 95% der Anteile an einer Gesellschaft zu einer Grunderwerbsteuerpflicht in Bezug auf die zum Gesellschaftsvermögen gehörenden, in Deutschland belegenen Grundstücke, wobei der in Berlin anwendbare Steuersatz derzeit 5% beträgt.“ Deutlicher kann die Absicht kaum formuliert werden, zumal den Aktionären im gleichen Schreiben auch gleich mitgeteilt wird, um welche Steuersummen es geht: „Auf Grundlage der ihm vorliegenden Informationen schätzt der Vorstand der Gesellschaft die im Zuge eines vollständigen Erwerbs der GSW Immobilien AG entstehende Grunderwerbsteuer auf ungefähr 130 Millionen Euro.“

Zur Absicherung der Steuereinsparung, das heißt, dass die Deutsche Wohnen keinesfalls mehr als 94,9% der Anteile an der GSW erhält und somit unter der Grunderwerbsteuerschwelle von 95% verbleibt, wurde ein sogenannter „Drittinvestor“ zwischengeschaltet, wie einem Vertragswerk zwischen Deutsche Wohnen und GSW vom April 2014 zu entnehmen ist. Demnach sei die Deutsche Wohnen zwar verpflichtet, „allen außenstehenden GSW-Aktionären anzubieten, ihre GSW-Aktien gegen eine festzulegende Abfindung zu erwerben“. Um nun aber den „Erwerb von GSW-Aktien durch die Deutsche Wohnen AG im Zuge des Abfindungsangebots auf höchstens 95% minus 10.000 der GSW-Aktien zu begrenzen, hat die Deutsche Wohnen AG im Zusammenhang mit dem Abfindungsangebot mit der Deutsche Bank AG (‚Drittinvestor‘) einen Vertrag geschlossen, in dessen Rahmen sich der Drittinvestor zum Erwerb von 5% plus 10.000 Aktien verpflichtet“. So funktioniert die ganz legale Steuervermeidung.    

            

Kampf gegen Steuertricksereien            

Auch beim letzten Erwerb von rund 3.900 Wohnungen in Berlin im März 2017 sparte sich die Deutsche Wohnen AG die Grunderwerbsteuer von rund 40 Millionen Euro. Nach einer Recherche des Rundfunks RBB sind dem Land Berlin in den letzten fünf Jahren rund 690 Millionen Euro an Grunderwerbsteuern entgangen. Gewollt ist diese Art der Steuervermeidung vom Gesetzgeber nicht, vermeldete kürzlich Berlins Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) und auch die Parteien Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen sprechen sich gegen Share Deals aus. Da nun auch Hessens CDU-Finanzminister Dr. Thomas Schäfer auf der Finanzministerkonferenz der Steuertrickserei den Kampf angesagt hat, gibt es somit eine breite Parteienkoalition. Das könnte Hoffnung machen, wenn es da nur nicht diese Lobbyisten gäbe, die Schäfer offensichtlich Sorgen bereiten, wenn er äußert: „Unser Ziel ist klar: Wir wollen die Steuertricksereien beenden. Nun müssen wir schauen, mit welchem Modell das am effektivsten und rechtssicher möglich ist. Denn klar ist: Der Druck der Immobilienlobby und der Steuervermeidungsindustrie ist groß. Das merken wir jetzt schon.“          

 

Was ist ein Share Deal?

Ein Share Deal ist wie der Asset Deal eine Form des Unternehmens-kaufs (Asset = Wirtschaftsgut). Hierbei erwirbt der Käufer vom Verkäufer Anteile an der zum Verkauf stehenden Gesellschaft. Immobilientransaktionen unterliegen der Grunderwerbsteuer. Ausgenommen sind jedoch laut Grunderwerbsteuergesetz Verkäufe von Anteilen an Unternehmen (Shares), in denen die Grundstücke enthalten sind, sofern weniger als 95% der Unternehmensanteile erworben werden. Im Unterschied zum direkten Erwerb einer Immobilie (Asset Deal) verpflichtet der Erwerb einer immobilienhaltenden Gesellschaft dann nicht zur Zahlung von Grunderwerbsteuern, wenn die 95%-Grenze der Unternehmensanteile nicht erreicht wird.


MieterEcho 389 / Juli 2017

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