Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter
MieterEcho 380 / April 2016

Wenn man im Kaufrausch das Bauen vergisst

Note "mangelhaft" für das Mietenbündnis

Von Philipp Möller                                            

2012 schlossen der Senat und die sechs städtischen Wohnungsunternehmen (Degewo, Gewobag, Stadt und Land, Gesobau, WBM und Howoge) das Bündnis für soziale Wohnungspolitik und bezahlbare Mieten (Mietenbündnis). Die Bündnispartner vereinbarten die Aufstockung der Wohnungsbestände durch Zukauf und Neubau. Bis Ende 2016 sollte der Bestand um 30.000 auf 300.000 Wohnungen erweitert werden. Die Bilanz fällt ernüchternd aus.          

 

Im Berliner Neubau-Diskurs überschlagen sich die Ereignisse. 60.000 Wohnungen sollen die städtischen Wohnungsunternehmen nach dem Willen des Bausenators Andreas Geisel (SPD) bis zum Jahr 2025 bauen. Durch Modulbauten und Container soll zudem Wohnraum für 40.000 Geflüchtete geschaffen werden. Es ist Wahlkampf und nach Jahren des Stillstands in Sachen Neubau wollen die politisch Verantwortlichen nun Handlungsstärke zeigen. Da wirkt die Ankündigung von jährlich rund 6.000 neu zu bauenden Wohnungen – nur ein Drittel davon Sozialer Wohnungsbau – wie ein großer Wurf. Im Jahr 2012, beim schwarz-roten Koalitionsschluss, sah das noch anders aus. Das Mietenbündnis wurde zu einem zentralen Pfeiler der Wohnungspolitik erkoren. Die kommunalen Wohnungsunternehmen sollten ihrem sozialem Anspruch stärker gerecht werden und es galt, die Situation von einkommensschwachen Mieter/innen zu verbessern. Neben der Kappung von Mieterhöhungen oder die bevorzugte Neuvermietung an Haushalte mit Wohnberechtigungsschein stand die Aufstockung des Wohnungsbestands im Zentrum des Bündnisses.                    

Während der knapp vierjährigen Laufzeit des Bündnisses wurden rund 25.000 Wohnungen durch die sechs städtischen Gesellschaften angekauft. Im gleichen Zeitraum wurden jedoch weniger als 3.000 Wohnungen gebaut und davon nur etwa 1.000 als Sozialer Wohnungsbau. Angesichts von etwa 80.000 zugezogenen Berliner/innen allein im Jahr 2015 ist das ein schlechter Witz – mit desaströsen Auswirkungen. Die stark gestiegenen Mietpreise und der akute Mangel an bezahlbarem Wohnraum sind eine direkte Folge der Verweigerung des Neubaus von günstigen Wohnungen. Erst zwei Jahre nach Beginn des Mietenbündnisses unternahmen die Landeseigenen erste zaghafte Gehversuche im Bereich Neubau, obwohl bereits zuvor der Bedarf an Wohnraum nicht mehr durch den Bestand gedeckt wurde und Private keine Wohnungen im unteren Preissegment bauten. Die Berliner MieterGemeinschaft warnte bereits im Jahr 2009 vor einer drohenden Wohnungsnot. Der langsame Sinneswandel bei den politischen Verantwortlichen stellte sich erst ein, als der Ankauf von Wohnungen aufgrund der Eskalation auf dem Wohnungsmarkt immer teurer wurde.      

 

Folgen des Ausverkaufs                

In den Bilanzen der landeseigenen Unternehmen finden sich keine Zahlen zu Investitionen im Bereich des Ankaufs. Über die Kaufpreise wurde Stillschweigen vereinbart, um den Markt nicht noch weiter anzuheizen. Ein Armutszeugnis in Sachen Informationspolitik, was die Frage aufwirft, wie viel öffentliches Geld den verkaufenden Investoren in den Rachen geworfen wurde. Der im Rahmen der neoliberalen Privatisierungswelle betriebene Ausverkauf der kommunalen Wohnungsbestände von mehr als 209.000 Wohnungen bis zum Jahr 2005 kommt der Stadt im Nachhinein teuer zu stehen. Die städtischen Unternehmen mussten Wohnungen zu drastisch gestiegenen Preisen erwerben und kauften teilweise Objekte zurück, die sie Jahre zuvor abgestoßen hatten. Beispielsweise erwarb die WBM am Bersarinplatz 363 Wohnungen zehn Jahre nach dem Verkauf zurück. Der ganze Irrsinn der Senatspolitik zeigt sich darüber hinaus in der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage aus dem Jahr 2013. Danach wurden im Jahr 2012 trotz der vereinbarten Erweiterung der Wohnungsbestände 874 und im folgenden Jahr 615 Wohnungen aus dem Bestand der kommunalen Unternehmen verkauft. Über 200 weitere Wohnungsverkäufe waren in Planung. Angesichts des mieten- und wohnungspolitischen Versagens in der aktuellen Legislaturperiode kann dem derzeitigen Wahlkampfgeheul und den großen Versprechungen daher kaum Vertrauen entgegengebracht werden.                  

 

 


MieterEcho 380 / April 2016

Schlüsselbegriffe: städtische Wohnungsunternehmen, Degewo, Gewobag, Stadt und Land, Gesobau, WBM, Howoge, Neubau, Mietenbündnis, Sozialer Wohnungsbau, Privatisierung

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