Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter
MieterEcho 368 / Juli 2014

Schonfrist für Ferienwohnungen

Bis sich die Zahl der zweckentfremdeten Wohnungen in
Berlin reduzieren lässt, werden noch zwei Jahre vergehen

Von Jutta Blume

 

Seit dem 1. Mai 2014 gilt in Berlin die Zweckentfremdungsverbot-Verordnung für Wohnraum. Mit dieser möchte der Senat in erster Linie die Nutzung von Mietwohnungen als Ferienapartments bekämpfen. Die Berliner MieterGemeinschaft ermittelte bereits 2011 einen Bestand von 12.000 Ferienwohnungen und aufgrund der angenommenen Ausweitung ist zurzeit von rund 18.000 auszugehen. Die Ermittlung genauer Zahlen ist schwierig, da das Angebot fluktuiert, die Wohnungen über mehrere Portale gleichzeitig oder manchmal nur über ausländische Agenturen angeboten werden. Nach wie vor konzentriert sich die touristische Nutzung von Wohnraum auf die Innenstadtbezirke. 2011 handelte es sich meist um kleinere Wohnungen bis 60 qm, durchschnittlich werden pro Wohnung 4 Betten angeboten (MieterEcho Nr. 350/ Oktober 2011).

 

„Die Leute erzählen uns von der Häufung von Ferienwohnungen in bestimmten Straßen. Sie regen sich vor allem darüber auf, wie viel Geld damit gemacht wird“, berichtet Susanne Torka von der Initiative „Wem gehört Moabit?“, die in der Lehrter Straße in der Nähe des Hauptbahnhofs ansässig ist. In einer interaktiven Karte tragen Moabiter/innen ihre Beobachtungen aus dem Kiez ein, von Verkäufen über Leerstände, Modernisierungen bis hin zu Ferienwohnungen. „Seit bereits fünf Jahren werden hier Ferienwohnungen vermietet. Zuerst war es nur eine Wohnung in der Emdener Straße 8, inzwischen werden zwei Wohnungen in der Emdener Straße und eine Wohnung in der Oldenburger Straße als Ferienwohnungen vermietet. Zu 137 Euro pro Nacht (vier Personen) = 4.110 Euro je Wohnung“, schreibt ein Nutzer Ende Januar 2014. In der Birkenstraße 44 berichten Nachbar/innen über die allmähliche Umwandlung des gesamten Vorderhauses in Ferienwohnungen. Dort hätten überwiegend alte Leute gewohnt, die nach und nach selbst gekündigt hätten oder gestorben seien. Bislang ärgern sich die Moabiter/innen vor allem über den Wegfall von Wohnraum und die hohen Profite. Beschwerden über Stress mit Feriengästen kommen Susanne Torka weniger zu Ohren. „Hier in der Lehrter Straße macht das AO-Hostel viel mehr aus“, klagt sie. Bereits bei der Verabschiedung des Zweckentfremdungsgesetzes setzte sich die Initiative „Wem gehört Moabit?“ mit dem Bezirksamt in Verbindung, vor Kurzem habe sich dann auch eine freundliche neue Mitarbeiterin bei ihnen vorgestellt. „Wie die Zusammenarbeit laufen kann, ist noch nicht geklärt, weil noch nicht entschieden ist, ob es eine zentrale Stelle geben wird“, so Torka.

Bis zum 31. Juli müssen Vermieter von Ferienwohnungen diese beim Bezirksamt melden. Dann gilt in der Regel eine Übergangsfrist bis Ende April 2016, in der die Nutzung fortgesetzt werden darf. Wer nach Ablauf der Übergangsfrist weiter vermieten will, muss bis April 2016 einen Antrag auf dauerhafte Zweckentfremdung stellen. Die Genehmigungen werden von der personellen Ausstattung der Bezirksämter abhängen, denn wenn die Ämter es innerhalb von 14 Wochen nicht schaffen, einen Antrag zu bearbeiten, gilt die Genehmigung als erteilt (MieterEcho Nr. 367/ Mai 2014).

 

Bezirksämter können handeln

Über ein Jahr lang musste Annette Groß* (Name geändert) laute Berlinbesucher in ihrer Nachbarwohnung im Bezirk Mitte ertragen. „Sie haben Parties gefeiert und nachts versucht, meine Wohnung aufzuschließen, weil sie nicht die richtige Tür gefunden haben“, berichtet sie. Alle paar Tage reisten neue Gäste in ihrem Haus an, die ihr als „Freunde“ des eigentlich dort lebenden Pärchens vorgestellt wurden. Einmal fragte sie die Gäste direkt, ob sie Freunde der Mieter/innen wären, aber diese zeigten sich ahnungslos. Schließlich meldete Groß der Hausverwaltung die vermutlich illegale Nutzung der Wohnung. Nachdem sie einen Link zum Ferienwohnungsportal Airbnb hinterherschickte, wo die Wohnung angeboten war, ist es wieder ruhig geworden. „Ich glaube, den Mietern ist gekündigt worden“, schlussfolgert Groß. Fälle wie diese sind auch ohne das Zweckentfremdungsverbot lösbar, wenn die Hausverwaltung der Untervermietung nicht zustimmt. Aber nicht nur genervte Mieter/innen, auch die Bezirksämter haben gezeigt, dass sie jenseits des neuen Gesetzes aktiv werden können. Nach einem Bericht der Berliner Morgenpost wollen die Grünen bereits bis zum Ende dieses Jahres 5.000 Ferienwohnungen wieder in Mietwohnungen zurückverwandeln. Die Fraktion beruft sich dabei auf das Baurecht sowie soziale Erhaltungssatzungen. Vor Kurzem untersagte der Bezirk Pankow die Nutzung von einem Dutzend Ferienwohnungen in einem Haus an der Prenzlauer Allee. Die touristische Nutzung widersprach in diesem Fall dem baurechtlichen Prinzip der Rücksichtnahme. Verbleibende Nachbar/innen hatten sich mehrfach beschwert. Im Kreuzberger Bergmannkiez berief sich das Bezirksamt auf den Milieuschutz, als es die weitere Vermietung einer Wohnung an Tourist/innen untersagte. 

 

Antragsflut in der Innenstadt

Abzuwarten bleibt nun, wie viele Anträge auf zweckentfremdete Wohnraumnutzung tatsächlich bis Ende Juli bei den zuständigen Bezirksämtern eingehen werden. Schließlich beträgt die Bearbeitungsgebühr pro Wohnung 225 Euro und die Kapazitäten, gegen die illegale Vermietung von Ferienwohnungen zu ermitteln, sind äußerst begrenzt. Bislang wurden den Bezirksämtern insgesamt 34 neue Mitarbeiter/innen für diesen Aufgabenbereich zugesagt, die Hälfte davon soll aus dem Personalüberhang der Bezirke kommen. Allein müssen diese erst für die neue Aufgabe gewonnen und geschult werden. Momentan sieht es so aus, als würden die Bezirke sich jeweils allein mit dem neuen Aufgabenbereich auseinandersetzen. Der Stadtrat für Bürgerdienste von Mitte, Stephan von Dassel (B90/Grüne), hatte vorgeschlagen, eine gemeinsame Arbeitsgruppe für alle 12 Bezirke einzurichten und diese in Mitte anzugliedern, konnte aber seinen eigenen Bezirk nicht von der Idee überzeugen. „Vorteil einer Zentralisierung wäre, auch Mitarbeiter/innen für den Außendienst zu haben“, sagt von Dassel. Diese könnten Hinweisen aus der Bevölkerung auf eine illegale Vermietung von Ferienwohnungen nachgehen. Ein weiterer Vorteil wäre, nicht nur die Situation im Bezirk, sondern in der ganzen Stadt zu überblicken.

Bis Ende Juni werden in Mitte insgesamt vier Mitarbeiter/innen die Arbeit aufgenommen haben, davon zwei aus dem Stellenüberhang. Zunächst müssen sie die Meldungen von Ferienwohnungsvermieter/innen bestätigen, sodass diesen die zweijährige Übergangsfrist zusteht. Etwa 150 Meldungen seien bislang eingegangen, hinzu käme etwa die gleiche Zahl von Anfragen aus der Bevölkerung und Anträge auf eine langfristige Zweckentfremdung, die momentan noch zurückgestellt werden. „Bei der langfristigen Genehmigung kommt es auf den Einzelfall an“, meint von Dassel. Etwa wenn Gewerbegebäude extra umgebaut worden seien, Wohnungen für die reguläre Vermietung zu dunkel seien, oder sich die Anbieter von Ferienwohnungen für den Aufbau ihres Gewerbes verschuldet hätten. „Wir wollen sehen, ob wir zusammen mit der IHK einen Kriterienkatalog für die Genehmigungen entwickeln können“, so von Dassel. 

Für den Vorschlag seiner Parteikollegin Katrin Schmidberger, unter Bezug auf Milieuschutz und Baurecht bereits in diesem Jahr 5.000 Ferienwohnungen dem Mietwohnungsmarkt zurückzugeben, ist nicht seine Abteilung für Bürgerdienste, sondern die Abteilung für Stadtentwicklung und Bauen zuständig. „Dem Bezirksamt steht aber auch für diesen Fall kaum Personal  zur Verfügung“, erklärt der Stadtrat.

Wie unterschiedlich die Situation in den Bezirken ist, zeigt das Beispiel Lichtenberg. „Bei uns gehen hauptsächlich Meldungen der Wohnungsbaugesellschaften für ihre Gästewohnungen ein“, sagt der Stadtrat für Bürgerdienste Andreas Prüfer (Die Linke). In Lichtenberg sei man für den Vorschlag offen gewesen, eine zentrale Arbeitsgruppe für alle Bezirke einzurichten. Da sich aber früh abzeichnete, dass dies nicht realisierbar sei, will der Bezirk bis zum Ende des Jahres zumindest mit Treptow-Köpenick und Marzahn-Hellersdorf kooperieren.     

                        

Weitere Informationen:
Interaktive Karte der Initiative „Wem gehört Moabit?“:
 https://moabit.crowdmap.com/main
Senatsverwaltung: 
www.stadtentwicklung.berlin.de/wohnen/zweckentfremdung_wohnraum


MieterEcho 368 / Juli 2014

Schlüsselbegriffe: Ferienwohnungen, Zweckentfremdungsverbot-Verordnung, Berlin, Ferienapartments, Initiative „Wem gehört Moabit?, Zweckentfremdungsgesetz, Bezirksämter, Katrin Schmidberger

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