Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter
MieterEcho 371 / Dezember 2014

Kaufen, teilen, verkaufen

Berlin Aspire vermarktet Eigentumswohnungen, bevor ihre Umwandlung genehmigt ist

Von Jutta Blume                                        

Das Immobilienunternehmen Berlin Aspire Real Estate GmbH sucht das schnelle Geschäft. Die Vertreibung von Mieter/innen, die Täuschung von Käufern und die Zwischennutzung der Wohnungen als Ferienwohnungen gehören zur Verwertungsstrategie.    


Die Berlin Aspire Real Estate GmbH ist noch nicht lange am Berliner Markt tätig, hat es aber schon zum beachtlichen Bestand von mindestens 19 Mietshäusern gebracht. 2011 wurde die Gesellschaft ins Handelsregister eingetragen, 2013 verlegte sie ihren Firmensitz von Schönefeld nach Berlin. Ihr Vorgehen beim Kauf und bei der Vermarktung läuft stets nach einem ähnlichen Muster ab, wie die Mieter/innen aus den betroffenen Häusern berichten. Für jedes Haus wird eine eigene GmbH gegründet, die eine c/o-Adresse bei der Berlin Aspire Real Estate GmbH in der Friedrichstraße hat. Bereits zeitgleich mit dem Erwerb werden die Wohnungen auf der israelischen Internetseite www.berlin-estate.com angeboten. Bei Häusern, deren Fassaden nicht repräsentativ genug sind, wurden Fotos digital retuschiert. Die Gestalter/innen der Internetseite haben sich nicht die Mühe gemacht, die Rechtschreibung der jeweiligen Adressen zu überprüfen, so wird dort ein Haus in der „Wesser Strasse“ und eins in der „Shtefan Strasse“ angepriesen. Offenbar soll bei Berlin Aspire beziehungsweise Berlin Estate alles besonders schnell gehen. Auch juristisch schleichen sich da gern kleine Fehler ein: Vielfach werden die Wohnungen als Eigentumswohnungen angeboten, bevor eine Teilungserklärung vorliegt. Besonders brisant ist dies in der Reichenberger Straße 114 in Kreuzberg, da sich das Haus noch bis Mai 2015 in der Förderbindung der behutsamen Stadterneuerung befindet und eine Umwandlung in Eigentumswohnungen bis dahin ausgeschlossen ist.                             

 

Räumungsklagen verschickt        

Zeitgleich mit der Vermarktung beginnt die Entmietung der Häuser. In der Hobrechtstraße 40 in Neukölln ist mittlerweile ein Drittel der 30 Mietparteien ausgezogen, hauptsächlich aus dem instandsetzungsbedürftigen Quergebäude. „Die meisten wollten sowieso ausziehen und haben noch ein paar Tausend Euro Abfindung dazu bekommen“, berichtet der Mieter Roland Zöllig*. Alle verbleibenden Mieter/innen erhielten Mieterhöhungsschreiben, fast alle Wohnungen wurden für rund 2.500 Euro/qm verkauft. Die Hausverwaltung behauptete, von der vorherigen Verwaltung keine Informationen über Mietkautionen erhalten zu haben. Im Treppenhaus wurden unangekündigte und ungesicherte Baumaßnahmen durchgeführt. Auch die Wohnungen in der Sonnenburger Straße 55 im Prenzlauer Berg wurden zum größten Teil verkauft, ebenfalls zu 2.500 Euro/qm. In beiden Häusern stehe in den Kaufverträgen, dass der Zustand der Wohnungen bei der Kaufpreisbildung berücksichtigt wurde, so die Mieter/innen, dabei hätten nie Begehungen stattgefunden.  „Einigen Mietern wurde ‚Hilfe’ beim Auszug angeboten und direkt mitgeteilt, dass sie uns alle loswerden wollen, um in den Wohnungen eine Luxussanierung durchzuführen und sie möglichst teuer zu verkaufen. Gegen einige Mieter liegen aus meist fadenscheinigen Gründen Räumungsklagen vor.“ So heißt es auf dem Blog der Mieter/innen, der Sonnenburger Straße 55. Im Haus Weserstraße 59/60, Ecke Wildenbruchstraße 6 in Neukölln engagierte Berlin Aspire die auf Entmietung spezialisierte Firma Pro Soluta (MieterEcho Nr. 354/ Mai 2012 und MieterEcho Nr. 364/ Dezember 2013). Die Geschäftspraxis von Pro Soluta besteht darin, Mieter/innen zu Gesprächen über anstehende „Veränderungen“ zu drängen, bei denen zumeist der Auszug gegen Abfindung angeboten wird. Pro Soluta legt Wert darauf, die Gespräche – zu denen rechtlich kein/e Mieter/in verpflichtet ist – stets als Einzelgespräche zu führen.

                        

Umwandlung in Ferienwohnungen    

Leer stehende Wohnungen in den Häusern der Berlin Aspire werden in der Regel schnell oberflächlich modernisiert und in Ferienwohnungen umgewandelt. Auf diese Weise entsteht eine zusätzliche Belas-tung der Bewohner/innen durch wechselnde Feriengäste. Bewohner/innen der Sonnenburger Straße 55 berichten, dass der „Ferienwohnungsbeauftragte“ von Berlin Aspire nachts mit laufendem Motor und aufheulender Klimaanlage vor dem Haus auf Gäste wartete. Trotz Zweckentfremdungsverordnung tritt Berlin Aspire auf dem Internetportal Air-bnb offen als Vermieter von Ferienwohnungen auf. Die möblierten Wohnungen werden hier für 65 bis 95 Euro pro Nacht offeriert. Berlin Aspire versucht mit seinen insgesamt 21 Angeboten nicht, sich als Privatperson zu tarnen. Die Bezirksämter zeigen bis jetzt keine Initiative, der Zweckentfremdung von Wohnungen durch Berlin Aspire entgegen zu treten. In Prenzlauer Berg bietet das Unternehmen auf Airbnb vier Wohnungen an, die im Milieuschutzgebiet liegen und deren Zweckentfremdung daher jederzeit untersagt werden könnte. Das Ordnungsamt nimmt die Hinweise der Bewohner/innen zwar entgegen, hat aber nach eigenen Angaben keine Mitarbeiter/innen, die diesen nachgehen könnten.                    

Die Mieter/innen der Hobrechtstraße 40 in Neukölln machten das Wohnungsamt auf die Zweckentfremdung im Haus aufmerksam. Vier Wohnungen stehen bereits im Ferienwohnungsportal, drei weitere Wohnungen werden gerade zu Ferienwohnungen umgebaut. „Mir wurde beim Wohnungsamt telefonisch mitgeteilt, alle ab Mai beantragten Wohnungen würden genehmigt“, sagt Zöllig. „Die Zweckentfremdung müsse nicht verboten werden, sondern könne etwa gegen finanzielle Auflagen erlaubt werden.“ Daraufhin wandte sich der Mieter mit einem Brief an Stadtentwicklungssenator Michael Müller. Die Fälle würden geprüft, so die Antwort, genauere Auskünfte könnten aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht gegeben werden. Offenbar gibt es aber schon Pläne für die Zukunft, wenn Ferienwohnungen nicht mehr toleriert werden. So ließ der Geschäftsführer von Berlin Aspire, Eliezer Post, in einem Mietergespräch verlauten, dass die möblierten Apartments dann eben längerfristig an „Businesskunden“ vermietet würden.          

 

Täuschung von Käufern        

Nicht nur die Mieter/innen in den aufgekauften Häusern beklagen sich über das Gebaren von Berlin Aspire, sondern auch die Käufer der Wohnungen. Der Blog der Hobrechtstraße 40 berichtet über mittlerweile wieder gelöschte Beschwerden von Kleinanlegern auf der Facebookseite von Berlin Estate: „Das Unternehmen ist ein Haufen von Verbrechern. (…) Sie bieten Investoren Wohnungen an, die sie noch lange nicht verkaufen dürfen. Der Umwandlungsprozess eines solchen Gebäudes kann aufgrund der restriktiven Mieterschutzgesetze in Deutschland Jahre dauern“. In dem Eintrag warnt die Investorin andere davor, Wohnungen bei Berlin Aspire zu kaufen.                 

Zwar trägt jeder Investor selbst die Verantwortung dafür, sich über die Gesetzeslage im jeweiligen Land zu informieren, Berlin Aspire scheint aber bewusst auf die Unkenntnis der von ihnen angesprochenen Käufer zu setzen. Dies betrifft auch den Zustand der Gebäude. „Unser Haus ist eine Ruine, das Dach ist undicht, alle Reparaturen Pfusch“, beschreibt Zöllig das Mietshaus, in dem er wohnt. Die Modernisierung der frei gewordenen Wohnungen erfolgt, bevor wichtige Reparaturen und Modernisierungen am gesamten Haus vorgenommen werden. „Mein Eindruck ist, dass aufgehübscht und ganz schnell mit enormen Gewinnen weiterverkauft wird.“             

 

Baustopp in Prenzlauer Berg        

Kleine Erfolge in den Auseinandersetzungen mit Berlin Aspire gibt es aber auch. In der Sonnenburger Straße 55 wurde von Ende Juli bis Mitte Oktober ein Baustopp verhängt, da dort entgegen der sozialen Erhaltungssatzung Luxuswohnungen entstehen sollten. Entsprechende Anträge ans Bezirksamt stellten die Eigentümer nicht. Ohne die Öffentlichkeitsarbeit der Mieter/innen wäre das Amt wahrscheinlich nicht auf die geplanten Luxuseigentumswohnungen aufmerksam geworden. „Der Verkauf von Wohnungen im zukünftigen sanierten Zustand ohne Berücksichtigung städtebaulicher Genehmigungsvorbehalte ist (leider) gängige Praxis“, heißt es in der Antwort des Bezirksamt auf eine kleine Anfrage des Bezirksverordneten Michail Nelken (Die Linke).        

 

 


MieterEcho 371 / Dezember 2014

Schlüsselbegriffe: Berlin Aspire Real Estate GmbH, Eigentumswohnungen, Umwandlung, Reichenberger Straße, Räumungsklagen, Hobrechtstraße, Mieterhöhungsschreiben, unangekündigte Baumaßnahmen, Sonnenburger Straße, Wildenbruchstraße, Pro Soluta, Zweckentfremdung, Airbnb, Ferienwohnungen

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