Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter
MieterEcho 360 / Mai 2013

Ich bau dir ein Schloss, so wie im Märchen …

Wenn es um die Rekonstruktion vordemokratischer Prachtbauten geht, sitzen die Millionen locker

Von Benedict Ugarte Chacón    

Es soll das „Grand Projet einer Kultur-Nation“ werden – diese hehren Worte wählte der Berliner Kulturstaatssekretär André Schmitz (SPD) bei der Eröffnungsfeier der Humboldt-Box am Schlossplatz. Ähnlich sieht es Manfred Rettig, Vorstand der Stiftung Berliner Schloss. Er spricht in West-Berliner Tradition vom Schlossneubau als einem „Schaufenster“ für die Bundesrepublik Deutschland. Tatsächlich handelt es sich bei der Schloss-Rekonstruktion nicht nur um ein Kulturprojekt, sondern um eine Public-Private-Partnership (PPP), bestehend aus öffentlicher Stiftung und privatem Förderverein, die wie so oft bei PPP-Projekten einigen Unwägbarkeiten unterliegt.                            

 

Die Ursprünge des Berliner Stadtschlosses liegen im 15. Jahrhundert. Einige Jahrhunderte lang war es die Residenz der brandenburgischen Markgrafen, preußischen Könige und deutschen Kaiser. Nach mehreren Bombentreffern im Zweiten Weltkrieg brannte der Komplex 1945 vollständig aus. Die Führung der DDR unter Walter Ulbricht begann 1950 mit der Sprengung der verbliebenen Gebäudeteile. In den 70er Jahren wurde auf einem Teil des Geländes der Palast der Republik errichtet. Einige Skulpturen, die ursprünglich zum Schloss gehörten, finden sich heute über Berlin verteilt, wie der Neptunbrunnen vor dem Roten Rathaus oder die Löwenfiguren im Tierpark Friedrichsfelde. Die Diskussion, warum das gesprengte Schloss wiederaufgebaut werden soll, brachte insbesondere der Förderverein Berliner Schloss Anfang der 90er Jahre in Gang und ließ 1993/94 eine Attrappe der Schlossfassade in Originalgröße aufstellen. Gegründet wurde der Verein 1992 durch den Unternehmer Wilhelm von Boddien. Dem Verein zufolge war das Stadtschloss einst „das Gravitationszentrum Berlins“. Die noch erhaltenen historischen Gebäude in Berlins Mitte hätten mit dem Schloss „ein unvergleichliches Ensemble Berliner Identität“ gebildet. Nach eigenen Angaben begann der Verein im Jahr 2004 mit der Spendensammlung und setzte sich 80 Millionen Euro zum Ziel. Bislang sind davon nur rund 25 Millionen Euro eingegangen.                                

Grundsteinlegung im Juni 2013    

Grundlage für den Wiederaufbau des Schlosses bildet ein Beschluss des Bundestags vom 2. Juli 2002. Der ursprünglich für 2010 geplante Baubeginn wurde aufgrund von Sparbemühungen der Bundesregierung mehrfach verschoben. Als Bauherrin und Eigentümerin des Schlosses fungiert die 2009 ins Leben gerufene gemeinnützige Stiftung Berliner Schloss-Humboldtforum. Die Stiftung bemüht sich auch um die Akquisition von Spenden für den Schlossneubau inklusive der Rekonstruktion einer historischen Fassade. Die Stiftungsleitung obliegt Manfred Rettig. Das oberste Entscheidungsgremium bildet der Stiftungsrat, dem unter anderem Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD), der Staatssekretär des Bundesverkehrsministeriums Rainer Bomba (CDU), der Berliner Staatssekretär André Schmitz (SPD) und die Senatsbaudirektorin Regula Lüscher angehören. Im Kuratorium, das den Stiftungsrat beraten und unterstützen soll, finden sich so illustre Persönlichkeiten wie der ehemalige Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank Josef Ackermann oder der SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück. Mitte März gab die Stiftung bekannt, dass im Juni dieses Jahres die Grundsteinlegung erfolgen und der Rohbau des Schlosses in der zweiten Jahreshälfte 2015 fertig gestellt werden solle. Die Eröffnung sei für 2019 geplant. Mit den Rohbauarbeiten beauftragte die Stiftung im Februar das Unternehmen Hochtief. In das fertige Schloss soll das sogenannte Humboldt-Forum einziehen. Dieses sehen die Initiatoren als künftigen „Ort der Weltkulturen“, an dem „Wissensproduktion und -vermittlung“ stattfinden sollen. An der Ausgestaltung des Forums sind das unter dem Dach der Stiftung Preußischer Kulturbesitz angesiedelte Ethnologische Museum sowie das Museum für Asiatische Kunst, die Humboldt-Universität sowie die Zentral- und Landesbibliothek beteiligt. Zusätzlich zu dieser angedachten Bildungsfunktion soll das Humboldt-Forum mit Veranstaltungsräumlichkeiten und Gastronomieangeboten als „kultureller Treffpunkt“ dienen. Wozu ein solch kulturelles Forum einen Schlossneubau braucht, erschließt sich aus den Angaben der Stiftung allerdings nicht.                                

Öffentlich-Private Finanzierung    

Insgesamt soll das Schloss 590 Millionen Euro kosten. Hierzu steuern der Bund 478 Millionen und das Land Berlin 32 Millionen Euro bei. Hinzu sollen private Spenden für die Rekonstruktion der historischen Fassaden in einer Höhe von 80 Millionen Euro kommen. Gelder fließen dabei aus unterschiedlichen Kanälen. Zum einen werden sie durch die Stiftung Berliner Schloss akquiriert, zum anderen sammelt der Förderverein Berliner Schloss Spenden und reicht diese an die Stiftung weiter. Der Förderverein wiederum gibt als seinen bisherigen Beitrag an, dass die Stiftung bereits rund 40% der insgesamt benötigten Fassadenmodelle von ihm übernommen habe, was einem zweistelligen Millionenwert entspräche. Zudem habe er „auch schon Millionenbeträge an die Stiftung in Geld“ überwiesen. Ob die benötigten privaten Spendengelder wirklich zusammenkommen werden, war dem Berliner Senat Ende letzten Jahres nicht klar. In der Antwort auf eine kleine Anfrage der Piratenfraktion heißt es hierzu: „Der aus Spenden zu erbringende Finanzierungsanteil für die historischen Fassaden wird in voller Höhe erst mit sichtbarem Baufortschritt erwartet.“ Laut Angaben des Senats sei aber immerhin vertraglich zwischen Bund und Berlin geregelt, dass „das Land Berlin keine Mehrkosten aufgrund steigender Baukosten oder wegen ausbleibenden Spendenaufkommens trägt“. Es macht die Sache allerdings nicht besser, wenn im Fall des Falles öffentliche Gelder aus einem anderen Steuertopf entnommen werden sollen. Da es mit der Spendenakquise etwas holpert, war man Presseberichten zufolge aufseiten der Stiftung sehr erleichtert, als sich im März dieses Jahres ein angeblich anonymer Spender dazu bereit erklärte, für einen Großteil der Kosten für die Nachbildung der historischen Dachkuppel aufkommen zu wollen. Denn, das meint zumindest Thierse, ein Schloss ohne „historische“ Kuppel sei ein „Schaden für Deutschland“, wie er im Juli 2011 gegenüber der Nachrichtenagentur dpa betonte.

Private Werbemaßnahmen für den Schlossaufbau            

Was bisher problemlos zu funktionieren scheint, ist die am 29. Juni 2011 eröffnete und weithin sichtbare Humboldt-Box. In dem Übergangsbau soll über die geplante „historische Fassade“ des Schlossneubaus sowie das Humboldt-Forum informiert werden. Der Schloss-Förderverein beteiligt sich auf einer Etage mit einer Ausstellung. Die Humboldt-Box hat allerdings nicht wirklich etwas mit dem Wiederaufbau des Schlosses zu tun – zumindest nicht finanziell. Sie ist ein Projekt der Humboldt-Box Projekt GmbH & Co KG mit Sitz in Neuss. Unter derselben Adresse residiert die Megaposter GmbH, die über dieselbe Telefonnummer wie die Humboldt-Box Projekt GmbH erreichbar ist. Das Unternehmen ist spezialisiert auf großformatige Werbeplanen und gibt als Referenzen unter anderem die „Verhüllung des Brandenburger Tors mit kreativen Werbemotiven“ während seiner Sanierung sowie eine ähnliche Maßnahme bei der Sanierung des Charlottenburger Tors an, die sie als PPP mit der Stiftung Denkmalschutz Berlin vorgenommen hatte. Finanziert wurde die Humboldt-Box ursprünglich durch den Eigentümer der Megaposter GmbH, Gerd Henrich, sowie den Vorstandsvorsitzenden der Ströer Out-of-Home Media AG Udo Müller. Zusammen mit den Eintrittspreisen sowie den Erlösen aus vermieteten Werbeflächen an Bauzaun und Gerüst der künftigen Schlossbaustelle soll sich die Humboldt-Box tragen. Nach Aussage von Henrich ist Müller mittlerweile nicht mehr an der Finanzierung beteiligt, „Invest und Risiko verbleibt nunmehr alleine bei der Familie Henrich“. Während also die privaten Betreiber der Humboldtbox so kalkulieren müssen, dass ihr Risiko möglichst klein bleibt, ist man diesbezüglich aufseiten der Schloss-Stiftung eher großzügig. Laut Stiftungsratsmitglied Thierse sollen zwar möglicht viele Spenden eingeworben werden, aber falls dies nicht funktionieren sollte, müsse eben notfalls der Staat einspringen: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Bundesrepublik die vollständige Realisierung des größten Kulturprojekts ihrer Geschichte an ein paar Millionen scheitern lässt“, sagte er in der oben erwähnten Stellungnahme für die dpa. Ein paar Millionen – so einfach ist es, wenn es um Schlösser geht.    

 


MieterEcho 360 / Mai 2013

Schlüsselbegriffe: Rekonstruktion, Berliner Stadtschloss, Humboldt-Box, Public-Private-Partnership, Finanzierung, Spenden, Stiftung Berliner Schloss, Wilhelm von Boddien, Manfred Rettig

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