Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter
MieterEcho 352 / Januar 2012

Wachstum statt Schrumpfung

Berlin steht vor einem dramatischen Bevölkerungszuwachs – mit absehbaren Folgen für die Wohnraumversorgung

Christian Linde

Die Bertelsmann-Stiftung hat eine bundesweite Bevölkerungsprognose vorgelegt. Das Ergebnis: Trotz des deutschlandweiten Rückgangs der Bevölkerung um 3,7% werden die Stadt-Staaten bis 2030 wachsen und auch westdeutschen Großstädten steht ein Bevölkerungsanstieg bevor. Für Berlin wird ein dramatischer Zuwachs an Einwohner/innen bis zum Jahr 2025 prognostiziert. Wenn die Politik nicht handelt, kommen auf den ohnehin angespannten Wohnungsmarkt nicht zu bewältigende Belastungen zu.



Die aktuelle Bevölkerungsprognose der Bertelsmann-Stiftung sagt für Berlin bis zum Jahr 2025 einen Bevölkerungszuwachs von 5,8% voraus.  Foto: C. Mendoza


Wer die MieterEcho-Ausgaben der letzten fünf Jahre durchblättert, stößt auf eine Konstante in der Berichterstattung:  Warnhinweise zu Entwicklungen auf dem Wohnungsmarkt und zur Lage der Mieter/innen. Mit der Privatisierung des landeseigenen Wohnungsbestands, dem Ausstieg aus dem sozialen Wohnungsbau und der Hofierung zahlungskräftiger Investoren hat die Politik nicht nur einen großen Teil des Tafelsilbers verscherbelt und ein wichtiges wohnungspolitisches Steuerungsinstrument aus der Hand gegeben, sondern auch immer mehr Normalverdiener/innen und Transferleistungsbeziehende aufgrund explodierender Mieten in Bedrängnis gebracht.

 

Kräftiger Anstieg von Zuziehenden

Dass sich die jahrelange Vernachlässigung der Versorgung der Bevölkerung mit Wohnraum bereits heute rächt, wurde zum Ende der Legislaturperiode nicht mal mehr vom abgewählten rot-roten Senat bestritten. Doch selbst der laut des neuen Koalitionsvertrags angestrebte Bau von 30.000 neuen Wohnungen scheint angesichts der sich abzeichnenden Entwicklung unzureichend. Denn einer von der Bertelsmann-Stiftung vorgestellten bundesweiten Bevölkerungsprognose für rund 3.200 Kommunen zufolge steht die Hauptstadt vor dramatischen Herausforderungen. Denn anders als von der Landesregierung bisher angenommen, wird Berlin wachsen. Neben Großstädten wie München (+ 15%), Dresden (+ 12%) und Leipzig (+ 9%) stehen auch Hamburg (+ 7%) und Berlin vor einem kräftigen Zuwachs. Die Wissenschaftler/innen erwarten bis zum Jahr 2025 einen Bevölkerungsanstieg von aktuell rund 3,47 Millionen Einwohner/innen auf 3,64 Millionen. Das entspricht einem Zuwachs um 5,8%.

Bundesweit zeichnen sich der Untersuchung zufolge zwei Entwicklungen ab: Einerseits eine Alterung der Bevölkerung und andererseits eine Verstädterung. Berlin müsse sich vor allem auf Zuzug einstellen. Auch wenn weiterhin die Sterberate die Geburtenrate übersteige, sei mit Wachstum aufgrund von Zuzügler/innen – vor allem jüngerer Menschen – zu rechnen. Auszugehen sei von einem Wan-derungsvolumen bis zum Jahr 2030 von 250.000 Menschen.

Koalitionsvertrag fernab der Realität

Das Zahlenwerk widerspricht damit der Bevölkerungsprognose der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Der derzeit „aktuelle“ Demografie-Bericht aus dem Jahr 2009 geht von drei möglichen Szenarien aus. In der Variante „Basis“ geht bis zum Jahr 2030 die Bevölkerungszahl auf 3,37 Millionen zurück, in der Variante „Schrumpfung“ reduziert sich die Zahl der Berliner/innen auf 3,23 Millionen und in der Variante „Wachstum“ wächst die Hauptstadt auf 3,5 Millionen Menschen. „Ziel des Demografiekonzepts war und ist es, die Rahmenbedingungen des demografischen Wandels für Berlin zu analysieren, die sich ergebenden Risiken, aber auch Gestaltungschancen zu benennen und Strategien zur positiven Bewältigung zu formulieren“, heißt es im Demografie-Bericht. Die auf dem Jahr 2007 basierenden Zahlen in der Prognose, die in allen drei Varianten weit hinter der Bertelsmann-Erhebung zurückbleiben, werden selbst in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung inzwischen als überholt betrachtet.            


Allerdings basieren die von SPD und CDU im Koalitionsvertrag formulierten wohnungspolitischen Absichtserklärungen, wonach in der laufenden Legislaturperiode insgesamt 30.000 neue Wohnungen errichtet werden sollen, auf der eigenen Senatsprognose, die vom Rückgang der Zahl der Einwohner/innen ausgeht. Will die neue Landesregierung den Weg des rot-roten Senats, der in den angespannten Wohnungsmarkt geführt hat, verlassen, wären 30.000 neu errichtete Wohnungen weniger als der berühmte Tropfen auf den heißen Stein.


MieterEcho 352 / Januar 2012

Schlüsselbegriffe: Berlin, Bevölkerungszuwachs, Bertelsmann-Stiftung, bundesweite Bevölkerungsprognose, Wohnraumversorgung, Verstädterung, Koalitionsvertrag, SPD, CDU

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