Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter
MieterEcho 356 / September 2012

Wachsen für das Image

Bevölkerungszunahme in Berlin verschärft Druck auf Wohnungssuchende

Christian Linde

Die Finanzmarktkrise, die EU-Erweiterung und die Liberalisierung des deutschen Arbeitsmarkts sorgen für Wanderungsbewegungen in Richtung alte Bundesländer. Vor allem die Stadtstaaten registrieren eine Zunahme der Bevölkerung. Während der Berliner Senat den Zuzug als Beweis für die Attraktivität der Spreemetropole begrüßt, verschärft die Nachfrage nach Wohnraum die Lage auf dem Wohnungsmarkt weiter.

 


Die Bevölkerung in Deutschland wächst. Das teilte das Bundesamt für Statistik im Juli 2012 mit. Ende 2011 wurden demzufolge gut 81,8 Millionen Einwohner/innen gezählt – 92.000 oder 0,1 % mehr als ein Jahr zuvor. Damit nimmt die Einwohnerzahl das erste Mal seit 2002 wieder zu. Die Entwicklung der Bevölkerung ergibt sich zum einen aus den Geburten und Sterbefällen und zum anderen aus den Zu- und Fortzügen, das heißt den sogenannten Wanderungsbewegungen. Dabei ist eine regional höchst unterschiedliche Dynamik zu beobachten. Während in allen neuen Bundesländern sowie in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und im Saarland die Einwohnerzahl rückläufig war, gab es in Baden-Württemberg (+ 32.000), Bayern (+ 57.000), Berlin (+ 41.000), Bremen (+ 600), Hamburg (+ 12.000), Hessen (+ 25.000) und Schleswig-Holstein (+ 3.000) eine Zunahme. Die Hauptstadt hat im Ländervergleich prozentual sogar die höchste Wachstumsrate. Die Berliner Bevölkerung nahm von 2010 auf 2011 um 1,2% zu. Als „Hauptursache“ für das Bevölkerungswachstum in Deutschland sieht das Bundesamt für Statistik „die deutlich gestiegene Zuwanderung“. Bei 958.000 Zuzügen nach Deutschland gab es im Jahr 2011 insgesamt 679.000 Fortzüge. Damit ergibt sich ein Wanderungsüberschuss von 279.000 Personen, 160.000 mehr als im Vorjahr. Ein ähnlich hoher Wanderungssaldo wurde mit 273.000 letztmals 2001 erreicht. Insbesondere die Folgen der Finanzkrise, die EU-Erweiterung und die Liberalisierung des deutschen Arbeitsmarkts führten zu einer verstärkten Zuwanderung, stellte das Bundesamt fest.

 

Höchste Wachstumsraten seit Mauerfall

In Berlin ist die Marke von 3,5 Millionen nun überschritten. Zum Stichtag 31.12.2011 lebten in der Hauptstadt laut  Amt für Statistik Berlin-Brandenburg 3.501.000 Menschen und damit 41.000 mehr als im Jahr zuvor. Seit der Vereinigung der beiden Stadthälften war ein solches Wachstum nicht mehr registriert worden. Insgesamt 158.800 Personen zogen im letzten Jahr nach Berlin. Für einen Wegzug entschieden sich nur 119.400 Menschen. Vor allem Spanier, Polen und Bulgaren wanderten zu. Die meisten Zuzügler sind nach Einschätzung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung qualifiziert, jung und weisen eine hinreichende Sprachkompetenz auf. Gehörten solche Meldungen in der Vergangenheit eher in die Rubrik „Vermischtes“, gewinnen die Erhebungen längst eine besondere Brisanz. Vor allem für Berlin. Denn die Bevölkerungsprognosen des Senats, wie zuletzt der Demografie-Bericht, gehen allesamt von einer schrumpfenden Metropole aus.

 

Versorgung mit angemessenem Wohnraum gefährdet

Angesichts der inzwischen von der Landesregierung eingeräumten angespannten Lage auf dem Wohnungsmarkt müssten die Zahlen die Koalition also alarmieren. Stattdessen wird darin in erster Linie ein „Beleg für Berlins weiterhin wachsende Attraktivität“ gesehen, so der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) in einer Erklärung. „Berlin hat im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung mit Abstand den stärksten Zuwachs an Einwohnern zu verzeichnen. Das zeigt weit überzeugender als manches undurchsichtige Medien-Ranking den stetigen Imagegewinn unserer Stadt. Denn hinter dem Wachstum der Einwohnerzahl stehen konkrete Entscheidungen von Menschen und Familien, die sich aus handfesten Gründen für Berlin als Lebens- und Arbeitsort entscheiden.“ Die Folgen des rasanten Wachstums sind für Wowereit kein Thema. Dabei gerät der ohnehin angespannte Berliner Wohnungsmarkt immer mehr unter Druck. Das bestätigt ein soeben im Auftrag der Landesregierung vom Institut Gewos vorgelegtes Gutachten. Danach müsse die Versorgung der Bevölkerung mit angemessenem Wohnraum insbesondere in den Innenstadtbezirken als gefährdet angesehen werden. Also genau jene Gebiete, in die es die Neuberliner/innen zieht.

 


MieterEcho 356 / September 2012

Schlüsselbegriffe: Bevölkerungszunahme, Einwohnerzahl, Berlin, Finanzmarktkrise, EU-Erweiterung, Wohnungsmarkt, Wanderungsbewegungen, Liberalisierung des Arbeitsmarkts, Demografie-Bericht

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