Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter
MieterEcho 356 / September 2012

Es fehlen wohnungspolitische und soziale Ziele

Leitsätze zu Stadterneuerung bieten keinen verbindlichen
Orientierungsrahmen mehr

 Philipp Mattern

Die Änderungen der Berliner Sanierungspolitik lassen sich sehr deutlich anhand des Wandels der Stadterneuerungsleitlinien nachvollziehen. Diese Leitlinien wurden 1984 als „12 Grundsätze der Stadterneuerung“ im Rahmen der Internationalen Bauausstellung (IBA) in Kreuzberg geschaffen und in den Folgejahren auf weitere Sanierungsgebiete übertragen.

 

 

Die Grundsätze leiteten den Beginn der „behutsamen Stadterneuerung“ ein und sind dem Widerstand von Mieter/innen gegen die früheren „Abrisssanierungen“ zu verdanken. Das Kernthema bei der behutsamen Stadterneuerung war die auf Erhaltung der baulichen und sozialen Strukturen ausgerichtete Sanierung unter starker Beteiligung der betroffenen Mieter/innen. Um die sozialen Ziele zu erreichen, wurden vermieterunabhängige Mieterberatungen eingesetzt und öffentliche Fördergelder bereit gestellt.

 

Wandel der Leitsätze

Als „12 Leitsätze zur Stadterneuerung in Berlin“ wurden die Grundsätze 1993 neu formuliert und dienten als Orientierungsrahmen vor allem für die Sanierungen im Ostteil der Stadt. Auch wenn sie häufig nicht konsequent angewandt wurden, finden sich in dieser Version noch recht klare wohnungs- und sozialpolitische Prämissen. Diese Prämissen wurden in einer Neufassung von 2005 weitgehend getilgt. Vergleicht man die zentralen Sätze, wird die geänderte Ausrichtung der Stadterneuerung klar. So sagte der dritte Leitsatz 1993 noch: „Die Erneuerung ist an den Bedürfnissen der Betroffenen zu orientieren. Die Erneuerungsmaßnahmen und -verfahren werden sozialverträglich gestaltet.“    2005 hieß es an derselben Stelle: „Die Ziele und die Durchführung der Sanierung haben sich an den Belangen und Interessen der Betroffenen zu orientieren. Nachteilige Wirkungen, auch die Verdrängung der ansässigen Wohnbevölkerung in Folge städtebaulicher Planungen und Maßnahmen sollen auf der Grundlage eines Gebietsplans möglichst vermieden oder gemildert werden.“ Die Verbindlichkeit sozialer Ziele und auf sie ausgerichteter politischer Steuerung wird grundlegend aufgeweicht: Aus „ist“ wird „sollen“, aus „werden“ wird „möglichst“.Ferner heißt es in den neuen Leitsätzen: „Die Qualität der Quartiere ist auch auf den Zuzug stabilisierend wirkender Bevölkerungsgruppen (insbesondere junge Familien) auszurichten.“ Der Zuzug neuer Gruppen und Schichten wurde damit ein explizites Ziel der Stadterneuerung und das vormalige „Bleibegebot“ gegenüber der Bestandsmieterschaft endgültig verabschiedet.

 

Sozialverträglichkeit nicht konkretisiert

In dieser Version haben die Leitsätze noch heute Gültigkeit. Die vage Forderung der Leitsätze nach Sozialverträglichkeit wird zwar auch bei den Zielsetzungen der neuen Sanierungsgebiete berücksichtigt, aber wie die Sozialverträglichkeit tatsächlich  erreicht werden soll, bleibt unklar. Die schwammigen Leitsätze bieten kaum mehr als einen Steinbruch für nett klingende Zitate. Ein verbindlicher Orientierungsrahmen für soziale Ziele und wohnungspolitische Steuerung fehlt der heutigen Stadterneuerung gänzlich.

 


MieterEcho 356 / September 2012

Schlüsselbegriffe: Leitsätze, Stadterneuerung, Berliner Sanierungspolitik, Stadterneuerungsleitlinien, Internationalen Bauausstellung, Sanierung, Sozialverträglichkeit

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