Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter
MieterEcho 356 / September 2012

Berlin ist sexy – für Wohnungskäufer

Immobilienbranche sieht hohe Wertsteigerungspotenziale in Cityrandlagen und Sanierungsgebieten

 Rainer Balcerowiak

Das Interesse internationaler Investoren an Berliner Wohnimmobilien ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Es ist davon auszugehen, dass dieser Trend auch in den kommenden Jahren anhalten wird. Das geht aus Erhebungen hervor, die der Immobilienverband IVD sowie einige große, auf dem hiesigen Wohnungsmarkt aktive Unternehmen Ende August bei einem Pressegespräch vorstellten.

 


Die Zahl der jährlich verkauften Wohnungen stieg von 2009 bis 2011 um knapp 4.000 auf 21.161. Ähnliche Entwicklungen sind auch bei Mehrfamilienhäusern zu beobachten. Dabei treten zunehmend Investoren aus südeuropäischen Ländern – allen voran Italien – , aber auch Käufer aus Russland und China in Erscheinung. Der Anteil der deutschen Käufer beträgt demnach weniger als 70%. Derzeit sei Berlin die mit weitem Abstand am stärksten nachgefragte Stadt für internationale Investoren, so IVD-Vizepräsident Jürgen Michael Schick. Aufgrund des niedrigen Ausgangsniveaus werde auf dem Berliner Markt nach wie vor ein „deutlicher Nachholbedarf“ in Bezug auf Immobilienpreise und Mieten gesehen. Weitere Faktoren seien die zunehmende Wohnungsknappheit in Innenstadtlagen durch die faktische Einstellung der Neubautätigkeit bei gleichzeitig stark wachsendem Bedarf. So ist die Zahl der eigenständigen Haushalte in Berlin seit dem Jahr 2000 um 175.000 auf knapp zwei Millionen gestiegen. Allein 2011 summierte sich die Nettozuwanderung in die Hauptstadt auf rund 40.000 Menschen. Berlin sei einfach „trendy“, gelte als „offen“ und habe international den Ruf einer „coolen Szene- und Modestadt“, brachte es Marco Mendler, Geschäftsführer des Immobilienunternehmens Alt + Kelber, auf den Punkt. Wenn eine Stadt immer neue Rekorde bei den nationalen und internationalen Besucherzahlen verzeichne, sei es folgerichtig, dass Immobilien nachgefragt werden, sei es als Investment oder einfach nur, um hier eine Zweitwohnung zu haben.

Randlagen der Innenstadt im Visier

Doch dies sind nicht die einzigen Gründe. Angesichts der Euro-Krise und der überhitzten Immobilienmärkte in vielen anderen europäischen Ländern gelten Wohnungskäufe in Berlin als „extrem sicheres Investment mit hohem Wertsteigerungspotenzial“, so Schick. Zudem ergäben sich durch die derzeitige Niedrigzinsphase „historisch einmalige Finanzierungsmöglichkeiten“ für Wohnungs- und Hauskäufer. Während die Preise in innerstädtischen Top-Lagen teilweise bereits ausgereizt seien, stehen aktuell zunehmend sogenannte B-Lagen im innerstädtischen Bereich, wie Nord-Neukölln, Moabit und Teile vom Wedding, im Fokus. Jacopo Mingazzini, Geschäftsführer des auf „die Privatisierung großer Wohnungsportfolios“ spezialisierten Unternehmens Accentro, geriet bei dem Pressegespräch regelrecht ins Schwärmen. Ausländische Investoren seien begeistert und könnten „oft gar nicht glauben, dass es so einfach ist, solche Renditen zu erzielen“. Anders als deutsche Käufer gingen diese „auch viel unbefangener“ an Stadtteile heran, die noch nicht als „angesagt“ gelten: „Die gucken einfach auf den Stadtplan, nehmen ein Lineal und stellen fest, dass die betreffenden Gebiete zum Zentrumsbereich gehören.“

Sanierungsgebiete interessant für Investoren

Sehr zufrieden zeigen sich die Vertreter der Immobilienwirtschaft auch mit dem „engen Schulterschluss zwischen Investoren und Politik“ bei der Aufwertung bestimmter Stadtquartiere. Durch die Ausweisung von Sanierungsgebieten würden auch mit öffentlichen Mitteln Wohn- und Geschäftsumfeld verbessert, was – verbunden mit besonderen Abschreibungsmöglichkeiten für Investitionen in diesen Gebieten – viele Interessenten anziehe. Theoretisch haben die Bezirke auch ohne komplizierte Instrumente wie Milieuschutzsatzungen einige Stellschrauben zur Verfügung, um Mietexplosionen im Rahmen der „Aufwertung“ von Stadtteilen zumindest einzudämmen. In Sanierungsgebieten müssen alle Verkäufe von Häusern und Wohnungen der bezirklichen Sanierungsverwaltungsstelle zur Genehmigung vorgelegt werden. Ablehnungen sind möglich, wenn der Preis deutlich über dem zuvor festgestellten Verkehrswert liegt oder Umstände des Verkaufs dem Sanierungsziel widersprechen. Eine Mitarbeiterin der entsprechenden Dienststelle in Berlin-Mitte räumte auf eine Anfrage des MieterEchos allerdings ein, dass es kaum Möglichkeiten gebe, spekulative Prozesse in Sanierungsgebieten zu beeinflussen. Zwar könne man bei Verkaufspreisen, die deutlich über den ermittelten Verkehrswerten der Objekte lägen, intervenieren, habe aber keinen Einfluss auf die Planungen der Hausbesitzer. Auch in Sanierungsgebieten müssten mittlerweile viele aufwändige und preistreibende Modernisierungen, wie beispielsweise der Einbau von Aufzügen, von Mieter/innen geduldet werden. Anders als früher gebe es auch keine Möglichkeiten mehr, Mietobergrenzen für modernisierte Wohnungen in Sanierungsgebieten festzulegen. Ferner unterliegt die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen in Sanierungsgebieten keinen besonderen Restriktionen.

 

Auswirkungen auf die Wohnstruktur durch Gewerbemietflächen

Doch nicht nur die  Ausweisung eines Quartiers als Sanierungsgebiet kann dessen Aufwertung befördern. Stefan Klingsöhr von der gleichnamigen Unternehmensgruppe Kling-söhr verwies auf die wichtige Rolle von Gewerbeimmobilien, die nach Jahren des Überangebots „händeringend gesucht werden“. Auch hier würden internationale Investoren in erster Linie auf „B-Lagen“ in Stadtteilen mit „hohem Entwicklungs- und Wertsteigerungspotenzial“ setzen. Als solche gelten alle Cityrandquartiere innerhalb des S-Bahn-Rings. Auch in Charlottenburg und Schöneberg seien mittlerweile Mieten von deutlich über 10 Euro möglich und somit jährliche Renditen von 7% und mehr realisierbar. Vor allem Unternehmen aus der Kommunikationstechnologie, der Kreativwirtschaft sowie Verbände und Behörden, aber auch Beratungsdienstleister würden Gewerbemietflächen nachfragen. Derartige Ansiedlungen hätten in der Regel unmittelbare Auswirkungen auf die Wohnstruktur, da sie oft eine starke Nachfrage nach hochwertigen Wohnungen nach sich zögen, so Klingsöhr unter Verweis auf entsprechende Entwicklungen in der Neuköllner Weserstraße. Das Unternehmen rechnet damit, dass sich dieser Trend mit der Eröffnung des neuen Großflughafens BER in Schönefeld beschleunigen wird. Die Verkehrsanbindung zum Airport über das neue Teilstück der A 100 von Neukölln über Treptow sei für viele Unternehmen ein wichtiges Standortargument und werde die Nachfrage nach Gewerbe- und Wohnimmobilien in südöstlichen Cityrandlagen weiter beflügeln, ist der Unternehmer überzeugt. Und längst haben Investoren, Immobilienmakler und Projektentwickler weitere Quartiere im Blick. So könnte die vermutlich 2014 anstehende Schließung des Flughafens Tegel auch bislang arg lärmgeplagte Wohngebiete in den citynahen Teilen Reinickendorfs in den Fokus rücken. Rund um die Provinz- oder Residenzstraße existieren aus Sicht der Wohnungswirtschaft noch sehr viele Objekte mit ungeheurem „Nachholbedarf“, was die Mieten betrifft. Allerdings seien derzeit noch keine verstärkten Aktivitäten von Investoren zu beobachten, berichteten die Firmenrepräsentanten.

 

Hochplateau der Mietpreise erwartet

Vehement wiesen die Branchenvertreter beim Pressegespräch den Vorwurf zurück, der Berliner Wohnimmobilienmarkt werde von Spekulanten beherrscht. Durchschnittliche Verkaufs- und Mietpreissteigerungen von 12% binnen zwei Jahren lägen angesichts des niedrigen Ausgangsniveaus „absolut im Rahmen“, betonte Schick. Für die meisten Investoren stünde ohnehin nachhaltige Wertentwicklung und nicht der „schnelle Gewinn“ im Vordergrund. Auch von Anzeichen für die Herausbildung einer Immobilienblase sieht Schick keine Anzeichen. Zwar stehe „der Immobilienmarkt kurz vor dem Peak“. Nach dessen Erreichen rechne die Branche aber nicht mit einem Preisverfall, sondern „eher mit einem Hochplateau“. Der IVD-Vizepräsident verwies ferner darauf, dass die Mietentwicklung bei den öffentlichen Wohnungsunternehmen und den meisten Genossenschaften ähnlich verlaufe wie bei privaten Besitzern. Für von Verdrängung bedrohte Mieter/innen hatte er die übliche Empfehlung. Schließlich würden die Mieten in vielen Randlagen der Hauptstadt außerhalb des S-Bahn-Rings, beispielsweise in Spandau, seit Jahren stagnieren oder inflationsbereinigt sogar sinken.

 


MieterEcho 356 / September 2012

Schlüsselbegriffe: Sanierungsgebiete, Moabit, Cityrandlagen, internationale Investoren, Wertsteigerungspotenzial, Immobilienmarkt, Milieuschutzsatzungen, Modernisierungen, Gewerbemietflächen

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