MieterEcho 331/Dezember 2008: Interviews zum Thema „Wohnen im Alter“

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MieterEcho 331/Dezember 2008

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Interviews zum Thema „Wohnen im Alter“

Tobias Höpner

Eva Volker (70) lebt mit ihrem Ehemann (71) seit zwei Jahren im Paul Gerhard Wohnstift im Wedding. Die Einrichtung des betreuten Wohnens gehört zum Diakonischen Werk der evangelischen Kirche.

ME: Frau Volker, wie kam es zu Ihrer Entscheidung, in eine betreute Wohnung zu ziehen?

Volker: Wir hatten vorher eine große Wohnung in Kreuzberg, im dritten Stock, 72 Treppenstufen. Irgendwann wäre eine Wohnung nötig geworden, die kleiner und besser zugänglich ist. Wir wollten unseren letzten Teil des Lebens selbst gestalten und nicht in der Abhängigkeit unserer Kinder. Daher haben wir uns sehr frühzeitig darum gekümmert.

ME: Und warum haben Sie sich für das Wohnstift entschieden?

Volker: Wir haben dort mal unangemeldet vorbei geschaut und zufällig eine Bekannte getroffen, die dort bereits wohnte. So konnten wir auch eine schon bewohnte Wohnung ansehen. Es hat uns so gut gefallen, dass wir uns spontan auf die Warteliste haben setzen lassen. Die Wohnungen haben zwei Balkone und sind altengerecht gestaltet. Auch die christliche Umgebung hat uns gefallen. Dazu gibt es im Stift wechselnde wöchentliche Veranstaltungen, auch Jazz-Konzerte.

ME: Wie sieht es finanziell aus?

Volker: Wir bezahlen 860 Euro warm für die Mietwohnung, das sind 10 Euro/qm. Verglichen mit anderen betreuten Wohnprojekten liegt das in der günstigen bis mittleren Preisklasse. Dazu kommen noch 70 Euro für die Betreuung.

ME: War es schwer, sich von der alten Wohnung zu trennen?

Volker: Ja, aber es war auch gut, sich von vielen Dingen zu trennen. Es fiel uns wohl leichter, da wir im Leben schon oft umgezogen sind. Immerhin müssen wir unser neues soziales Umfeld nun nicht noch einmal verlassen – gleich nebenan gibt es ein Pflegeheim.

ME: Wie viel Austausch gibt es unter den Mietern?

Volker: Wir hatten hier ja schon Bekannte, als wir einzogen. Man unterstützt sich gegenseitig, wo es geht. Es gibt nur leider nicht viele Bewohner, die körperlich noch fit sind. Was bislang auch fehlt, ist eine Bewohnervertretung. Mein Mann und ich wollen nun anstoßen, dass so etwas gegründet wird. Es sollte eine konstruktive kritische Begleitung der Entwicklungen im Haus und auf dem Stiftsgelände geben, auch bei der Personalplanung.


Brigitte Mohaupt (60) ist Mitglied des altersgemischten Wohnprojekts „Lichte Weiten“. Nach Abschluss der Sanierung von zehn Wohnungen soll das Haus in Lichtenberg bezogen werden.

ME: Frau Mohaupt, was dürfen wir uns unter Ihrem Wohnprojekt vorstellen?

Mohaupt: Unser Verein besteht aus mehreren alleinstehenden oder auch in Partnerschaft lebenden Eltern mit kleineren oder auch mal jugendlichen Kindern. Dazu kommen drei ältere Mitglieder zwischen 50 und 70 Jahren. Alle zukünftigen Bewohner sind in diesem Verein organisiert, der das Haus plant, bei der Sanierung mit anpackt und später die Selbstverwaltung leistet.

ME: Und wie altengerecht sind die Wohnungen dann?

Mohaupt: Die Wohnungen werden barrierefrei ausgebaut, also ohne Schwellen und mit breiten Türen. Im Bad gibt es eine ebenerdige Duschwanne. Eine Erdgeschosswohnung wird rollstuhlgerecht gestaltet. Ein Aufzug soll später folgen.

ME: Gibt es auch Betreuungsangebote?

Mohaupt: Nein, das ist nicht geplant. Das Gemeinschaftswohnen steht im Vordergrund.

ME: Wie wird das Projekt finanziert?

Mohaupt: Das läuft über eine Genossenschaft. Die Mieter zahlen 200 Euro/qm als Genossenschaftseinlage ein. Der Verein kümmert sich um Alternativen, wenn Einzelne sich dies nicht leisten können. Dafür gibt es auch Fördermitgliedschaften im Verein. Außerdem sammeln wir in unserem privaten Umfeld Bürgschaften, um die Finanzierung zu stützen. Für mich war das genossenschaftliche Modell passend, denn in viele altengerechte Wohnprojekte kommt man nur über den Kauf einer Eigentumswohnung rein. Und das hätte ich mir nicht leisten können. Über energiesparende und ökologische Technik wie besondere Wärmedämmung, Solarenergie und Brauchwasseraufbereitung kommen wir außerdem auf sehr niedrige Nebenkosten.

ME: Wie kamen Sie zu dem Projekt?

Mohaupt: Ich hatte mir bereits unterschiedliche altengerechte oder generationenübergreifende Wohnprojekte angesehen. Aber entweder gefiel mir der Anspruch der Gruppe nicht oder ich konnte es mir nicht leisten. Bei „Lichte Weiten“ war das besser. Leider ist es aber nicht ganz leicht, ältere Leute für das Projekt zu gewinnen. Viele haben Vorbehalte gegenüber dem Bezirk Lichtenberg, besonders wenn sie aus Westberlin kommen. Den jüngeren Leuten fällt das viel einfacher.

Kontakt: Lichte Weiten e.V., Tel. 030 – 51 48 99 38, www.lichte-weiten.de


Claus-Dieter Santen ist gesetzlicher Betreuer und kümmert sich in dieser Funktion u.a. um die Lebenssituation dementer Menschen.

ME: Herr Santen, welche Möglichkeiten bleiben für ältere Menschen, die sich weder die Angebote teurer Seniorenresidenzen leisten können noch die Gründung eines eigenen Wohnprojekts zutrauen?

Santen: Eine Laube mit Wohnrecht z. B. Die ist relativ billig, übersichtlich und eben. Oder man versucht, wenn gemeinschaftliches Wohnen gewünscht wird, in einem Mietshaus nach und nach mehr Wohnungen anzumieten.

ME: Aber fehlt dann nicht die typische altengerechte Ausstattung wie z. B. ein Aufzug?

Santen: Eine 100 Jahre alte Mieterin sagte mir, sie sei nur so lange fit geblieben, weil sie jeden Tag die Treppen in den fünften Stock gestiegen ist.

ME: Wann machen denn Ihre Klienten den Schritt zu einer altengerechten Einrichtung?

Santen: Die meisten wollen sich darüber nicht den Kopf zerbrechen. Sie bleiben so lange in ihrer Wohnung, bis es nicht mehr geht. Danach bleibt oft nur die Wahl zwischen einer Pflegestation im Altenheim oder einer Demenz-Wohngemeinschaft.

ME: Wie sieht eine solche Demenz-WG aus?

Santen: Meist sind es fünf bis acht Bewohner/innen mit eigenem Zimmer, z. B. in einer großen Mietwohnung. Es gibt rund um die Uhr eine Betreuung. Beim Einzug können sich die Leute oft noch selbstständig bewegen und Aufgaben für die Mitbewohner übernehmen. Nach und nach wird es dann schwieriger. Demente Menschen, die z. B. viel Angst haben und schreien, können dann auch zur Belastung für die anderen werden.

ME: Was ist Ihr Ziel bei der Begleitung dementer Menschen?

Santen: Dem Wunsch und dem Wohl der Klienten zu entsprechen und die für die jeweilige Situation angemessene Lösung zu finden, auch wenn das oft nicht einfach ist. Die Aufrechterhaltung der Selbstbestimmung, die den meisten Menschen sehr viel bedeutet, versuche ich so gut es geht zu unterstützen. Die meisten möchten so lange wie möglich in ihrer Wohnung bleiben. Wir können dies z. B. durch ambulante Pflegestationen, den Besuch von Tagespflegeeinrichtungen und verschiedene Hilfsmittel unterstützen. Der Umzug in eine WG oder ein Pflegeheim kann andererseits auch eine Verbesserung der Lebensqualität bedeuten. So vielfältig wir Menschen sind, so vielfältig sind die Lösungen.

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