MieterEcho 329/August 2008: Kommt für die Markthallen das Ende?

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MieterEcho 329/August 2008

Quadrat BERLIN

Kommt für die Markthallen das Ende?

Zwei der drei verbliebenen historischen Markthallen Berlins sollen an private Investoren verkauft und mit neuen Konzepten weitergeführt werden

Philipp Mattern

Die zukünftige Nutzung dieser traditionellen Markthallen wird unter anderem von aktuellen Stadtplanungs- und Aufwertungsprojekten abhängen. Die landeseigene Großmarktgesellschaft hat die beiden Markthallen in Kreuzberg und Moabit bereits dem Liegenschaftsfonds übergeben und ihn mit dem Verkauf beauftragt. Als Grund für die fehlende Rentabilität gilt die mangelnde Kaufkraft der sozial schwachen Bevölkerung der jeweiligen Umgebung.

Anders sieht das Regina Baer, Mitbegründerin des „Weltrestaurants Markthalle“, einem der wenigen gut laufenden Betriebe in der Kreuzberger Markthalle an der Eisenbahnstraße. Berühmtheit erlangte das Lokal durch den Kinostreifen „Herr Lehmann“, in dem die Gaststätte das Lieblingsrestaurant des gleichnamigen Filmhelden darstellte. Allerdings diente nicht der Originalschauplatz als Drehort, sondern ein Nachbau in einem Kölner Filmstudio. Vielleicht waren die Filmemacher vom Anblick der echten Markthalle abgeschreckt. Diese bietet mit 70% Leerstand keinen allzu einladenden Anblick. Dass die fehlende Kaufkraft der Kiezbevölkerung daran schuld sein soll, glaubt Baer nicht. Schließlich gäbe es in der Umgebung viele Läden, für die das Geschäft gut läuft. Die Markthalle sei vielmehr ohne durchdachtes Konzept betrieben worden. Die Großmarktgesellschaft als Eigentümerin konzentriere sich lediglich auf die Halle am Marheinekeplatz, die sie nach umfangreichem Umbau für Kunden mit gehobenen Ansprüchen weiterbetreibt.

Nicht nur Angebot, auch Konzept soll entscheidend sein

Die nun herrschende Verwahrlosung an der Eisenbahnstraße findet Baer vor allem schade, da die Markthalle in der Vergangenheit nicht nur eine Einkaufsgelegenheit bot, sondern vor allem der älteren Bevölkerung auch als sozialer Treffpunkt im Kiez diente. Dass dies erhalten bleibt, darf bezweifelt werden. Die weitere Nutzung hängt von den eingereichten Konzepten der Investoren ab. Obwohl die Markthallen erst in den kommenden Monaten ausgeschrieben werden, gibt es bereits viele Anfragen von möglichen Käufern, weiß Anette Mischler, Sprecherin des Liegenschaftsfonds. Den intern geschätzten Verkehrswert der Markthallen möchte sie nicht nennen. „Wir versuchen natürlich, für die Gebäude einen höchstmöglichen Preis zu erzielen,“ meint Mischler, „dem muss jedoch auch ein solides Konzept zugrunde liegen, was den Vorgaben für eine weitere Nutzung gerecht wird“.

Arminiushalle im zukünftigen „Aktiven Stadtzentrum“

Neben dem Denkmalschutz wird dabei die Lage der Markthallen sowie ihre Einbindung in stadtplanerische Konzepte eine gewisse Rolle spielen. So gehört das Gebiet rund um die Moabiter Turmstraße seit Anfang Juli zu dem Bund-Länder-Programm „Aktive Stadtzentren“. Mit diesem soll die Entwicklung von fünf als unattraktiv geltenden Geschäftszentren in Berlin gefördert werden. „Das bietet für die Arminiushalle bessere Aussichten auf einen Erhalt ihres Profils,“ meint Thorsten Tonndorf von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Ein Weiterbetrieb wird ihm zufolge mit dem Konzept der „Aktiven Stadtzentren“ korrespondieren müssen.

Eisenbahnmarkthalle im „Stadtumbau West“

Etwas anders sieht es für die Eisenbahnmarkthalle in Kreuzberg aus. Sie befindet sich in einem Gebiet, welches im Rahmen des „Stadtumbau West“ aufgewertet werden soll. Durch dieses vom Senat forcierte Programm sollen zukunftsträchtige Gebiete mit öffentlichen Fördermitteln aufpoliert und vor allem für private Investoren attraktiv gemacht werden. Das Kreuzberger Spreeufer gehört natürlich auch dazu. „Der Stadtumbau West ist für sich genommen zwar nicht sonderlich wichtig,“ meint Daniel Knopp, einer der Initiatoren des Bürgerentscheids Spreeufer für alle, „er stellt aber einen Baustein in einer allgemeinen Entwicklung der Aufwertung und Umstrukturierung dar, die mit Privatisierung und Verdrängung einhergeht“. Bürgerbeteiligung finde in diesem Prozess faktisch nicht statt. Trotz des erfolgreichen Bürgerentscheids werde das Spreeufer auch in Zukunft ein für Investoren interessantes Gebiet bleiben.

„Markthallenfremde Nutzung wahrscheinlich“

Was dabei langfristig aus einer Immobilie wie der Markthalle wird, ist nicht abzusehen. Eine markthallenfremde Nutzung ist nach Meinung von Andreas Foidl, Geschäftsführer der Großmarktgesellschaft, zumindest wahrscheinlich. Aussichtsreich sei ihm zufolge ein „Non-Food-Angebot“ für gehobene Ansprüche: „Ich denke, dass sich ein neues Konzept nicht ausschließlich an der Nahversorgung mit Lebensmitteln orientieren kann, sondern die ganze Stadt sowie Touristen ansprechen muss.“ Zwar wolle man verhindern, die Halle in einen großen Supermarkt umzuwandeln; was die Investoren vorschlagen, bleibt abzuwarten. Ein sozialer Treffpunkt mit einem auf die ansässige Bevölkerung zugeschnittenen Angebot wird es sicher nicht sein.

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