MieterEcho 329/August 2008: So billig wie die GSW

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MieterEcho 329/August 2008

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So billig wie die GSW

Schwarzer Tag der sozialen Wohnraumversorgung – fast 100.000 Wohnungen wurden privatisiert

Hermann Werle

Im Juni verkaufte das Land Nordrhein-Westfalen seine größte Wohnungsbaugesellschaft: die Landesentwicklungsgesellschaft (LEG). Gegen den Protest von Bürgerinitiativen und Mieterorganisationen, die sich zum Aktionsbündnis „Zukunft der LEG“ zusammengeschlossen haben, ging die LEG an den Whitehall Real Estate Fund, der zur Investmentbank Goldman Sachs gehört. Die CDU geführte Landesregierung feierte den Verkauf als Erfolg, während das Aktionsbündnis sehr treffend kommentierte, dass diese Entscheidung einen „schwarzen Tag der sozialen Wohnraumversorgung“ markiert.

Mit über 92.000 Wohnungen, die vorwiegend in den Ballungsgebieten des Ruhrgebiets, also in Dortmund, Essen und Gelsenkirchen, rund 280.000 Menschen ein Zuhause geben, wurde eine der letzten großen Wohnungsbaugesellschaften privatisiert. Und das zu einem Schleuderpreis, der die Aktienkurse der börsennotierten Immobiliengesellschaften Gagfah und Deutsche Wohnen AG in den Keller stürzen ließ. Deren Wohnungskäufe schlugen wesentlich teurer zu Buche und sind zudem zu großen Teilen über Kredite finanziert. Das Vertrauen der Aktionäre in die Wertentwicklung der Aktien schmolz im Juli dahin, nachdem die Investmentbank Merrill Lynch den Verkauf der LEG analysiert hatte und Wertberichtigungen der Gagfah und Deutsche Wohnen AG vorgenommen hatte.

Schnäppchen hier – Notverkäufe da

Trotz des durch die US-Immobilienkrise verursachten ungünstigen Marktumfelds könnte Whitehall mit der LEG durchaus ein Schnäppchen gemacht haben, schreibt Werner Rohmert im „Immobilienbrief“. Denn im Gegensatz zu den letzten Verkäufen von Wohnungsgesellschaften, die das 14- bis 19-fache der Jahresmiete kosteten, ging die LEG für nicht einmal die 9-fache Miete über den Tresen. Bei einem geschätzten Kaufpreis von 580 Euro/qm stellt Rohmert fest, dass „es dafür schon lange keine anständigen Immobilien“ mehr gegeben habe. Zuletzt hätte lediglich Cerberus die GSW so günstig übernehmen können. Aufgrund der relativ hohen Kaufpreise und den Auswirkungen der Krise in den USA geraten Immobilienwerte wie die der Gagfah und Deutsche Wohnen AG durch steigende Zinsbelastungen zunehmend in Schwierigkeiten. Diese Situation könnte in absehbarer Zeit zu Notverkäufen führen, im Branchenjargon „distressed sales“ genannt. Der Aufkauf dieser Wohnungspakete wird ein neues Geschäftsfeld für Investoren werden, wie Branchenkenner laut Financial Times vermuten.

„An Mieten und Kosten muss gedreht werden.“

Bei der LEG scheinen Notverkäufe erst einmal nicht bevorzustehen. Whitehall hat die laufenden Verbindlichkeiten der Gesellschaft in Höhe von rund 2,7 Milliarden Euro übernommen und die Kaufsumme von 787 Millionen Euro aus eigenen Mitteln gestemmt. Im Gegensatz zu den Private-Equity-Geschäften der letzten Jahre hat der Goldman Sachs Fonds kein zusätzliches Fremdkapital in Anspruch genommen. So entfallen zwar Kreditbelastungen und damit auch Unwägbarkeiten der Finanzmärkte, auf der anderen Seite entfällt aber auch der Hebel zur Gewinnoptimierung. Dessen Grundlage war das niedrige Zinsniveau, welches das Geschäft mit den Wohnungen erst richtig angeheizt hatte. Die Gewinnstrategie von Whitehall wird also weniger auf den Instrumenten der Finanzmärkte beruhen als auf der Optimierung der Wohnungsbewirtschaftung. Unter anderen Voraussetzungen dürfte die Geschäftspraxis den Erfahrungen bisheriger Privatisierungen wie die der GSW in Berlin entsprechen. Im Immobilienbrief werden die Konsequenzen knapp umrissen. So könne es mit der ruhigen Fortführung des Geschäfts nicht weitergehen und an Mieten und Kosten müsse gedreht werden. Das bedeutet, die Verwaltung zu verschlanken, wobei Personalabbau die unvermeidliche Konsequenz sei. „Darüber hinaus müssen ungenutzte Mietpotenziale gehoben werden. Neben Mieterhöhungen im gesetzlichen Rahmen werden Modernisierungsmaßnahmen durchgeführt, die zu einer zulässigen Mieterhöhung führen.“

Wirtschaftlich sinnlos

Trotz der absehbaren negativen Folgen für die Beschäftigten und die Mieter/innen bezeichnete der NRW-Finanzminister Helmut Linssen (CDU) den Verkauf als großen Erfolg, weil er „wirtschaftlich vernünftig und sozial gerecht“ sei. Damit habe die Landesregierung „neue Maßstäbe für zukünftige Transaktionen auf dem Wohnungsmarkt gesetzt“. Mit dieser Meinung steht die Landesregierung recht allein da; bezüglich des günstigen Verkaufspreises hat der Berliner Senat mit dem Verschleudern der GSW schon vor vier Jahren Maßstäbe gesetzt. Selbst die gegenüber Wohnungsprivatisierungen unkritische Immobilien Zeitung sieht den Deal skeptisch: „Wirtschaftlich macht er wenig Sinn. 473,6 Millionen Euro bringen die Landesanteile. Nach Abzug der Kosten für die Anwälte, Wirtschaftsprüfer und Koordinatoren landet nicht wirklich viel Geld in der Landeskasse. (...) Dass es Whitehall um Gewinnmaximierung geht, dürften die Mieter bald erfahren. Und die Landesregierung auch, denn Mieter sind Wähler!“

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