MieterEcho 328/Juni 2008: Mediaspree abwählen

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MieterEcho 328/Juni 2008

Quadrat BERLIN

Mediaspree abwählen

Mit dem erfolgreichsten Berliner Bürgerbegehren ist es jetzt am 13. Juli möglich: Mediaspree kann von allen Bewohner/innen Kreuzberg-Friedrichshains abgewählt werden

Carsten Joost

Seit Anfang der 90er Jahre werden die einzelnen Grundstücke der ehemaligen Grenzbereiche beiderseits der Spree zwischen Jannowitz- und Elsenbrücke mit irrsinnigen Hochhausplanungen überzogen. Zunächst verwaltete diese Spekulationsblase die SpreeMedia GmbH, um sich nach der Pleite 2001 in einen „gemeinnützigen“ Verein namens Mediaspree umzutaufen. Seitdem arbeitet der illustre Baulöwen-Verein mit einem jährlichen Zuschuss von 300.000 Euro aus Steuergeldern an der Vermarktung der Filetgrundstücke.

Zahlreiche Bauprojekte wurden bereits realisiert: der Allianzturm, das „Energieforum“ oder das ‚geschmackvolle’ Ibis-Hotel an der Schillingbrücke. Um die Bevölkerung vor weiteren Bausünden und hemmungsloser Aufwertungspolitik zu bewahren, gründete sich 2006 der Initiativkreis „Mediaspree versenken!“. Denn die Gebäude selbst mögen in ihrem Aussehen zwar Geschmackssache sein, ihre Position direkt am Spreeufer ist jedoch höchst umstritten. Die boomenden Zwischennutzungen der (noch) freien Ufer haben gezeigt, dass die Menschen auch in Berlin die Flussufer lieben. Dennoch sollen sie bis auf zwei Streifen an der „East-Side-Gallery“ vollständig verbaut werden. Noch heute ist der Bezirk stolz darauf, wenigstens einen Uferwanderweg herausgehandelt zu haben. Dieser ist dann zwischen fünf und zehn Meter breit, nur halböffentlich und meist videoüberwacht, wie die gebauten Beispiele heute schon eindrucksvoll belegen. Hinzu sollen noch ein oder zwei „Pocketparks“ kommen – vielleicht. Adieu Spreeufer. Peinlich.

„Spreeufer für alle“: Grün- und Kulturflächen statt Hochhausblöcke

Die Luftbildmontagen des Mediaspree e.V. zeigen das erschreckende Ausmaß der Fehlplanung. Eigentlich gedacht, um Investoren anzulocken, dienten sie als wichtigstes Aufklärungsmaterial im Zuge der Unterschriftensammlung des Bürgerbegehrens „Spreeufer für alle!“. Die Bilder sprechen für sich und so entstand das bislang unterschriftenreichste Bürgerbegehren Berlins: 16.000 Unterschriften in nur fünf Monaten. Unterschrieben wurden drei einfache Forderungen: 50 Meter Mindestabstand für Neubauten zum Spreeufer, keine neuen Hochhäuser und ein Brückensteg statt einer Autobrücke. Die drei Punkte stutzen das Mammutprojekt zurück auf ein Maß, das immer noch genug Entwicklungspotenzial zulässt. Dabei zielt das Begehren auf eine Alternative zur „Stadtentwicklung der Bauspekulation“. In ihrem Flyer forderte die Initiative: „Die verbleibenden Neubauflächen müssen so parzelliert werden, dass sich viele Nutzer/innen engagieren können und nicht nur wenige Großinvestoren. Vorschläge dazu sollen durch Ideenwerkstätten erarbeitet werden. Besondere Beachtung soll die kleingewerbliche Nutzung sowie die Nutzung für alternative/nichtkommerzielle kulturelle Aktivitäten erhalten. Die Privatisierung öffentlicher Liegenschaften muss aufhören!“ Statt der Hochhausblöcke am Ufer sollen Grün- und Kulturflächen sowie Pavillons mit öffentlichen Nutzungen entstehen. Die Ansiedlung von Unternehmen muss nicht direkt am Spreeufer erfolgen, dafür stehen andere Flächen zur Verfügung.

Bürgerentscheid als klares Votum für öffentliche Spreeufer

Die Fraktionen der Bezirksverordnetenversammlung sehen das anders. Die Partei Die Linke jubelte die zu erwartenden Arbeitsplätze durch Mediaspree auf 40.000 hoch. Doch selbst der für Propaganda zuständige Mediaspree e.V. schätzt nur rund 5000 mögliche Arbeitsplätze durch die Neubauten. Der Bezirksvorstand behauptet sogar, die Planungen wären von einer deutlichen Mehrheit angenommen worden. Tatsächlich sind die meisten Friedrichshainer Hochhausplanungen in der Ära PDS-dominierter Bezirkspolitik entstanden. Beim Sammeln der Unterschriften war von Zustimmung nichts zu bemerken. Im Gegenteil: Die viel gerühmte „intensive Bürgerbeteiligung“ ist an den Bürger/innen offenbar völlig vorbeigegangen, sonst wären nicht etwa 99% bei der Betrachtung der Bilder vor Schreck fast umgefallen.

Bürgerentscheid zum Spreeufer

Das Bürgerbegehren „Spreeufer für alle“ war so erfolgreich, dass einen Monat vor Ablauf der Frist am 1. April 2008 über 16.000 Unterschriften abgegeben wurden, obwohl nur 5500 nötig gewesen wären. Die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) muss in ihrer Sitzung am 28. Mai dazu Stellung nehmen. Dass die BVV das Bürgerbegehren annimmt, wird jedoch ausgeschlossen, nicht zuletzt da Entschädigungszahlungen an die Investoren befürchtet werden. Lehnt die BVV das Bürgerbegehren ab und können sich die BVV und die Initiative „Mediaspree versenken“ nicht auf einen Kompromiss einigen, kommt es zum Bürgerentscheid. Dieser würde bereits am 13. Juli 2008 stattfinden (Stand bei Drucklegung).

Auch die Grünen rühmen sich mit der vorbildlichen Einbeziehung der Öffentlichkeit. Immerhin tragen fast alle Bebauungspläne auch die Unterschrift des heutigen Bürgermeisters Franz Schulz. Hochhäuser in Friedrichshain wären in Ordnung, Hauptsache in Kreuzberg gibt es keine. Die Vorschläge der Initiative werden mit preußischem Gleichschritt in Verbindung gebracht, obwohl der Abstand von 50 Metern zum Spreeufer für Neubauten nur als Mindest- und 22 Meter Traufhöhe nur als Höchstwert gelten. Mehr Abstand oder weniger Höhe sollen durchaus möglich sein.

Die Bezirks-SPD hat sich den Forderungen der Initiative angenähert und strebt großzügigere Freiräume in den bisher nicht verplanten Bereichen an. Aber alle Fraktionen sind sich in einem Punkt einig: Es darf keinen Cent kosten. Das ist angesichts der zurückliegenden Planungssünden schwierig. Gefragt wäre nun eine neuerliche Kraftanstrengung der geplagten Bezirksverordneten, die sich bereits auf dem Uferwanderweg auszuruhen gedachten. Das tut weh, muss aber angesichts des klar formulierten Bürgerwillens sein. Der Bürgerentscheid ist nun ein verstärktes Votum für diesen Auftrag und keine Kampfansage an den Bezirk. Nur gemeinsam lassen sich relevante Veränderungen wirklich umsetzen.

Carsten Joost ist Mitglied der Bürgerinitiative „Mediaspree versenken“.

Weitere Informationen unter: www.ms-versenken.org

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