MieterEcho 327/April 2008: Kein Ende Subprime-Krise

MieterEcho

MieterEcho 327/April 2008

Quadrat WOHNUNGSMARKT

Kein Ende Subprime-Krise

Wie entstand die US-Immobilienkrise und wen trifft sie (noch)?

Julia Oppermann

Im letzten Jahr war in den Medien viel von "Subprime" die Rede, auch als US-Immobilienkrise oder Finanzkrise bezeichnet. Sie wurde als ein US-amerikanisches Problem dargestellt, dem – hinterhältigerweise – auch Auswirkungen auf die europäische und, schlimmer noch, auf die deutsche Finanzlandschaft zugetraut werden musste. Die Bestätigung schien postwendend die ins Schlingern geratende Industriekreditbank (IKB) zu bringen und es bedurfte solidarischen Handelns der staatlichen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) und rein privatwirtschaftlicher Finanzinstitutionen, um Schlimmeres zu verhindern. So weit so gut oder schlecht, je nach Geschmack: Die Sache schien ausgestanden.

Doch gleichzeitig tauchten immer wieder Warnungen vor allzu unbedachter Geldanlage auf, stets verbunden mit dem Hinweis auf die Zeitbomben, die im internationalen Finanzsystem noch ticken. Und selbst der Internationale Währungsfonds meint, die Krise im Subprime-Segment des US-Hypothekenmarkts könne in den USA zu stärkeren Wertberichtigungen führen, als bislang angenommen. Der IKB war es unlängst wiederum vorbehalten, nachhaltig an die Berechtigung dieser Warnungen zu erinnern.

Wer erhält eine Subprime-Hypothek?

In den USA hat sich, anders als in Europa, nie eine Kultur der Mietwohnungen herausgebildet. Im Gegenteil, Mietwohnungen werden in den provinziellen Klein- und Mittelstädten stigmatisiert. Dafür mag es viele Ursachen geben. Stark vorangetrieben wurde der Eigenheimbau durch die vergleichsweise problemlose Verfügung über Grund und Boden. Die Erscheinung der daraus folgenden, "Urban Sprawl" genannten, Zersiedlung der Peripherie ist bekannt: Familienheime werden als Häuser in die Fläche gekippt, Siedlung schließt sich an Siedlung und dazwischen liegen Highways zur meilenweit entfernten Innenstadt. Dass die Automobilindustrie im besonderen Maß von dieser sozialen und ökologischen Barbarei profitiert, ist der eine Effekt. Ein anderer ist, dass die in Leichtbauweise errichteten Häuser als Eigentum gekauft und von Finanzinstituten finanziert werden müssen. Zwar halten sich wegen der mäßigen Qualität der Häuschen die Preise in Grenzen, doch für viele hart arbeitende amerikanische Familien halten sich ihre finanziellen Möglichkeiten in noch engeren Grenzen und daher haben sie, wie es die Banken weltweit nennen, eine schlechte Bonität. Um solche Kreditnehmer rissen sich die Banken bisher nicht. In den USA ist diese Schicht dagegen in den letzten Jahrzehnten zum Objekt von sehr profitablen und vergleichsweise risikoarmen Geschäften geworden: der Vergabe von Subprime-Hypotheken. Einer Richtlinie des US-amerikanischen Schatzamts von 2001 zufolge "haben Subprime-Kreditnehmer eine deutlich schwächere Kreditvergangenheit, die säumige Zahlungsweise, Stundungen, Verurteilungen und Insolvenzen einschließt. Sie können auch eine verringerte Rückzahlungsfähigkeit im Verhältnis zum Kreditumfang oder andere Kriterien für Schuldner mit unvollständigen Kreditvergangenheiten aufweisen."

Subprime auf dem Vormarsch

In diesem Subprime-Segment – Mitte der 90er Jahre entstanden – wurden die Kunden allerdings sogar ermutigt, ihre persönlichen und wirtschaftlichen Angaben zu schönen. 1994 gehörten ihm weniger als 2% aller Hypotheken an, im Jahr 2006 war der Anteil bereits auf 23% gestiegen – ein Sprung im Volumen von 35 (1994) auf 665 Milliarden US-Dollar (2006). Schätzungsweise über 7,2 Millionen amerikanische Familien haben zurzeit eine Subprime-Hypothek aufgenommen, ihre soziale und – leider auch – ethnische Zusammensetzung spiegelt die gesellschaftlichen Verhältnisse wider: Die Hälfte aller an Afroamerikaner vergebenen Hypotheken gehören zum Subprime-Segment, etwa vier von zehn sind es bei Latinos. Zwar ist das Problem keinesfalls auf die nicht-weiße Bevölkerung beschränkt, doch beträgt der Subprime-Anteil bei weißen Kreditnehmern nur etwa 20% und mit 13% haben Darlehensnehmer asiatischer Herkunft den geringsten Anteil an Subprime-Krediten.

Finanzielle Schwierigkeiten der Kreditnehmer ließen sich lange Zeit durch die permanenten Wertsteigerungen der Immobilien auffangen. Zahlungsverzug führte zu Umschuldung und die inzwischen wertvolleren Immobilien boten Sicherheit für ergänzende Hypotheken und Laufzeitverlängerungen. Ein gutes Geschäft für die in dieser Sphäre angesiedelten "Predatory Lenders", räuberischen Verleiher. Es konnte wenig schiefgehen, solange die Immobilienpreise stiegen und die fundamentalen, von der US-Zentralbank Federal Reserve (Fed) festgelegten Zinsen niedrig blieben. Daneben gab es einen zweiten, wichtigeren Schutz für die das Geld an die Kreditnehmer liefernden Hypothekenbanken.

Wer sind Fannie Mae und Freddie Mac?

Fannie Mae ist die in den USA populäre Bezeichnung für die Federal National Mortgage Association, deren Initialen FNMA den Kurznamen bilden. Sie wurde 1938 unter Präsident Franklin D. Roosevelt als öffentlich-rechtliche Institution gegründet. Gedacht zur Unterstützung für Familien mit Zugangsschwierigkeiten zum Wohneigentumsmarkt, ist diese Hypothekenbank noch immer das weltweit größte Institut in dieser Sparte. Die Hypotheken sind durch den US-amerikanischen Staat garantiert und können so zu einem günstigeren Zins vergeben werden als die anderer Banken. 1968 wurde Fannie Mae durch Beschluss des Kongresses privatisiert und arbeitet seither ausschließlich mit in der Wall Street von globalen Investoren akquiriertem Kapital, aber unter Aufsicht der Bundesregierung. Zusammen mit der ebenfalls öffentlich kontrollierten und seit 1968 in privatem Eigentum befindlichen Federal Home Loan Mortgage Corporation (FHLMC) – kurz und populär Freddie Mac – bildet sie ein Gespann, das Hypotheken der lokalen Kreditgeber ankauft, sie damit ihrer Sorgen um die Sicherheit der Kredite entledigt und ihnen zudem neue Geldmittel für die Ausgabe weiterer Hypotheken zur Verfügung stellt. Laut Selbstauskunft erfüllt Freddie Mac die Aufgabe durch die Verbindung von "Mainstreet mit Wall Street".

Hypotheken als Sicherheiten für Anleihen

Zu Fanny Mae und Freddie Mac gesellt sich noch Ginnie Mae (GNMA) und alle zusammen sind Schwergewichte auf dem globalen Finanzmarkt. Sie kaufen Hypotheken an, bündeln sie und benutzen sie als Sicherheiten für Wertpapiere, die sie an internationale Investoren verkaufen. Diese Residential Mortgage Backed Securities (RMBS), d. h. durch private Wohnungsbaudarlehen besicherte Verbriefungen, sind als Finanzinstrumente in den letzten Jahrzehnten wie Pilze aus dem Boden geschossen.

Die unten abgebildete Tabelle zeigt den Umfang der noch offenen, durch Hypotheken gesicherten Anleihen von Fannie Mae, Freddie Mac und Ginnie Mae in den Jahren 1980 bis 2007. Für alle, die solche Zahlen nicht sofort einordnen können: 4000 Milliarden US-Dollar sind ca. ein Drittel des US-amerikanischen Bruttonationaleinkommens (BNE), das BNE der Bundesrepublik Deutschland liegt unter 3000 Milliarden US-Dollar und das Berliner BNE beträgt noch nicht einmal 120 Milliarden US-Dollar.

Um mögliche Missverständnisse zu beseitigen: Die meisten der Hypothekenkredite sind zwar an Darlehensnehmer mit normaler Bonität vergeben, doch mischen sich in die Portfolios immer mehr Subprime-Hypotheken (s.o, 2006 waren es bereits 23%). Auf die durch Hypotheken gesicherten Anleihen haben Fannie, Freddie und Ginnie kein Monopol. Auch andere Kreditinstitute können ihre Forderungen verbriefen und auf dem Kapitalmarkt verkaufen. In welcher Größenordnung solche direkten, unvermittelten Transaktionen angesiedelt sind, ist leider nicht bekannt.

Wie entstand die Krise?

Die Refinanzierung der Subprime-Hypotheken erfolgt über den internationalen Finanzmarkt. Die von den US-amerikanischen Finanzinstituten herausgegebenen Anleihen, die RMBS, welche durch die Hypotheken der lokalen Banken bzw. die Immobilien gesichert sind, werden von global agierenden Banken und von Hedgefonds zur Abrundung ihrer Portfolios gern gekauft. Damit hat sich das Finanzierungsproblem aus den lokalen amerikanischen Klein- und Mittelstädten über die zentralen amerikanischen Finanzierungsinstitute auf die globalen Finanzmärkte verlagert. Das war kein Problem, solange die Kredite mit Zins und Zinseszins zurückbezahlt wurden oder notleidende Hypotheken durch steigende Immobilienwerte immer wieder abgesichert werden konnten. In den letzten Jahren aber sanken die Immobilienpreise und damit versagte diese Notbremse. Die Anleihen, deren Sicherheit die Immobilien bilden, verloren an Wert und die globalen Käufer waren zu Wertberichtigungen gezwungen. Als dann auch noch, wie in den letzten Jahren geschehen, die Zinssätze der US-Notenbank Fed stiegen, gerieten die Darlehensnehmer zusätzlich unter Druck, Zahlungsunfähigkeiten häuften sich und die Kurse der Anleihen fielen entsprechend.

Bankenkrise in USA und Deutschland

Bereits am 7. Februar 2007 warnte die britische Traditionsbank HSBC vor Kreditausfällen in ihrem US-Immobiliengeschäft. Die für ihre konservative Politik bekannte Bank musste die erste Gewinnwarnung ihrer 142-jährigen Geschichte herausgeben, veranlasst durch millionenschwere Kreditausfälle bei der US-Tochter Household, die Hypothekendarlehen an einkommensschwache Kunden vergeben hatte. Kurz darauf teilte Freddie Mac mit, den Aufkauf notleidender Hypothekendarlehen einzustellen. DR Horton, der größte Hausbauer der USA, der 2006 über 40.000 Eigenheime gebaut hatte, prognostizierte für 2007 nur noch 26.000 Neubauten.

Die Subprime-Krise verschonte auch die – an der Berliner Wohnungsbaugesellschaft GSW beteiligte – US-Investmentbank Goldman Sachs nicht. Bilanzkorrekturen wurden notwendig. Bei Goldman-Konkurrent Bear Stearns gingen zwei Hedgefonds Pleite. Sie hatten zu spekulativ in das Subprime-Geschäft investiert und erhielten die Quittung.

Als erste deutsche Bank kam Mitte 2007 die Düsseldorfer IKB ins Spiel. Die Subprime-Krise erwischte Deutschland mit ungeahnter Wucht: Bei der Industriekreditbank IKB waren die Probleme weit größer, als anfangs zugegeben. Die öffentliche KfW (Kreditanstalt für Wiederaufbau), mit einem Anteil von 37% größte IKB-Eignerin, musste mit 8,1 Milliarden Euro für die Tochter bürgen.

Kurz darauf überschlugen sich die Ereignisse. Zug um Zug wurde bekannt, dass sich auch Privatbanken, Sparkassen und Genossenschaftsbanken an der Rettungsaktion beteiligt hatten. Jochen Sanio, Chef der Finanzaufsicht Bafin, sagte hinter verschlossenen Türen, die "größte deutsche Bankenkrise seit 1931" sei gerade noch verhindert worden. Die IKB-Aktie rutschte ins Bodenlose, das Management um Bankchef Stefan Ortseifen trat zurück.

Nach der IKB war die Sachsen LB in der Krise. Die Leipziger Bankmanager hatten Tochtergesellschaften ("Conduits") in Irland gegründet, mit denen sie außerhalb der eigenen Bilanz auf Kosten der Steuerzahler ganz trefflich am internationalen Finanzmarkt spekulieren durften. Der Übermut wurde teuer: Mit einer Kreditzusage über 17,3 Milliarden Euro sprangen die Deka (Zentralinstitut der deutschen Sparkassenorganisation, eine Anstalt öffentlichen Rechts) und verschiedene Landesbanken ein, um die Sachsen LB am Leben zu halten. Die sächsische Landesregierung geriet im Zuge der Affäre unter Druck. Finanzminister Horst Metz (CDU) hatte dem Verwaltungsrat der Bank vorgesessen und trat zurück. Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) konnte sich im Amt halten. Die Sachsen LB war quasi pleite. In einer dramatischen Rettungsaktion kündigt die baden-württembergische Landesbank LBBW die Übernahme des ostdeutschen Instituts an. Es war der erste Notverkauf einer Bank im Zuge der Subprime-Krise außerhalb Nordamerikas.

Die Deutsche Bank war durch die Subprime-Krise im dritten Quartal zu bedingten Abschreibungen in Höhe von 2,2 Milliarden Euro gezwungen. Die Angst vor den Folgen der Subprime-Krise erfasste die Börse – schließlich auch in Deutschland. Der DAX, bis Dezember oberhalb der 8000er-Marke, rutschte im Januar 2008 auf unter 7000 Punkte.

Ende des Jahres 2007 präsentierte Jan Hatzius, Chefvolkswirt von Goldman Sachs das Ergebnis: Der Schaden durch faule Hypothekenkredite dürfte sich, seiner Schätzung zufolge, auf 400 Milliarden US-Dollar belaufen und damit dachte er nur an die Verluste der Finanzinvestoren.

Angesammeltes Geldkapital verlangt Profit

Zwar haftet all dem eine verhalten explosive Dramatik an, doch bleibt zu fragen, in welcher Richtung die Entladung wirklich erfolgt. Seit den 80er Jahren hat sich die Weltwirtschaft fundamental verändert. Bis zu dieser Zeit stand das Geldkapital hauptsächlich als Bankkredit im Dienste des produktiven Kapitals (von Verbraucherkrediten ist hier nicht die Rede). Es verschwand gleichsam in der Produktion, um nach erfolgreicher Vermarktung der Produkte durch Rückzahlung der Kredite wieder hervorzutreten. Doch seither hat sich diese Bindung gelockert, Geldkapital häuft sich in riesigen Mengen an, findet den Weg in den produktiven Kreislauf nicht mehr und sucht sich eigene Anlage- und Verwertungsräume. Der Vorgang führt zu Erscheinungen, die David Harvey unter dem Begriff "Enteignungsökonomie" beschrieben hat und die in Berlin und anderswo als Handel mit ehemals öffentlichen Wohnungsbauunternehmen, Privatisierung der Wasserbetriebe etc. schon beinahe alltäglich geworden sind. Laut McKinsey haben sich ca. 167.000 Milliarden US-Dollar Geldkapital weltweit angesammelt und fordern nachdrücklich ihren Profit.

Geld verdienen mit Haushaltslöchern

Wenn 400 Milliarden US-Dollar vom Markt genommen werden, muss das noch längst keine störenden wirtschaftlichen Folgen haben. Einige leitende Angestellte der Finanzinstitute wurden ausgetauscht, Fonds geschlossen, deren Manager verabschiedet und ein paar Banken wackelten. In den Jahrzehnten, in denen sich immer mehr Geldkapital anhäufte sind aber – und hier hat das Übel seine Wurzeln – die Realeinkommen der Arbeiter und Angestellten permanent gesunken. Geldkapital, dem die produktive Anlage verschlossen bleibt, muss auf den privaten Konsum als Verwertungsterrain ausweichen, trifft dort aber eine ökonomisch immer schwächer werdende Darlehensnehmerschicht, deren Kreditbedarf ungebrochen hoch ist und die wegen des verringerten Einkommens auf das Subprime-Segment angewiesen ist.

Es ließe sich überspitzt sagen, dass die Geldkapitalberge durch Verringerung der Realeinkommen der Arbeitnehmer entstehen und dass die Familienhaushaltslöcher durch Subprime-Kredite aus dem angesammelten Geldkapital gestopft werden.

Zum 'Ausgleich’ für das erhöhte Kreditrisiko in dem Subprime-Segment verschlechterten sich die Kreditkonditionen. Gleichzeitig wurden die Kreditsuchenden durch sogenannte "Teaser" angelockt. Teaser sind Anreize in Form von sehr günstigen Rückzahlungsmodalitäten für die ersten zwei Jahre. Erst danach erhöhen sich die tatsächlichen Kosten sprungartig um ca. 40%. Dann sind nicht nur wesentlich höhere Zinsen als die Durchschnittszinsen üblich, sondern es gelten zusätzlich strengere Maßstäbe für die Rückzahlungen. "Grace fees", d.h. Aufschübe bei Zahlungsverzug, werden nicht gewährt, die Verwertung der Sicherheit – im Fall der Hypothekenkredite die Zwangsversteigerung der Grundstücke – erfolgt sehr schnell.

Zwangsvollstreckungen infolge der Verbriefungen

Der Nachdruck steigt durch die Verbriefung der Kredite. Der globale Finanzmarkt, auf dem die Subprime-Hypotheken gelandet sind, ist kein Ort der Mildtätigkeit. Häufig verkaufen Banken Kreditportfolios, auf die sie wegen ausbleibender Zahlungen bereits Abschreibungen vorgenommen haben, deutlich unter ihren hypothekarisch besicherten Nennwerten. Die in solche notleidenden Kredite investierenden Käufer haben ein unmittelbares Interesse, diese Differenz zu nutzen. Beim kleinsten Zahlungsverzug werden die Immobilien – auch wenn grundsätzlich die Zahlungsfähigkeit der Schuldner weiter besteht – rasch versteigert und der Käufer kassiert die Differenz zwischen dem Kaufpreis des Kredits und dem Verwertungsertrag der Immobilie sowie eine Reihe weiterer Spesen, Gebühren und Säumniszinsen, die dem Konto zugeschlagen werden.

Die Zahl der in den USA mit Subprime-Krediten finanzierten Eigenheime, die gegenwärtig unter den Hammer kommen, wird auf über 2,5 Millionen geschätzt. Durch die Zwangsversteigerungen werden die US-amerikanischen Hausbesitzer ca. 200 Milliarden US-Dollar verlieren.

"Spillover"

Immobilienmakler antworten auf die Frage nach den drei wichtigsten Kriterien für den Grundstückswert gern: "Erstens die Lage, zweitens die Lage und drittens die Lage." "Lage" setzt sich aus vielen Elementen zusammen und eines davon ist die "Nachbarschaft". Wird ein Grundstück zwangsversteigert, verringert das die Qualität der Nachbarschaft und mindert folglich auch den Wert angrenzender Grundstücke. Diesen Nebeneffekt, "Spillover" genannt, untersuchte das "Center for Responsible Lending" im Zusammenhang mit der aktuellen Subprime-Krise. Zugrunde gelegt wurde eine 2006 veröffentlichte Studie von Immergluck und Smith. Die Forscher hatten festgestellt, dass durch eine Zwangsversteigerung die benachbarten Grundstücke 0,9 % an Wert verlören. In Nachbarschaften mit geringerem Einkommen vergrößere sich die Wertminderung sogar auf 1,44%. Dieser Effekt sei kumulativ, d.h. jede weitere Zwangsversteigerung in der Nachbarschaft erhöhe den Verlust um den gleichen Wert.

Die Zwangsversteigerungen, die aus Subprime-Hypotheken der Jahre 2005 und 2006 resultieren, so ermittelte das Center, führen zur Entwertung von 40,6 Millionen Eigenheimen. Der totale Wertverfall wird auf über 200 Milliarden US-Dollar geschätzt, d.h. die einzelnen Eigenheimbesitzer in der Nachbarschaft zwangsversteigerter Grundstücke büßen durchschnittlich 5000 US-Dollar ein. Ein Ende Januar 2008 veröffentlichter Marktbericht von S&P Case/Shiller verzeichnete in einer Skala für zehn Städte im November 2007 einen durchschnittlichen Wertverlust von 8,4% gegenüber dem Vorjahr. Besonders stark betroffen ist Miami mit einem Durchschnittsverlust von 15,1%, gefolgt von San Diego mit 13,4% und Las Vegas mit 13,2%. New York kam mit einem Minus von 4,8% noch recht glimpflich davon.

Da die Wertermittlung der Grundstücke die Grundlage für die kommunalen Steuern bildet, hat die Subprime-Krise auf diesem Weg direkte Auswirkung auf die Finanzierung und die Qualität der lokalen Infrastruktur inklusive Schulen. Diese Folgen und die enorm ansteigende Obdachlosigkeit sind die wirklich skandalösen Folgen der Subprime-Krise.



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