MieterEcho 326/Februar 2008: Erst zahlen, dann umso mehr verdienen

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MieterEcho 326/Februar 2008

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Erst zahlen, dann umso mehr verdienen

Wie Gebäude aus den Sanierungsgebieten vorzeitig entlassen werden

Andrej Holm

Bei der Aufhebung von Sanierungsgebieten stellt die Gemeinde den Hauseigentümern einen sogenannten Ausgleichsbetrag für die durch die Sanierung entstandene Bodenwertsteigerung in Rechnung. In der Regel werden diese Beträge nur widerwillig und nicht ohne Verzögerung gezahlt. Eigentümer in Vorzugslagen jedoch sind bei einer vorzeitigen Entlassung aus dem Sanierungsgebiet gerne bereit, die Ausgleichsbeträge zu zahlen. Denn ohne die Auflagen der Sanierungssatzung kann eine zweite Phase der Verwertung eingeläutet werden.

Für Eigentümer in förmlich festgelegten Sanierungsgebieten besteht nach § 154 Abs.1 des Baugesetzbuchs (BauGB) eine Ausgleichsbeitragspflicht. Die Ausgleichsbeträge dienen der Finanzierung der öffentlichen Ausgaben für die Vorbereitung und Durchführung der städtebaulichen Erneuerungsmaßnahmen in Sanierungsgebieten.

In der "Ausführungsvorschrift zur Ermittlung der sanierungsbedingten Bodenwerterhöhungen und zur Festsetzung von Ausgleichsbeträgen" aus dem Jahr 2002 sind die Anwendungsbereiche, die Berechnung und die Umsetzung der Ausgleichserhebung in Berlin festgelegt. Nach Angaben der Bezirke ergeben sich bei der ermittelten durchschnittlichen Bodenwerterhöhung von 33 Euro/qm für alle betroffenen Grundstücke aus Ausgleichsbeträgen Gesamteinnahmen in Höhe von ca. 180 Millionen Euro. Dieser Betrag ist deutlich höher als die tatsächlich erzielten Ausgleichsbeträge früherer Sanierungsgebiete in Westberlin.

Vorgezogene Ausgleichsbeträge ermöglichen frühere Entlassung

Außerdem ist in der Ausführungsvorschrift festgelegt, dass sanierungsbedingte Bodenwerterhöhungen bereits im Verlauf der Sanierungsmaßnahmen durch vorgezogene Ausgleichsbeträge in Form von einvernehmlichen Ablösungen möglich sind. Damit verbunden ist in der Regel eine vorzeitige Entlassung des betreffenden Grundstücks aus dem Sanierungsgebiet. Voraussetzung ist eine abgeschlossene Sanierungsmaßnahme, sodass die baulichen und funktionalen Sanierungsziele als erfüllt gelten.

Der Vorteil für den Bezirk ist der schrittweise Abschluss des Sanierungsverfahrens und die unmittelbare Vereinnahmung der gezahlten Beträge in den bezirklichen Sanierungshaushalt. Aus dem aktuellen Stadterneuerungsbericht geht hervor, dass bis Ende 2005 von den Bezirken bereits neun Millionen Euro Ausgleichsbeträge eingenommen werden konnten. Diese Beträge wurden überwiegend in den innerstädtischen Gebieten vereinnahmt und zur Finanzierung von Infrastrukturmaßnahmen und Planungsleistungen in den Gebieten eingesetzt. Insbesondere die mieterbezogenen Ordnungsmaßnahmen - also Umzugskosten, Entschädigungen für mietereigene Einbauten und Sozialplanverfahren - sollen mit vorfristig erhobenen Ausgleichsbeträgen bezahlt werden. Weitere 17,5 Millionen Euro sollen im Zeitraum 2006 bis 2010 über vorzeitige Entlassungen aus den Sanierungsgebieten eingenommen werden. Aus der Perspektive der Bezirke bietet die vorzeitige Entlassung aus dem Sanierungsgebiet einen finanziellen Anreiz. Zudem liegt es im Bezirksinteresse, dass die vorfristigen Ausgleichsbeträge in Verhandlungen mit den Eigentümern vereinbart werden. So hängt die Zahlung der Ausgleichsbeträge nicht von späteren formalen Abrechnungen ab, die möglicherweise gerichtlich angefochten werden.

Zweite Aufwertungswelle?

Doch auch für die Eigentümer bietet ein solches Verfahren Vorteile, denn mit einer vorzeitigen Entlassung ist eine Befreiung von den Genehmigungsvorbehalten durch die Sanierungsverwaltung verbunden. Insbesondere betrifft dies auch die Kaufpreiskontrolle bei Grundstücksverkäufen. Um spekulativen Bodenhandel und einen wachsenden Aufwertungsdruck zu vermeiden, darf in Sanierungsgebieten der Verkaufspreis nicht den Verkehrswert überschreiten. Angesichts der steigenden Bodenpreise in Berlin lassen sich vor allem in Vorzugslagen nach der Entlassung mit dem Verkauf von sanierten Häusern nun Gewinne realisieren, die weit über die dadurch fälligen Ausgleichsbeträge hinausgehen.

Grundstückspreise steigen

Schon jetzt ist in den Sanierungsgebieten ein zunehmender Handel mit sanierten Häusern zu beobachten. Ein Bericht des Gutachterausschusses für Grundstückswerte in Berlin verweist auf deutlich steigende Verkaufszahlen bebauter Grundstücke in den Ostberliner Innenstadtbezirken. Zwar weist der Bericht den Bezirk Steglitz-Zehlendorf mit 467 Verkäufen im Jahr 2006 noch immer als Spitzenreiter aus, doch die größten Steigerungsraten wurden in Prenzlauer Berg, Friedrichshain und Mitte verzeichnet. In diesen drei von Sanierungsgebieten geprägten Innenstadtbezirken wurden allein für 2006 insgesamt über 1.000 Verkäufe von Wohnhäusern festgestellt - noch 2005 lag dieser Wert bei etwa 700 verkauften Häusern. Ein Großteil des Immobilienbooms geht auch auf den Verkauf von bereits sanierten Wohnhäusern zurück - insbesondere der stärker als die Verkaufszahlen gewachsene Geldumsatz verweist auf deutlich steigende Preise.

Verschiedene Immobilienportale bieten - so das Ergebnis einer kurzen Internetrecherche - aktuell etwa ein Dutzend sanierte Wohnhäuser in den Sanierungebeiten von Mitte und Prenzlauer Berg zum Kauf an. Die Kaufpreise liegen in Prenzlauer Berg bei etwa 1.500 Euro/qm Wohn- und Nutzfläche, in Mitte sind sie noch höher. Diese Kaufpreise entsprechen im Durchschnitt aller Angebote dem 16-fachen der angegebenen Jahresnettokaltmiete, die zurzeit realisiert wird. Die durchschnittliche Miethöhe in den zum Verkauf angebotenen Häusern liegt mit 7,50 Euro/qm (nettokalt) deutlich über den Mietspiegelwerten für die jeweilige Baualtersklasse. Die annoncierten Verkaufspreise deuten jedoch an, dass es dabei nicht bleiben wird und weitere Mietsteigerungen angestrebt werden. Auch Umwandlungen in Eigentumswohnungen dürften nach der Entlassung aus dem Sanierungsgebiet einfacher zu realisieren sein, denn ohne Sanierungsatzung gibt es auch für den Verkauf von Eigentumswohnungen keine Kaufpreisprüfungen oder sonstige Auflagen. Die vorzeitigen Entlassungen deuten es an: Das Ende der Sanierungsgebiete ist nicht das Ende der Aufwertung und Wertschöpfung.

Ausgleichsbetrag

Durch Investitionen in Sanierungsgebieten kommt es zu einer Bodenwertsteigerung. Nach § 154 Abs. 1 BauGB soll diese der Gemeinde zugutekommen: "Der Eigentümer eines im förmlich festgelegten Sanierungsgebiet gelegenen Grundstücks hat zur Finanzierung der Sanierung an die Gemeinde einen Ausgleichsbetrag in Geld zu entrichten, der der durch die Sanierung bedingten Erhöhung des Bodenwerts seines Grundstücks entspricht."

Zum Ausgleich und als Investitionsanreiz gibt es Steuererleichterungen für Gebäude in einen Sanierungsgebiet. Nach § 7 h Einkommensteuergesetz können in den ersten acht Jahren 9% und in den folgenden vier Jahren bis zu 7% der Kosten für Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen abgesetzt werden. Die sonst mögliche Abschreibung bei Altbauten beträgt 2 bis 2,5%.

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