MieterEcho 325/Dezember 2007: Schulen bleiben in öffentlicher Hand

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MieterEcho 325/Dezember 2007

Quadrat PRIVATISIERUNG

Schulen bleiben in öffentlicher Hand

Offensive bei ÖPP-Projekten in Berlin vorerst gestoppt

Hermann Werle

Vor zwei Jahren schrieb Jutta Blume im MieterEcho Nr. 313 über Öffentlich-Private-Partnerschaften (ÖPP): "Ein Begriff, der viel verspricht und nichts definiert. Insgesamt gelten als ÖPP verschiedene Formen privater Kapitalbeteiligung an der Planung, Finanzierung und dem Betrieb von Infrastrukturen und Leistungen des öffentlichen Sektors." Seinerzeit kündigte die Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer weitere Debatten um ÖPP-Vorhaben unter anderem "im Bereich von sozialen und technischen Infrastrukturen" an. Die hat es kürzlich mit einem erfreulichen Ergebnis gegeben: Während die Bundesregierung im Frühjahr nächsten Jahres eine Offensive zur Etablierung Öffentlich-Privater-Partnerschaften starten will, konnte in Berlin ein ganzes Bündel dieser Form der Privatisierung verhindert werden. In Reinickendorf, Spandau und Treptow Köpenick sollten zukünftig insgesamt 19 Schulen von privaten Konzernen gemanagt werden.

Nicht nur in Berlin werden Öffentlich-Private-Partnerschaften (auch Public-Private-Partnership/PPP genannt) zunehmend kritisch gesehen. Im laufenden Jahr wurden unter anderem auch in Salzgitter, Hannover, Fürth und Freiburg ÖPP-Projekte auf Eis gelegt. Zurückzuführen ist die große Skepsis auf eine Vielzahl schlechter Erfahrungen, dem Engagement privatisierungskritischer Initiativen und Stellungnahmen von Rechnungshöfen, die in einer Presseerklärung im Mai letzten Jahres "vor langfristigen Risiken" warnten. ÖPP seien "mittel- und langfristig ein gefährlicher Weg, weil auch die Finanzierungslast in die Zukunft verschoben" wird. Bezüglich eines Straßenbauprojekts konnte der Bayerische Oberste Rechnungshof keine Kostenvorteile für die Kommune feststellen, "die nicht auch bei konventioneller Verwirklichung erreichbar wären. Demgegenüber verteuert die private Vorfinanzierung die Maßnahmen."

Zielmarke 15%

Um die wachsenden Widerstände gegen ÖPP aus dem Weg zu räumen und den Interessen der privaten Bauwirtschaft, der Beratungsunternehmen und der Banken gerecht zu werden, plant die Bundesregierung für nächstes Jahr eine neue Offensive zur Förderung von ÖPP. Im Frühjahr 2008 soll deshalb die "Partnerschaften Deutschland Gesellschaft" (PDG) gegründet werden, die als Kompetenzzentrum die Kommunen bei ÖPP-Projekten beraten soll. Ganz ihrer Bestimmung entsprechend soll die PDG als öffentlich-private Gesellschaft agieren und mit 20 bis 25 Millionen Euro sowie bis zu 50 Mitarbeitern ausgestattet werden. Angestrebt wird eine deutliche Erhöhung des Anteils von ÖPP bei öffentlichen Investitionsmaßnahmen, die derzeit bei lediglich 3% liegen. "Wir glauben, dass wir in Deutschland bis zu 15% der Investitionsmaßnahmen über PPP-Projekte abwickeln können", so die Hoffnung von Werner Gatzer, Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen.

Der Gewinner ist Hochtief

Ähnliche Hoffnungen hat auch die private Bauwirtschaft, die in den Partnerschaften ein Marktvolumen im zweistelligen Milliardenbereich sieht. Zur Förderung der Akzeptanz von ÖPP hat "Die Deutsche Bauwirtschaft" eine entsprechende Präsenz im Internet eingerichtet. Dort lassen sich die aktuellen Entwicklungen auf dem europäischen ÖPP-Markt nachlesen. Eine ganze Branche setzt auf ÖPP und das aus gutem Grund: Aufgrund der langen Vertragslaufzeiten mit den Kommunen von bis zu 30 Jahren garantieren ÖPP langfristig gesicherte Einnahmen und damit ebenso lange sprudelnde Gewinne. Der Bauriese Hochtief (Jahresumsatz 2006: 16,7 Milliarden Euro) gründete für den lukrativen Bereich eigens eine Tochtergesellschaft mit dem Namen "PPP Solutions", die weltweit aktiv ist. Im Geschäftsbericht 2006 begrüßt Hochtief das Vorhaben der Bundesregierung, den Anteil der ÖPP an öffentlichen Investitionen auf 15% anheben zu wollen und bedankt sich zudem für Gesetzesänderungen, die "den Klageweg für Umweltverträglichkeitsprüfungen sowie die Beteiligung der Öffentlichkeit an Genehmigungsverfahren" einschränken. "Hochtief wird von dieser Neuerung profitieren", werden die Anteilseigner informiert.

Neben ÖPP-Projekten im Flughafenbereich und Autobahnbau hat sich der Konzern auf Bau- und Sanierungsprojekte sowie die Bewirtschaftung von Schulen spezialisiert. Insbesondere in Großbritannien und Irland boomt das Geschäft, aber auch in Deutschland betreibt Hochtief inzwischen in 65 Schulen das Gebäudemanagement und verdient auf verschiedene Weise, wie der Geschäftsbericht veranschaulicht: "Bei PPP-Projekten verdient Hochtief als privater Investor und Betreiber durch Entgelte von Nutzern der öffentlichen Hand, durch Dividenden, Zinsen aus Gesellschaftsdarlehen und mögliche Verkaufserlöse."

Falafel oder Hamburger?

Zu den letzten erfolgreichen Vertragsabschlüssen für Hochtief gehört die Übernahme von vier Schulen in Frankfurt am Main seit August 2007. Dies ist verwunderlich vor dem Hintergrund, dass die Stadt mit ihrem ersten ÖPP-Projekt, dem Bildungszentrum Ostend, ein ziemliches Debakel erlitten hat. Wie nämlich ein Revisionsbericht feststellt, wäre der Bau des Bildungszentrums in städtischer Eigenregie nicht 25% teurer, sondern vier Millionen Euro billiger gewesen. Doch das ist nicht die einzige Kritik an der Magistratspolitik. Wie die GEW vorrechnet, würde durch den Vertrag mit Hochtief über 20 Jahre lang ein unverhältnismäßig hoher Anteil der investiven Bildungsausgaben von den vier ÖPP-Schulen verschlungen. 12,1 Millionen Euro jährliche "Leasingraten" - mit steigender Tendenz - würden 17 bis 36% des Gesamtvolumens ausmachen, wodurch die übrigen Schulen und Kitas zwangsläufig das Nachsehen hätten. Fragwürdig erscheint den Kritiker/innen des Frankfurter ÖPP-Projekts auch die Beauftragung der Berliner Beratungsfirma pspc zur Erstellung des ÖPP-Gutachtens. Damit würde der Bock zum Gärtner gemacht, da keine unabhängige, sondern eine von Eigeninteressen geleitete Prüfung erfolgt sei. Der Stadtverordnete Wolfgang Hübner brachte diese Vorgehensweise in der Stadtverordnetenversammlung auf den Punkt: "Nehmen wir einmal an, wir wollten wissen, ob es ratsamer ist, Hamburger oder Falafel zu essen. Würden wir dann mit dem entsprechenden Gutachten das Institut 'Pro Rindfleisch' beauftragen?"

ÖPP in Berlin gestoppt

Eine interessante Frage, die auch in Berlin nicht ohne Relevanz ist. Denn bei der pspc GmbH (Public Sector Participation Consult) handelt es sich um eine Ausgründung der Technischen Universität, die bei den Berliner ÖPP-Projekten ebenfalls als Gutachterin auftrat. Gemeinsam mit der Bauwirtschaft Berlin-Brandenburg gründeten TU und pspc bereits 2003 das "Kompetenzzentrum Public Private Partnership", welches ein Jahr später in das "Regionalforum PPP Berlin-Brandenburg" (RfBB) aufging. Dieses Forum hat sich zum Ziel gesetzt, "den PPP-Gedanken in der Region zu verbreiten, politische Überzeugungsarbeit zu leisten und mögliche PPP-Pilotprojekte zu evaluieren." Um diese Arbeit zum Erfolg zu führen, unterstützen Sponsoren aus der Bauwirtschaft - wie die Arikon Gruppe, Bilfinger/Berger und Hochtief - sowie diverse Anwaltskanzleien das Forum.

Dass unter diesen Umständen die Falafel gegenüber dem Hamburger den Kürzeren zieht, überrascht natürlich nicht. Folgerichtig stellt die "Wirtschaftlichkeitsvergleichsrechnung" des pspc für die vorgesehenen Spandauer ÖPP-Schulen bei allen Realisierungsalternativen "ein positives Ergebnis zugunsten des PPP-Betreibermodells" fest. Eine kritische Überprüfung der Gutachten bestätigte indes die erheblichen Zweifel an den prognostizierten Effizienzgewinnen. So sieht der Berliner Rechnungshof "eine wirtschaftliche Vorteilhaftigkeit der beabsichtigten PPP-Maßnahme gegenüber einer Eigenrealisierung (konventionelle Beschaffungsvariante) als nicht ausreichend belegt an." Die Beschaffungsvariantenvergleiche für die Maßnahmen in den drei Bezirken würden nur Einsparquoten von 5,3 bzw. 6,6% ausweisen. "Diese Quoten hält der Rechnungshof angesichts eines Zeitraums von 25 Jahren für zu gering, zumal die zugrunde liegenden Annahmen einschließlich Kalkulationszinssatz sehr unsicher sind."

Öffentliche Aufgaben gehören in die öffentliche Hand

Das Scheitern der geplanten ÖPP-Projekte ist sehr begrüßenswert, hat jedoch einen Haken. Dieser Haken findet sich in der Argumentation, die sich lediglich auf finanzielle Aspekte stützt.

Haushaltspolitische und betriebswirtschaftliche Betrachtungsweisen dominieren bei dem Abwägen von Vor- und Nachteilen im gesamten Privatisierungsgeschehen. Dass die privatwirtschaftliche Bewirtschaftung von Schulen aber auch direkt in den Schulalltag hineinwirkt, scheint sich noch nicht herumgesprochen zu haben. In Großbritannien, dem Musterland für partnerschaftliche Projekte, haben ÖPP-Schulen reihenweise schlechte Erfahrungen machen müssen. Abgesehen davon, dass auch dort von Kosteneinsparung keine Rede sein kann, beklagen Lehrer/innen Konstruktionsfehler, Bauverzögerungen und Baumängel, die sich unmittelbar auf den Unterricht auswirken. Zu kleine Räumlichkeiten, undichte Dächer, schlechte Belüftungsanlagen und überhitzte Klassenzimmer gehören dabei eher zum Standard als zu den Ausnahmen. Eine andere Entwicklung ist in Großbritannien ebenfalls zu beobachten: ÖPP-Projekte, die sich zunächst auf die Gebäudebewirtschaftung beschränkten, weiten sich inzwischen auf das Schul- und Bildungsmanagement aus. Dazu gehöre "das gemeinschaftliche Festlegen von Bildungsstandards und deren Messung", wie Matthias Holland-Letz im "Privatisierungsreport" der GEW aus einer Fallstudie zitiert. Bevor also Hochtief den Bildungssenator stellt und Schulgesetze formuliert, sollte ein Umdenken einsetzen, wie es Uwe Januszewski, Vorsitzender des Hauptpersonalrats des Landes Berlin, im MieterEcho Nr. 323 formulierte: "Der Tendenz zum Ausverkauf des Staats setzen wir ein Daseinsvorsorgekonzept entgegen, das den Gesellschaftszusammenhalt fördert. Die Alternativen zu PPP sind weiterhin: Eigenerstellung der Leistung. Hierzu muss eine Schwerpunktverlagerung in den Finanzhaushalten hin zu mehr Investitionen erfolgen."

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