MieterEcho 324/Oktober 2007: Arbeitslose in Baracken

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MieterEcho 324/Oktober 2007

Quadrat WOHNUNGSMARKT

Arbeitslose in Baracken

Hermann Werle

Im brandenburgischen Guben plante der Bürgermeister Klaus-Dieter Hübner (FDP), Langzeitarbeitslose in ehemaligen Asylunterkünften einzuquartieren. Gleichzeitig rühmt sich derselbe Bürgermeister, mit Abriss von Wohnungen den Wohnungsmarkt bereinigt zu haben. Vor knapp vier Jahren erschien die Vorstellung, dass für ALG-II-Beziehende Baracken die Unterkunft der Zukunft sein wird, als übertriebene Dramatisierung. Jedoch: In der Kleinstadt an der polnischen Grenze scheiterte die Planung lediglich an zu hohen Heizkosten.

Im Januar 2004 - vor der Einführung von Hartz IV - beschäftigte sich das MieterEcho bereits mit den möglichen Folgen bezüglich der Wohnsituation für Langzeitarbeitslose. Anlass war ein Modellversuch in Kassel, der eine Reihe von erzwungenen Umzügen nach sich zog. Zu den vom hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch favorisierten Billigunterkünften sei es "dann nur noch ein kleiner Sprung", hieß es im MieterEcho. Zuspitzend hieß es weiter: "Denn wen sollte es kümmern, wenn schwer vermittelbare Erwerbslose in Asylbewerberheimen untergebracht werden? Wenn die EU-Außengrenzen dicht sind und deutsche Patrioten die letzten Asylbewerber abgeschoben haben, bräuchten nicht einmal neue Baracken gebaut werden."

"Erfolgreiche Stadtentwicklung"

Auch in Guben deuteten sich vor einigen Jahren noch keine Versorgungsengpässe an. Langzeitarbeitslose brauchten sich keine Sorgen zu machen, da preisgünstige Wohnungen ausreichend vorhanden waren, nicht zuletzt in den unsanierten Plattenbauten der städtischen Gubener Wohnungsgesellschaft (GUWO). In deren Zeitung war 2004 entsprechend zu lesen, dass "für die wenigen, die tatsächlich einen Umzug ins Auge fassen, die GUWO problemlos Wohnungen anbieten" könne, "deren Kosten die Angemessenheitskriterien erfüllen." Seither zogen viele Gubener/innen weg, sodass der Leerstand anwuchs. "Der Wohnungsbestand muss deshalb soweit reduziert werden, dass Angebot und Nachfrage wieder ausgewogen sind", wie das Projektmanagement Stadtentwicklung feststellte. Stadtumbau hieße deshalb unter anderem Rückbau von "nicht mehr nachgefragten Wohnungsbeständen bei gleichzeitiger Aufwertung des erhaltenswerten Wohnungsbestands." Mit Mitteln des Förderprogramms "Stadtumbau Ost" wurden zwischen 2003 und 2006 rund 1900 Wohnungen zurückgebaut. Die Leerstandsreduzierung war für Bürgermeister Hübner eine Bestätigung für die "erfolgreiche Stadtentwicklung" Gubens. "Doch der Prozess muss weitergehen und erfordert ein stetiges Beobachten und Reagieren", so der Bürgermeister.

"Forderungsmanagement"

Reagieren will der Bürgermeister auch als Aufsichtsratsvorsitzender der GUWO. Sein Ziel: Mit der Einführung eines "Forderungsmanagements" sollen die Mietschulden von rund 30 säumigen Mieter/innen eingetrieben und die Langzeitarbeitslosen zu "mietfähigen" Bürgern erzogen werden. Die Mietschuldner müssten dabei eine deutliche Einbuße an Wohnkomfort zu spüren bekommen. Sie sollen aus ihren unsanierten Plattenbauwohnungen in jene Baracken umgesiedelt werden, die mit Gemeinschaftsküche und Massentoiletten einst als Arbeiterunterkunft und bis vor fünf Jahren als Asylbewerberunterkunft dienten. Zahlungskräftige neue Mieter könnten später in die dann sanierten Wohnungen nachziehen, wie der rbb vermutet. Dass viele der Schuldner bereits dabei sind, ihre Schulden mit monatlichen Raten abzutragen, spielt in dem Szenario keine Rolle. Wenig diskutiert wird zudem, welche Folgen das Programm "Stadtumbau Ost" für die Wohnraumversorgung von Arbeitslosen und Geringverdienern hat. Jenseits von Aufwertung und Rückbau entsteht ein deutlicher Mangel an kleinen, preisgünstigen Wohnungen, wie die Märkische Oderzeitung im Juli berichtete. Vom "Stadtumbau Ost" seien im Land Brandenburg vor allem bislang preiswerte Viertel betroffen und bis 2009 sollen weitere 50.000 Wohnungen abgerissen werden.

Vorerst Entwarnung

Versorgungsengpässe bei kleinen, preisgünstigen Wohnungen zeichnen sich also nicht nur in Berlin ab, wie der neue Mietspiegel belegt. Erst einmal aufatmen können jedoch die Mietschuldner in Guben. Anfang September entschieden sich die Stadtverordneten gegen die Pläne ihres Bürgermeisters. Die marode Baracke mit ihren 120 Schlafplätzen komme doch nicht mehr infrage. Leicht verärgert hätte Hübner laut einer Meldung der Lausitzer Rundschau feststellen müssen, "dass es zu teuer wird, in dem großen Gebäude für nur 30 Mietschuldner die Heizung anzufahren. 1200 Euro im Monat würde das kosten."

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