MieterEcho 324/Oktober 2007: Politik und Gentrifizierung

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MieterEcho 324/Oktober 2007

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Politik und Gentrifizierung

Wie bei Gentrifizierung die öffentliche Hand ihre Finger im Spiel hat

Matthias Bernt

Matthias Bernt, Dr. phil., geb. 1970 in Berlin, studierte 1990 bis 96 Politische Wissenschaft an der FU Berlin. 2001 Promotion über die Stadterneuerung in Ost-Berlin. Seit 2001 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung/ UFZ in Leipzig. Seine Promotionsarbeit ist unter dem Titel "Rübergeklappt. Die 'Behutsame Stadterneuerung' im Berlin der 90er Jahre" im Buchhandel erhältlich.

Versucht man den Zusammenhang von Politik und Gentrifizierung zu beschreiben, muss man sich zunächst klarmachen, welchen Einfluss staatliche Regulative auf die Investitionskalküle von Hausbesitzern und Immobilienentwicklern haben. Denn in der Praxis finden Immobilieninvestitionen so gut wie nie auf einem "freien Markt" statt. Im Gegenteil hat sich in allen Industrieländern ein umfangreicher und oft nur schwer zu durchschauender Komplex an Gesetzen und Regelungen entwickelt, mit dem der Staat in den Wohnungsmarkt eingreift und ohne den dieser gar nicht funktionieren würde. Politische Eingriffe gestalten die grundlegenden Rahmenbedingungen, welche die Möglichkeiten, die Dynamiken und die räumlichen und zeitlichen Muster von Gentrifizierung prägen.

Zentral sind dabei folgende drei Bereiche, in denen die Vorbedingungen für Gentrifizierung (auch Gentrification) politisch verhandelt werden, die Immobilienfinanzierung, die Mieterhöhungsmöglichkeiten sowie die Schaffung von bevorzugten Wohnlagen.

Anreize für Immobilieninvestitionen

Immobilieninvestitionen sind in der Regel extrem langfristige Geschäfte, die sich nur über lange Zeiträume rechnen. Aus diesem Grund ist es oft nur dann für Kapitalanleger attraktiv, wenn sie die bei diesem Geschäft entstehenden Kosten abfedern oder reduzieren können. Um Investitionen anzuregen, fördert der Staat deshalb Immobilieninvestitionen auf vielfältige Art und Weise: so gibt er Zuschüsse zu den Baukosten, gewährt zinsverbilligte Kredite und eröffnet die Möglichkeit, Verluste von der Steuer abzuschreiben. Diese öffentliche Unterstützung für private Renditeoptimierung ist mal an Gegenleistungen gekoppelt, mal auch nicht.

Ein gutes Beispiel für eine Förderpolitik ohne Gegenleistung sind die "Absetzungen für Aufwendungen (AfA)", mit denen es Hauseigentümern in den 90er Jahren ermöglicht wurde, einen erheblichen Teil der Kosten für die Sanierung ihrer Immobilie als "Steuerersparnis" zu finanzieren - zum Nulltarif. Ohne diese Förderung hätte kaum eine Sanierung in Prenzlauer Berg stattgefunden.

Auf der anderen Seite des Spektrums stehen der soziale Wohnungsbau oder die "behutsame Stadterneuerung". Hier wurde die Investitionsbereitschaft der Hauseigentümer zwar wenigstens ebenso großzügig mit öffentlichen Mitteln versüßt - aber dort wenigstens unter der Auflage von Miet- und Belegungsbindungen, die für einen längeren Zeitraum dafür sorgten, dass die Wohnungen bezahlbar blieben.

Regelungen zur Miethöhe

Ein zweiter Bereich, in dem der Staat die Bedingungen für Immobilieninvestitionen beeinflusst, ist die Festlegung von Mietsteigerungsspielräumen. Der Umfang von Mietsteigerungen ist in vielen europäischen Städten gesetzlich begrenzt und diese Begrenzungen sind dafür entscheidend, ob Gentrifizierung zustande kommt oder nicht. Denn von der Miethöhe her entscheidet sich einerseits, welche Rückflüsse ein Investor auf seine Investition erwirtschaften kann und wie attraktiv damit für ihn diese Investition ist. Ohne entsprechende Mietsteigerungsmöglichkeiten kommt eine Sanierung deshalb gar nicht zustande. Die Miethöhe ist andererseits das entscheidende Kriterium, das darüber bestimmt, ob eine bestimmte Wohnung von Haushalten mit einem bestimmten Einkommen bezahlt werden kann. Ob Niedrigverdiener/innen es sich leisten können, auch nach Sanierung in ihrer Wohnung zu bleiben, oder ob sie Platz für Yuppies machen müssen, ist deshalb nicht nur eine Frage von Angebot und Nachfrage, sondern auch eine Frage des Vorhandenseins oder Nichtvorhandenseins entsprechender Gesetze.

Immobilienwert: "Lage, Lage, Lage"

Ein dritter Bereich, in dem der Staat die Sicherheit von Investitionen verbessern kann, ist die Produktion von Lagen. Gemeint sind damit das Wohnumfeld oder auch das Image eines Gebiets. Typische Instrumente der "Attraktivitätssteigerung" sind Infrastrukturverbesserungen (z.B. Verbesserung des Verkehrsanschlusses), Umfeldmaßnahmen (z.B. Umwandlung einer Brache in eine Grünfläche, Verkehrsberuhigung), Imagekampagnen oder die Installation von kulturellen "Highlights" (wie Museen, oder Galerien).

Durch solche umfangreiche Vorleistungen kann er dazu beitragen, ein Gebiet "attraktiv" zu machen. Der zweischneidige Erfolg ist oft eine Verbesserung der lokalen Wohnverhältnisse auf Kosten eines erhöhten Drucks auf niedrige Mietpreise.

Unterschiedliche Bewertungen des Wohnumfelds finden sich schließlich auch im Berliner Mietspiegel mit einfacher, mittlerer und guter Wohnlage.

Mieterschutz und Investitionsförderung

Zusammengefasst kann man also sagen, dass Gentrifizierung stark von staatlicher Politik abhängt oder beeinflusst wird. Politische Entscheidungen stehen dabei immer im Spannungsfeld zwischen Investitionsförderung und Mieterschutz. Wohin das Pendel ausschlägt, ist damit auch von dem jeweiligen gesellschaftlichen Klima und den in ihm herrschenden Kräfteverhältnissen abhängig.

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