MieterEcho 323/August 2007: Lasst den Bunker oben ohne

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MieterEcho 323/August 2007

Quadrat BERLIN

Lasst den Bunker oben ohne

Investoren wollen auf den Fichtebunker ein Dutzend Lofts für Besserverdienende setzen - viele Anwohner/innen im Kiez wehren sich

Christoph Villinger

Seit Monaten ist der Kreuzberger Kiez im Dreieck zwischen Hasenheide, Körte- und Fichtestraße in Aufruhr. Denn im Dezember wurde bekannt, dass der Berliner Liegenschaftsfonds (LiFo) den im Innenhof des Straßendreiecks gelegenen Gasometer zusammen mit rund 8000 qm Grundstück als Bauland an einen Investor verkauft hat. Dieser plant, auf den im Zweiten Weltkrieg zum Bunker umgebauten ehemaligen Gasspeicher ein gutes Dutzend Loft-Wohnungen zu setzen und als Eigentumswohnungen zu verkaufen. Jetzt hängen in der Fichtestraße an jedem zweiten Balkon der gutbürgerlichen Gründerhäuser Transparente mit "Stop" und "Hände weg". Andere fordern "Lasst den Bunker oben ohne" und "Rettet das Denkmal".

Retten möchte Martin Hoffmann vor allem das soziale Milieu rund um den Südstern. Der 50-jährige Architekt lebt seit Jahren im Kiez, arbeitet als Schadstoffgutachter und "wird immer gerufen, wenn es stinkt". Gemeinsam mit anderen gründete er die Initiative Fichtebunker. Und so treffen sich seit Monaten jeden Dienstagabend rund fünfzig eher ältere und bürgerliche Leute im Café Grundgehalt. Weil er seit Jahren auch bei "attac" aktiv ist, wählten sie Hoffmann zu einem ihrer beiden Sprecher. Gekonnt weicht er den voyeuristischen Fragen der Presse nach seiner Person aus. "Warum hat der LiFo das innerstädtische Baugrundstück für nur 150 Euro/qm verkauft? Das sollte sich die Presse fragen", betont er.

Exklusive Lofts geplant

Durch die einzige Baulücke in der Fichtestraße zeigt er auf den ehemaligen Gasometer mit seinen runden Backsteinwänden und zubetonierten Fenstern. Noch ist das Gelände offen und für alle betretbar. Neben den Luxuslofts will die Speicherwerk GmbH noch Townhouses auf dem Gelände und eine Tiefgarage mit 34 Parkplätzen bauen. Als "exklusive Maisonette mit Panoramablick, Fußbodenheizung in allen Räumen und Luxusbädern" preist die Maklerfirma "selectberlin" eines der geplanten Lofts an. Kosten 744.933 Euro für 253 Quadratmeter. "Braucht Kreuzberg solche Wohnungen?", fragt sich nicht nur Hoffmann. Natürlich weiß auch er, dass es nicht um einzel-ne Luxuslofts geht, sondern "um die Richtung, in die das Ganze dann rutscht". Da komme eine "neue Klasse, die Wachschutz, Wachzäune und Kameras mitbringt, die andere Läden braucht, und mittelfristig entsteht ein anderer Stadtteil". Und so sind auch viele der Familien, die Eigentumswohnungen besitzen, gegen diese Entwicklung, "rein kapitalistisch gesehen würde der Wert ihrer Wohnungen sogar steigen, trotzdem sind sie dagegen", sagt Hoffmann.

Als Beispiel für das gewachsene Milieu am Südstern, um das er fürchtet, zeigt Hoffmann auf den ebenfalls im Innenhof des Straßendreiecks gelegenen Fußballplatz. "Eine sehr waghalsige Mischung", aber "dort am Sportplatz treffen sich die türkischen mit den deutschen Kids, da ist was gewachsen". Überfahren fühlt sich Hoffmann daher nicht von dem einen oder anderen Jugendlichen, der mit Papas Auto nach bestandener Führerscheinprüfung mit 80 km/h über das Kopfsteinpflaster der Fichtestraße donnert, sondern von den Politikern. "Wir müssen ihnen alles aus der Nase ziehen", klagt er, "nachdem zuvor Tatsachen geschaffen wurden".

Sorge um den Erhalt des Milieus

"Bei jeder Haussanierung wurden wir gefragt", erinnert sich Hoffmann. Er verweist auf die Milieuschutzverordnung, "die übrigens den gleichen Politikern noch bis vor wenigen Jahren heilig war". Hoffmann fragt sich außerdem, warum vor Jahren der Besitzer der Fichtestraße 2 nicht zwei weitere Stockwerke auf sein Haus draufsetzen durfte, aber beim Fichtebunker der Fichtestraße 12 im Frühjahr 2006 vom Bezirksamt eine Bauvoranfrage positiv beschieden wird. Und dabei handelt es sich bei dem Bunker um ein Baudenkmal.

"Für viele in der Bürgerinitiative ist der Umgang mit dem Denkmal die entscheidendere Motivation", sagt Hoffmann. Sie wollen, dass "der Anblick des Gasometers nicht verbaut, technische Einrichtungen im Innern nicht zerstört werden und der Zugang allen gewährt sein muss". Hoffmann kann sich nicht vorstellen, wie das filigrane Metallgestänge der Kuppel bei einer Aufstockung erhalten werden soll.

Inzwischen sind diese Fragen auch in der Kreuzberger Politik zum Thema geworden. Mit Lust und viel Polemik schießen sich die politischen Konkurrenten auf die neuen Machthaber im Stadtteil, die Grünen und insbesondere auf den ebenfalls grünen Bezirksbürgermeister Franz Schulz ein. Vorneweg die Kreuzberger SPD, deren farbkopierte Flugblätter in fast jedem Hauseingang hängen. Helmut Borchardt, sportpolitischer Sprecher der SPD und ebenfalls in der Fichtestraße wohnend, bedrängt mit einer Großen Anfrage in der Bezirksverordnetenversammlung den Bezirksbürgermeister.

Sichtlich angespannt kann Schulz - zumindest nach der Verwaltungslogik - die Verantwortung ein wenig von sich wegschieben. Das Gelände ging schon 2003 an den LiFo zum Verkauf, zuständig hierfür ist der Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin, bekanntlich SPD-Mitglied. Und für die Verkaufsverhandlungen im Sommer 2006 war Lorenz Postler zuständig, damals Wirtschaftsstadtrat des Bezirks und ebenfalls SPD-Mitglied. Seit Jahren existiere ein Bebauungsplan, so Schulz, der eben die Aufstockung des Bunkers und den Lückenschluss in der Fichtestraße erlaube. Da muss kein Investor mit dem Bürgermeister kungeln.

Trotzdem bleibt Hoffmann, Sprecher der Initiative Fichtebunker, misstrauisch. "Schulz hat da nicht die Handbremse drin, sondern der schiebt", meint er. Wenn man die Besserverdienenden hier haben wolle, dann solle man das auch so sagen, und dann könne man sich darüber offen streiten, so Hoffmann. Doch schon auf der Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Ende Februar sah auch Bezirksbürgermeister Schulz nicht mehr, "wie es zu einem konfliktfreien Miteinander von Sport und Wohnen kommt". Und deutete damit die Rückzugslinie an, mit der die geplante Bebauung zumindest zurechtgestutzt werden kann.

Baubeginn im Herbst geplant

Inzwischen erteilte Baustadträtin Jutta Kalepky die Baugenehmigung für die Lofts auf dem Bunker, da dies nach dem gültigen Bebauungsplan zulässig sei. Allerdings verweigerte sie ihre Zustimmung für die geplanten Townhouses direkt neben dem Sportplatz. Und statt 19 sollen jetzt nur 16 Bäume gefällt werden. Als Baubeginn fasst der Architekt Paul Ingenbleek nun den Herbst ins Auge. Doch vorher müssen die Lofts verkauft sein. Und da haben sie, wie informell bekannt wurde, gerade mal Optionen für die Hälfte der Lofts in der Tasche. "Zumindest verbal zeigen sie sich noch entschlossen zu bauen", kommentiert Hoffmann vorsichtig die Entwicklung, "aber ich bin gespannt, was sie wirklich tun werden".

Weitere Informationen unter: www.fichtebunker.com

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