MieterEcho 323/August 2007: Stadtrendite öffentlicher Wohnungsunternehmen

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MieterEcho 323/August 2007

Quadrat WOHNUNGSMARKT

Stadtrendite öffentlicher Wohnungsunternehmen

Betriebswirtschaftliche Argumente gegen die Privatisierung von Wohnungsbaugesellschaften

Andrej Holm

Seit einiger Zeit geistert ein Begriff durch die Debatten um die Zukunft der kommunalen Wohnungswirtschaft: die sogenannte Stadtrendite. Als Argument gegen die Privatisierungsexzesse vieler Kommunen wird er von denen ins Feld geführt, die den besonderen Wert der kommunalen Wohnungsunternehmen für die Gesamtstadt betonen. Zunächst mag es befremdlich klingen, ausgerechnet mit Überlegungen einer betriebswirtschaftlichen Effizienz die sozialen und stadtentwicklungspolitischen Leistungen kommunaler Wohnungsunternehmen zu beschreiben. Doch die Debatte um die Stadtrendite hat die Diskussion um die Notwendigkeit eines öffentlichen Wohnungsbaus neu entfacht.

Die Studie "Stadtrendite der öffentlichen Wohnungswirtschaft" wurde an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Humboldt-Universität unter Leitung von Professor Dr. Joachim Schwalbach erarbeitet. Ziel der Untersuchung sei es - so die Autor/innen - die Diskussion um die Bedeutung öffentlicher Wohnungsunternehmen zu objektivieren. Insbesondere durch eine Ausweitung des klassischen Renditebegriffs um Aspekte einer "spezifischen gesellschaftlichen Verantwortung" soll mit den überwiegend negativen Einschätzungen der Wohnungsbaugesellschaften gebrochen werden. Aus Kreisen der Privatisierungslobby wurde in der Vergangenheit die stadtpolitische Bedeutung eines öffentlichen Wohnungssektors immer wieder infrage gestellt (siehe z. B. auch Beitrag "Mythologie der Privatisierung, Sarrazins Argumente zum Verkauf der Wohnungsbaugesellschaften" im MieterEcho Nr. 321).

Wohnungsunternehmen erfüllen kommunale Aufgaben

Da sich die öffentlichen Debatten um die Wohnungsbaugesellschaften oftmals im Bereich von Annahmen und Vermutungen bewegten, versuchte die Forschungsgruppe um Joachim Schwalbach die stadtpolitischen Effekte betriebswirtschaftlich zu beziffern. Dazu wurde der Begriff der Stadtrendite herangezogen. "Die Grundlage zur Berechnung der Stadtrendite bildete die finanzwirtschaftliche Formel zur Berechnung der Rendite des eingesetzten Kapitals, die jedoch um Leistungen für langfristig begründbare gesellschaftliche Projekte und die dadurch entstehenden Erträge für die Stadt erweitert wurde".

Stadtrendite 1 und Stadtrendite 2

Unter der Rubrik "Stadtrendite 1" wurden alle Maßnahmen zusammengefasst, die von den Wohnungsunternehmen durchgeführt werden, um langfristige Vorteile für das Unternehmensergebnis zu erzielen. Als stadtpolitischer Effekt wurde hier vor allem die langfristige Kostenentlastung des öffentlichen Haushalts angesehen.

Als "Stadtrendite 2" wurden alle Maßnahmen der Wohnungsbauunternehmen zusammengefasst, die in dieser Form von der Stadt selbst nicht durchgeführt worden wären. Zentral wird dabei zwischen Einnahmen und Kostenvermeidungen unterschieden. Als Einnahmen für die Stadt gelten unter anderem Steuern durch die Arbeitsplätze bei den Wohnungsbaugesellschaften, die Qualifizierungsmaßnahmen der Beschäftigten sowie die Einnahmen aus Steuern und Gebühren, die aus der Wohnsitznahme in der Stadt resultieren. Als Kostenvermeidungen werden etwas nebulös Präventionskosten und Behebungskosten negativer Effekte aufgeführt.

Sozialpolitik in Zahlen gefasst

Im Ergebnis wurde eine Gesamtrendite der untersuchten DEGEWO von 12,6% errechnet - dieser Wert ist deutlich höher als die finanzwirtschaftliche Rendite des Unternehmens von 1,2% im selben Jahr. Dieser finanzwirtschaftliche Jahresüberschuss der DEGEWO betrug im Jahr 2006 etwa 4,1 Millionen Euro. Die Stadtrendite, also alle über die Wohnungswirtschaft hinausgehenden Leistungen für die Stadt, wurde mit insgesamt 46,8 Millionen Euro berechnet. "Die Hypothese ist, dass die Stadtrendite für kommunale Unternehmen höher ist als für private Unternehmen", so Professor Dr. Schwalbach. Auch DEGWO-Vorstand Frank Bielka freut sich: "Mit der neuen Berechnungsmethode können wir unsere zusätzlichen Leistungen für die Kommunen nunmehr auch in Geldgröße ausweisen".

Doch wie nicht anders zu erwarten, formierten sich auch die Privatisierungsbefürworter und kritisierten die Ergebnisse der Studie. Vom neoliberalen Kreis der Berliner Wirtschaftsgespräche um Volkmar Strauch wurde zu einer Diskussion eingeladen. Beteiligt wurden neben den Autor/innen der Studie Finanzsenator Sarrazin sowie Christine Ostrowski, die in Dresden den Totalausverkauf der WOBA vorangetrieben hatte. Auch der unvermeidliche Ulrich Pfeiffer von empirica gehörte zur Runde. Als Entgegnung auf die Studie zur Stadtrendite wärmte Thilo Sarrazin die Behauptungen seiner Untersuchung zu den "Fakten und Legenden der kommunalen Wohnungsbaugesellschaften" auf: Der Markt reguliere sich gegenüber dem Bürger nicht nachteilig, sondern zeige im Gegenteil eine positivere Entwicklung. Aufgabe der Kommune sei es lediglich, mit geeigneten Maßnahmen für ein ausreichendes Angebot an Wohnungen zu sorgen, so der Finanzsenator. Auch die ehemalige wohnungspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion der PDS, Christine Ostrowski, stieß ins selbe Horn. Sie konnte vom Verkauf der Wohnungsbaugesellschaft WOBA in Dresden berichten, dass das privatisierte Unternehmen eine höhere Rendite einbringe und keine Leistungen gestrichen wurden, sondern im Gegenteil zusätzliche geschaffen werden konnten. Ganz grundsätzlich und überhaupt sei sie der Meinung, dass die Eigentumsform relativ unabhängig zum erbrachten Betrag eines Unternehmens ist und hält ideologische Argumentationen diesbezüglich für falsch.

Stadtpolitischer Mehrwert

Auf die Erkenntnisse der Studie eingegangen sind die Vertreter der Politik nicht. Dies blieb Günter Troppmann (Vorstandsvorsitzender der Deutschen Kreditbank AG) als Vertreter der privaten Wohnungsunternehmen vorbehalten. Er erachtete das Modell der Humboldt-Universität als sinnvoll, glaubt aber, dass es keinen Unterschied zwischen privaten und öffentlichen Unternehmen gibt. Abgerundet wurde die Runde von Ulrich Pfeiffer, der noch einmal deutlich machte, dass der Wettbewerb grundsätzlich funktioniere und der Staat lediglich die notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen hätte.

Der Verlauf dieser Debatte um die Stadtrendite zeigt, dass allein mit betriebswirtschaftlichen Kalkulationen der öffentliche Wohnungsbestand nicht zu retten sein wird. Vielmehr wird es darum gehen müssen, die Frage von kommunalen Wohnungsbaugesellschaften zu politisieren und aus der Zahlenschieberei der Fiskalpolitik herauszulösen. Die Überlegungen aus der Arbeitsgruppe von Joachim Schwalbach können dazu einen ersten Anhaltspunkt geben, denn sie haben das Thema des stadtpolitischen Mehrwerts öffentlicher Unternehmen auf die Tagesordnung gebracht.

Stadtrendite am Beispiel DEGEWO

Bei der Ermittlung der Stadtrendite wird von drei Verantwortungsbereichen ausgegangen: Ökonomie, Soziales/Gesellschaft und Ökologie. In der Studie zur Stadtrendite wurde die Berliner Wohnungsbaugesellschaft DEGEWO untersucht. Hier wurden insbesondere Aspekte der ökonomischen und sozialen Verantwortung betrachtet. Dazu wurden als gesellschaftspolitisch relevante Maßnahmen der Wohnungsbaugesellschaft Ausgaben in folgenden Bereichen erfasst:

a) 'Bürgerprojekte' und Fördermaßnahmen in den Bereichen Arbeit, Bildung, Soziales, Kultur und Sport,
b) finanzielle Entlastungen der Mieter,
c) Aufwendungen für Belegungsrechte,
d) Kosten für städtebauliche Aufgaben und
e) sogenannte "Folge-Erträge".

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