MieterEcho 322/Juni 2007: Zweitverwerter der Wohnungsprivatisierung

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MieterEcho 322/Juni 2007

Quadrat WOHNUNGSMARKT

Zweitverwerter der Wohnungsprivatisierung

Neue Studie zeigt drastischen Anstieg von Weiterverkäufen

Andrej Holm

Unter dem Titel "Veränderung der Anbieterstruktur im deutschen Wohnungsmarkt und wohnungspolitische Implikationen" wurde kürzlich eine vom Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) beauftragte Studie veröffentlicht. Seit 1999 wurden 150 größere Transaktionen mit insgesamt 1,4 Millionen Wohnungen festgestellt - darunter viele Privatisierungsmaßnahmen und Weiterverkäufe privatisierter Wohnungen.

Das etablierte Institut für Stadtforschung und Strukturpolitik (IfS) erhielt Anfang 2006 den amtlichen Auftrag zur Analyse und Beurteilung der verstärkten Wohnungsmarktaktivitäten, insbesondere im Bereich der großen Transaktionen. Dazu zählten alle Verkäufe mit über 800 Wohnungen und es wurde nicht nur die Erstprivatisierung erfasst, sondern auch Weiterverkäufe und der Wohnungshandel unter größeren privaten Anbietern. Insgesamt wurden über 1,4 Millionen Wohnungsverkäufe dieser Art festgestellt. Die größte Aktivität gab es in den Jahren 2004 bis 2006. In diesen Jahren wurden deutschlandweit über 950.000 Wohnungen mit einem Gesamtumsatz von über 40 Milliarden Euro verkauft.

Trotz des relativ niedrigen Durchschnittspreises für eine Wohnung (etwa 43.000 Euro) zeigt sich darin das enorme Wirtschaftspotenzial des Wohnungshandels. Insbesondere die weltweit wachsenden Versicherungen, Pensions- und Anlagefonds suchen nach Möglichkeiten, um das gesammelte Geld gewinnbringend anzulegen. Wohnungen gelten dabei als sichere Investition. Der globale Umfang dieser institutionellen Anleger wird auf über 50 Billionen US-Dollar geschätzt, ein Ende des Privatisierungsbooms ist also aus dieser Perspektive noch nicht in Sicht.

Privatisierung als Motor des boomenden Wohnungshandels

Die Studie hat über die Auswertung verschiedener statistischer Daten und Berichte der Immobilienfachpresse eine Übersicht zu den stattgefundenen Verkäufen erstellt und trifft Aussagen über die Struktur der Verkäufer. Mit 57% entfällt der Großteil der verkauften Wohnungen auf Privatisierungen öffentlicher Wohnungsbestände - das entspricht einem Privatisierungsumfang von etwa 728.000 Wohnungen. Weitere 19% der Verkäufe (etwa 243.000 Wohnungen) betrafen ehemaligen Werkwohnungen. Dem gegenüber stehen nur etwa 25% (320.000 Wohnungen) von Verkäufen privater Wohnungsunternehmen. Im beobachteten Zeitraum von 1999 bis 2006 kann der Wohnungshandel also durchaus als ein Ausverkauf der öffentlichen Hand bezeichnet werden. Dies bestätigt ein Blick auf die Käufer: Die öffentliche Hand tritt nur in 22% als Käufer größerer Wohnungsbestände (etwa 280.000 Wohnungen) auf. Private Käufer hingegen decken 77% (etwa 983.000 Wohnungen) des gesamten Transaktionsvolumens ab. Die in der wohnungspolitischen Diskussion oftmals überbewerteten Verkäufe an Genossenschaften stellen mit etwa 1% (ca. 15.000 Wohnungen) eher eine Fußnote dar.

Privatisierungsdynamik und "Freiburgeffekt"

Die Studie zeigt, dass die Privatisierung ab 2004 deutlich an Tempo gewann. Lagen die Verkaufszahlen in den ersten Jahren nach der Jahrtausendwende bei jeweils etwa 100.000 Wohnungen pro Jahr, so stieg dieser Wert auf über 350.000 Wohnungen in den Jahren 2004 und 2005 an. Für 2006 wurden etwa 240.000 verkaufte Wohnungen festgestellt - die Verkaufsdynamik ist also wieder leicht rückläufig. Die Gründe dafür sind verschieden: Zum einen sind die Preise für Wohnungen von etwa 30.000 Euro pro Wohnung (1999) auf etwa 50.000 Euro (2006) deutlich gestiegen, zum anderen sind die Kommunen nach den öffentlichen Debatten um die Totalprivatisierung in Dresden (MieterEcho Nr. 315 berichtete) und das erfolgreiche Volksbegehren gegen die Wohnungsprivatisierung in Freiburg zurückhaltender in ihren Verkaufsabsichten geworden.

Noch klarer wird die Tendenz rückläufiger Privatisierungsaktivität mit einem Blick auf die Erstverkäufe, was in der Regel Verkäufe der öffentlichen Hand sind. Mit knapp 318.000 verkauften Wohnungen ist 2004 das Jahr mit den meisten Privatisierungen. 2005 waren es nur noch 230.000 und 2006 wurden etwa 120.000 Erstverkäufe registriert. Doch diese Entwicklung kann nicht als wohnungspolitische Entwarnung verstanden werden, denn die IfS-Studie gibt Auskunft über einen zeitgleich stattfindenden Anstieg der Zweitverkäufe: von unter 10.000 zweitverkauften Wohnungen im Jahr 2003 auf über 120.000 Wohnungen im Jahr 2006. Das vergangene Jahr ist zugleich das erste Jahr, in dem die Anzahl der Weiterverkäufe erstmals höher als die der Privatisierungen ist. Insgesamt wurden in dem untersuchten Zeitraum mehr als 320.000 privatisierte Wohnungen ein weiteres Mal verkauft. Innerhalb von sieben Jahren wurde damit fast ein Viertel des privatisierten Bestands zum Gegenstand weiterer Transaktionen. Die Verkaufspreise sind in der Studie für Erst- und Wiederverkäufe nicht separat ausgewiesen. Doch es ist sicherlich kein Zufall, dass die durchschnittlichen Verkaufspreise in denjenigen Jahren am höchsten sind, in denen auch die Anzahl der Wiederverkäufe deutlich zugenommen hat.

Die Stunde der Wertoptimierer

Doch der gewinnbringende Weiterverkauf der Wohnungsbestände ist nicht die einzige Strategie der neuen Investoren. Die Studie bestätigt die Erfahrungen des GSW-Verkaufs in Berlin. Die neuen Eigentümer setzen - so die Studie - auf ein breites Spektrum von strategischen Bausteinen, um ihre wirtschaftlichen Ziele zu verfolgen. Neben dem bereits beschriebenen Wohnungshandel wird auf eine Optimierung der Finanzierung (z.B. durch die Neubewertung der Bestände oder die Reorganisation der Kreditlinien), eine betriebswirtschaftliche Effizienzsteigerung beim Management der Wohnungsbaugesellschaft und auf verbesserte Vermietung gesetzt. Daneben verweist die Studie auf Strategien der Einsparung von Instandhaltungskosten sowie auf Modernisierung und Aufwertung von Teilbeständen, die für die Einzelprivatisierung vorgesehen sind.

Die Untersuchung zeigt u.a. dass private Käufer den Modernisierungs- und Instandhaltungsaufwand deutlich reduziert haben. Der Durchschnitt dieser Ausgaben liegt bei jährlich 20 bis 25 Euro/qm (Angaben des Bundesverbands deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e.V./GdW). In den privatisierten Beständen wurden die Ausgaben für Modernisierung und Instandsetzung teilweise auf unter 13 Euro/qm gedrosselt. Auch wenn die IfS-Studie in Befragungen feststellte, dass sich bisher "keine Hinweise" dafür ergaben, "dass die Wohnungsbestände nach der Privatisierung bei der Instandsetzung vernachlässigt" wurden, lassen sich die mittel- und langfristigen Auswirkungen der Sparmaßnahmen für den Gebäudezustand und die Wohnqualität erahnen. Für die meisten neuen Eigentümer ist es jedoch eine einfache betriebswirtschaftliche Kalkulation, weil sie die Wohnungsbestände nach einigen Jahren ohnehin wieder verkaufen wollen. Insbesondere die Käufer der großen Wohnungsbaugesellschaften wie Cerberus (GSW Berlin) oder auch Fortress (WOBA Dresden) sind keine klassischen Wohnungsbauunternehmen, die sich an einer Wertsteigerung ihrer Bestände orientieren, sondern Finanzinvestoren, die eine hohe und schnelle Rendite für ihr im Wohnungsmarkt angelegtes Vermögen realisieren wollen. Dies stellt also einen Wechsel dar: Weg von wohnungswirtschaftlicher Bestandsoptimierung und hin zu einer Optimierung des Cashflows.

Wachsende Diskriminierung in den privatisierten Beständen

An Beispielen von verschiedenen Städten versucht die Studie darzustellen, dass es keine einheitlichen Privatisierungsmuster gibt. Insbesondere das Investitions- und Vermietungsverhalten unterscheidet sich zwischen Städten mit angespannten Wohnungsmärkten und solchen, wo die Wohnungsmärkte als entspannt gelten. Wo Wohnraum knapp ist, gehören Modernisierungen und Mieterhöhungen zum Repertoire der neuen Eigentümer. In Städten wie Leipzig und Berlin konnte die Studie solche Strategien jedoch nur vereinzelt feststellen. Das Vermietungsmanagement orientiere sich hier eher an den festgelegten Mietgrenzen für ALG-II-Beziehende als an den theoretisch möglichen Mieterhöhungsspielräumen. Doch neben diesen Unterschieden verweist die Untersuchung auch auf etliche Gemeinsamkeiten, die als typische Strategien der neuen Eigentümer gelten können. In der Regel - so die Studie - verfolgten die Erwerber eine selektive Mieterauswahl und verweigern insbesondere "Schuldnerhaushalten" und "Problemmietern" den Zugang zur Wohnungsversorgung. Selbst in schwer vermietbaren Beständen wird an solche Mieter nicht vermietet. Da zugleich energisches Eintreiben von Mietrückständen und Räumungen von Mietschuldnern als der Regelfall der Vermietungspraxis angegeben wird, droht eine wachsende Gruppe zu entstehen, die von der Wohnungsversorgung ausgegrenzt wird. "Die Vermittlung solcher Mieter durch die Kommune wird nach einem Verkauf kooperierender Wohnungsunternehmen durch die veränderte Haltung der neuen Eigentümer erheblich erschwert", resümiert die IfS-Studie. Insbesondere in Städten, die ihren gesamten Wohnungsbestand verkauft haben, werden diese Probleme in den nächsten Jahren an Bedeutung gewinnen.

Keine Kooperation mehr mit den Kommunen

Als ein weiteres Muster der Eigentümerstrategien nach der Privatisierung stellt die Studie die Aufkündigung von quartiersbezogenen Kooperationen der Wohnungsunternehmen mit den Kommunen heraus. Da in Teilen der privatisierten Bestände durch die Reduzierung der Instandsetzungskosten eine qualitative Verschlechterung der baulichen Anlagen befürchtet werden müsse, prognostiziert die Studie eine Verschärfung stadträumlicher Problemlagen. Die dann notwendigen Aufwendungen für neue Quartiersprogramme würden zudem völlig die zur Privatisierungslegitimation angeführten Haushaltseinsparungen konterkarieren.

Vorsichtige Problemanalysen und abwägende Bewertungen

Trotz dieser Problemszenarien bleibt die Studie - sicher auch durch die Erwartungshaltung des Auftraggebers - in ihren Einschätzungen eher vorsichtig. Die Momentaufnahme der Untersuchung stellt bisher nur geringe Auswirkungen auf die Entwicklung der Miethöhen und der Gebäudesubstanz fest. Die Schlussfolgerungen lesen sich zum Teil wie eine Entwarnung der Befürchtungen, die vor allem von Mieterorganisationen und Bewohnerinitiativen im Vorfeld der Privatisierungen geäußert wurden. Als Problemfelder der Privatisierung werden vor allem die Kommunen betrachtet, die ihre gesamten öffentlichen Wohnungsbestände veräußert haben. Für alle anderen wird die übliche Liturgie von zu prüfenden Verkäufen an Genossenschaften, kleineren Verkaufspaketen und vertraglich vereinbarten Mieterschutzklauseln vorgeschlagen. Verkaufswillige Kommunen werden mit diesen Handlungsempfehlungen eher im Ungewissen belassen. Eine gründliche Durchsicht der empirischen Ergebnisse lohnt sich aber allemal, denn jenseits der politischen Schlussfolgerungen werden die Verwertungsstrategien und das Bewirtschaftungsverhalten der neuen Eigentümer sehr plastisch dargestellt. An zentraler Stelle der Studie steht der Hinweis auf die durch die Privatisierung ausgelösten Verkaufsketten. In der Studie selbst wird gefordert, die Privatisierungsfolgen weiter zu beobachten, um reagieren zu können, "wenn sich künftig wesentlich drastischere Auswirkungen als bislang zeigen sollten". Ohne ein Privatisierungsmoratorium bleibt dies ein zahnloser Tiger, denn bisher sind Privatisierungen unumkehrbare Prozesse.

"Veränderung der Anbieterstruktur im deutschen Wohnungsmarkt und wohnungspolitische Implikationen"

Forschungen Heft 124, Hrsg.: BMVBS/BBR, Bonn 2007, Download als PDF unter www.bbr.bund.de

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