MieterEcho 322/Juni 2007: Editorial

MieterEcho

MieterEcho 322/Juni 2007

Quadrat EDITORIAL

Liebe Leserinnen und Leser,

die Koalitionsvereinbarung versprach eine sozialverträgliche Mietentwicklung. Mit der Veröffentlichung des Berliner Mietspiegels 2007 wissen wir, wie das gemeint war: Die Mieten sind im Durchschnitt um 5,27% gestiegen und dort wo vor Jahren noch preiswerter Wohnraum zur Verfügung stand, nämlich in den Baualtersklassen 1919 bis 1949 und 1956 bis 1964, sind die Steigerungen mit deutlich über 9% besonders einschneidend.

"Sozialverträglich" ist ein Plastikwort, das eine positive Stimmung hervorrufen und die Realität im Dunkeln belassen soll. Die Realität ist die Privatisierung, d.h. die Verkäufe der öffentlichen Wohnungsunternehmen an Finanzinvestoren und diese stehen hinter den Mietsteigerungen. Eine positive Einstellung zu diesem Geschehen ist unschwer bei den Senatoren für Finanzen und Wirtschaft, Thilo Sarrazin und Harald Wolf, und ihren politischen Taktgebern von der IHK Berlin, Eric Schweitzer und Co., zu erkennen.

Der Mietspiegel gibt nicht nur Auskunft über die Entwicklung auf dem Wohnungsmarkt, er spiegelt auch die zugrunde liegenden gesellschaftlichen Prozesse wider. Die neuen Mittelschichten bevorzugen den Altbau in guten Lagen. Ihr entsprechend großes Interesse lässt in diesem Segment die Mieten überdurchschnittlich ansteigen.

Auf die kleinen und günstigen Wohnungen sind neben vielen anderen auch die ALG-II-Beziehenden angewiesen. Die durch die Sozialgesetzgebung erzwungene Nachfrage der Hartz-IV-Beziehenden treibt die Mieten der Wohnungen in einfachen Lagen und im ehemaligen sozialen Wohnungsbau in die Höhe.

Gesellschaftliche Polarisierung und Privatisierung bestimmen das vom Mietspiegel reflektierte Bild einer neoliberalen Realität. Dazu passt, dass die für die Erstellung des Mietspiegels zuständige Senatsverwaltung für Stadtentwicklung nicht nur ihren Teil der Verantwortung für die Entwicklung des Wohnungsmarkts zu tragen hat, sondern darüber hinaus das Instrument Mietspiegel so ausgestaltet, dass es den Vermieterinteressen besonders dienlich ist.

Seit Jahren unterstützt die Senatsverwaltung die Positionen der Vermieter in der Frage der Spannenausdehnung. Auch das hat etwas mit sozialer Verträglichkeit zu tun. Es gibt kaum einen Wohnungsbau- oder Stadtentwicklungssenator, der nicht nach Ablauf seiner Amtszeit eine wesentlich besser dotierte Beschäftigung in der Wohnungswirtschaft gefunden hätte. Zu dieser Option mag auch Senatorin Ingeborg Junge-Reyer keine Unverträglichkeit aufbauen und so macht sie schon jetzt deutlich, wessen Interessen sie auch zukünftig zu vertreten beabsichtigt.

Den Mieterorganisationen bleibt nur, sich diesem üblen Spiel zu verweigern: Sie erkennen auch den Berliner Mietspiegel 2007 nicht an.

Ihr MieterEcho

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