MieterEcho 319/Dezember 2006: Betriebskosten und Mietminderung
Rechtsanwalt Henrik Solf
Früher war alles besser. Eine Wohnung, eine Miete. Mit einem Betrag waren alle Vermieterleistungen abgegolten: Die Wohnung, der Hausmeister, die Heizung und die Treppenhausbeleuchtung - keine Rechnerei, keine Betriebskostenabrechnungen. Entsprechend einfach war es, so man sich traute, die Miete zu mindern.
Einigen Vermietern erschien das allerdings irgendwann zu unvorteilhaft. Sie hatten keine Lust mehr, die ständigen Preissteigerungen allein auf ihre eigene Kappe zu nehmen. Es erschien ihnen viel gerechter, die Mieter/innen mit den Kosten des Betriebs ihres Hauses zu belasten. Also schrieben sie in ihre Mietverträge die Auslagerung dieser Betriebskosten hinein. Übrig blieb die nackte Nettokaltmiete, ergänzt um eine monatliche Vorauszahlung auf die Betriebskosten, über die nun jährlich abzurechnen war. Diese Methode machte derart Schule, dass Bruttokaltmieten inzwischen kaum noch vereinbart werden. Die pauschale Zahlung von Heizkosten mit der Miete wurde sogar gesetzlich untersagt. Der Vermieter muss diese in jedem Fall verbrauchsabhängig abrechnen. Für Vermieter und Mieter/innen eröffnete sich damit ein völlig neues Feld der Auseinandersetzungen. Dabei stritten die Beteiligten am heftigsten um die Frage, ob eine Mietminderung von der Nettokaltmiete oder der Bruttomiete zu berechnen sei. Von der jeweiligen Antwort des zuständigen Gerichts hingen nicht selten der Bestand des Mietverhältnisses und der Verbleib der Mieter/innen in der Wohnung ab. Fast unmerklich begann sich in der Rechtsprechung mit den Jahren die Ansicht durchzusetzen, die Betriebskosten seien bei der Minderung der Miete nicht zu berücksichtigen. Diese Lösung war rechtsdogmatisch zwar kaum zu begründen, sie war jedoch für alle Beteiligten sehr praktikabel. Dem ist jedoch im Jahr 2005 der Bundesgerichtshof (BGH) in mehreren Entscheidungen (z.B. im Verfahren VIII ZR 47/04) deutlich entgegengetreten: Der Berechnung einer Mietminderung ist die gesamte Miete einschließlich Betriebs- und Heizkosten zugrunde zu legen.
Doch nun fangen die Probleme erst richtig an. Wenn die Minderung neben der Nettokaltmiete auch die Vorauszahlungen erfasst, muss sich diese Minderung auch in der Betriebskostenabrechnung für das betreffende Jahr wiederfinden. Ansonsten müsste zum Beispiel jemand, der die Miete das ganze Jahr berechtigt um 100% minderte, allen Ernstes mit Nachforderungen rechnen. Dass dies nicht sein kann, leuchtet schnell ein. Nur besteht bislang keine Einigkeit darüber, auf welchem Weg man zu einem akzeptablen Ergebnis gelangt. Grundsätzlich sind dafür verschiedene Rechenmethoden denkbar. Die vermieterfreundlichste Lösung verbucht in der Abrechnung die tatsächlich gezahlten (geminderten) Vorauszahlungen und lässt alles andere unberührt. Dabei holt sich der Vermieter mit der Betriebskostenabrechnung zumindest die Minderung der Vorauszahlungen komplett wieder zurück. Das Recht zur Minderung der Bruttomiete würde mit dieser Methode ausgehöhlt. Derzeit am weitesten verbreitet - weil am einfachsten umzusetzen - ist das ignorante Rechenmodell. Alles bleibt beim Alten: Die Minderung wird nur auf die Nettokaltmiete bezogen und die Betriebskostenvorauszahlungen und Gesamtkosten werden unverändert in der Abrechnung verbucht.
Man muss jedoch die Argumentation des BGH zu Ende denken und die Betriebskosten nicht als einen Durchlaufposten des Vermieters betrachten. Nicht nur die monatlichen Betriebskostenvorauszahlungen sind Teil der Miete, sondern die Betriebskosten in ihrer Gesamtheit. Die Höhe dieses Teils der Miete ist von der Höhe der auf Vermieterseite tatsächlich angefallenen Kosten abhängig. Darüber hat der Vermieter jährlich abzurechnen. Daher beschränkt sich eine Mietminderung nicht nur auf die laufenden Mietzahlungen, sondern erfasst auch die Betriebskostenabrechnung und dort insbesondere die Gesamtkosten. Wie dies im Einzelnen zu geschehen hat, wird in einem Beispiel dargestellt.
Die untenstehende Rechnung dürfte auch interessierten Mieter/innen auf den ersten Blick als viel zu kompliziert erscheinen. Es ist jedoch der einzige konsequente Rechenweg. Wer etwas Zeit hat, wird übrigens beim Nachrechnen ganz nebenbei feststellen können, dass die beiden von den Vermietern bislang praktizierten Rechenmodelle deutlich höhere Nachzahlungen zulasten des Mieters ausweisen. Dies sollte jedenfalls Grund genug sein, die nächste Betriebskostenabrechnung noch einmal gründlich nachzurechnen. Hilfe dazu gibt es in jeder Beratungsstelle der Berliner MieterGemeinschaft. Nicht verschwiegen werden soll hier allerdings, dass sich ein mögliches Betriebskostenguthaben ebenfalls entsprechend reduziert.
Den hier dargelegten Lösungsansatz hat jetzt auch das Landgericht Berlin in einer aktuellen Entscheidung bestätigt (veröffentlicht in: Das Grundeigentum 2006, S. 1235). Da sich zu diesem nicht unwichtigen Problem bislang noch kein anderes Gericht öffentlich positionieren konnte, hat das Landgericht gleichzeitig die Revision zum BGH zugelassen.
Vertraglich vereinbart ist folgende monatliche Mietstruktur:
Nettokaltmiete | 400 Euro |
kalte Betriebskostenvorauszahlungen | 50 Euro |
Heizkostenvorauszahlungen | 50 Euro |
Bruttomiete | 500 Euro |
Somit sind folgende Beträge jährlich zu leisten:
Nettokaltmiete (12 x 400 Euro) | 4800 Euro |
kalte Betriebskostenvorauszahlungen (12 x 50 Euro) | 600 Euro |
Heizkostenvorauszahlungen (12 x 50 Euro) | 600 Euro |
Jahresbruttomiete | 6000 Euro |
In unserem Beispiel wurde jedoch im zweiten Halbjahr die Miete der Wohnung wegen Baulärms berechtigt um 20% gemindert. Insofern wurden folgende Beträge tatsächlich gezahlt:
Nettokaltmiete 1. Halbjahr (400 Euro x 6) | 2400 Euro |
Nettokaltmiete 2. Halbjahr (320 Euro x 6) | 1920 Euro |
Zwischensumme Nettokaltmiete | 4320 Euro |
kalte Betriebskostenvorauszahlungen 1. Halbjahr (50 Euro x 6) | 300 Euro |
kalte Betriebskostenvorauszahlungen 2. Halbjahr (40 Euro x 6) | 240 Euro |
Heizkostenvorauszahlungen 1. Halbjahr (50 Euro x 6) | 300 Euro |
Heizkostenvorauszahlungen 2. Halbjahr (40 Euro x 6) | 240 Euro |
Zwischensumme kalte Betriebs- und Heizkosten | 1080 Euro |
Bruttomiete | 5400 Euro |
Die Differenz zwischen der vertraglichen Bruttomiete und der gezahlten Bruttomiete von 600 Euro entspricht einer Jahresminderungsquote von 10%.
In unserem Beispiel sind im Abrechnungsjahr 1500 Euro kalte Betriebskosten und 1000 Euro Heizkosten auf die Wohnung tatsächlich angefallen.
Daraus ergibt sich folgende (verkürzte) korrekte Betriebskostenabrechnung:
kalte Betriebskosten | 1500 Euro |
Heizkosten | 1000 Euro |
insgesamt | 2500 Euro |
ACHTUNG: Die Gesamtbetriebskosten müssen jetzt um 10% (250 Euro) gemindert werden:
um 10% geminderte Betriebskosten | 2250 Euro |
abzüglich gezahlte (also um 10% geminderte) Vorauszahlungen | - 1080 Euro |
Differenz (Nachzahlung) | 1170 Euro |
Autor:
Rechtsanwalt Henrik Solf berät Mitglieder der Berliner MieterGemeinschaft in der Beratungsstelle in der Oderberger Straße 50, Prenzlauer Berg.
Weitere Infos zu Henrik Solf unter http://www.hoelz-maschke-solf.de
Allen Mitgliedern der Berliner MieterGemeinschaft empfehlen wir die Überprüfung der Betriebskostenabrechnung in einer unserer Beratungsstellen. Dort werden Sie von mietrechlich spezialisierten Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten beraten.