MieterEcho 312/Oktober 2005: Die Bindung an die Kostenmiete wird in Berlin zum Problem

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MieterEcho 312/Oktober 2005

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Die Bindung an die Kostenmiete wird in Berlin zum Problem

Nach dem Wegfall der Anschlussförderung steigen die Mieten in den öffentlich geförderten Wohnungen

Andrej Holm

Ein zentraler Baustein im System des Sozialen Wohnungsbaus ist die Kostenmiete. Die dahinterliegende Idee ist eigentlich recht simpel: Die Wohnungen des Sozialen Wohnungsbaus sollen in erster Linie die Wohnungsversorgung sicherstellen und die Mietpreise dürfen die tatsächlich anfallenden Kosten nicht übersteigen. Problematisch wird es jedoch, wenn diese Kosten über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen und nicht mehr durch eine zusätzliche Anschlussförderung heruntersubventioniert werden.

Ein wirtschaftlicher Gewinn war für den Bauträger im System des Sozialen Wohnungsbaus nicht bzw. kaum vorgesehen. Doch in der Praxis blieb es bei einer gut gemeinten Intention und der Soziale Wohnungsbau wurde zur Milchkuh für die expandierenden Wohnungsunternehmen und später auch für Immobilienfonds. Zudem gaben die Förderbedingungen für die Bauherren wenig Anlass, sich an kostensparendem Bauen zu orientieren, denn die Höhe der Förderung hing direkt von den anfallenden Ausgaben ab. Gefördert wurden alle "unrentierlichen Kosten" - also alle laufenden Ausgaben, die nicht von der politisch festgelegten Sozialmiete (auch Bewilligungsmiete genannt) gedeckt werden konnten. In der Regel bestanden die Förderungen in einem zinsgünstigem Baudarlehen für den geförderten Eigentümer. Neben dem Förderdarlehen nahmen die meisten Bauträger Kapitalmarktschulden auf, um die Baumaßnahmen zu finanzieren. Dabei stellte sich in der Regel heraus, dass die monatlichen Kosten für Zins und Tilgung weit über den festgelegten Sozialmieten lag. Um den sozialen Anspruch einer bezahlbaren Miete zu sichern, wurde die Differenz zwischen Kostenmiete und Sozialmiete in so genannten Aufwendungszuschüssen aus öffentlichen Fördertöpfen bezahlt. Nichts verdeutlicht die Absurdität des Sozialen Wohnungsbaus in Deutschland stärker: Für mindestens 15 Jahre sicherten Fördergelder den sozialen Charakter einer bereits im Bau geförderten Wohnung. Nach Ablauf dieser Zeit gab es für die Eigentümer die Option, für weitere 15 Jahre eine Anschlussförderung zu beziehen.

Das Ende der Anschlussförderung

In Berlin wurden für etwa 28.000 Wohnungen aus den Förderjahren von 1987 bis 1997 beschlossen, aus dieser Anschlussförderung auszusteigen. Etliche der betroffenen Eigentümer haben nun auf die Gewährung der Anschlussförderung geklagt. Eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Berlin vom 16.12.2004 hat jedoch die Rechtmäßigkeit des Wegfalls der Anschlussförderung und damit die Position des Landes Berlin bestätigt. Gegen das Urteil ist Revision beim Bundesverwaltungsgericht eingelegt worden. Mit einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts wird jedoch frühestens Anfang des Jahres 2006 gerechnet.

Zur Unterstützung der betroffenen Vermieter hat der Senat bis zum 31.03.2006 die Belegungsbindungen aufgehoben. Durch den Wegfall der Anschlussförderung ist es den Eigentümern nun erlaubt, die volle Kostenmiete auf die Mieter/innen umzulegen - zum Teil liegen diese bei 10 bis 15 Euro/qm. Faktisch ist mit dem Wegfall der Anschlussförderung ein Wohnungssegment entstanden, das weder durch den Mietspiegel noch durch politisch festgelegte Sozialmieten reguliert wird. Der Charakter dieser Bestände des Sozialen Wohnungsbaus ist damit in Berlin seiner sozialen und wohnungspolitischen Verantwortung entbunden. Die Senatsverwaltung bleibt dennoch optimistisch: "Aufgrund der Lage auf dem Berliner Wohnungsmarkt sind solche Mieten aber in der Regel nicht realisierbar. Die bisherigen Erfahrungen haben gezeigt, dass grundsätzlich die nach Wegfall der Anschlussförderung geforderte Miete höchstens der ortsüblichen Miete für vergleichbare nicht preisgebundene Wohnungen entspricht." Dennoch wurden Härtefallregelungen beschlossen, bei denen zumindest einen Teil der Mietdifferenz übernommen werden soll - wenn auch das nicht reicht, gibt es eine Umzugshilfe von 1500 bis 3000 Euro (http://www.stadtentwicklung.berlin.de/wohnen/anschlussfoerderung/index.shtml).

Die DEGEWO, die als kommunales Wohnungsunternehmen ein Fondsobjekt in der Augsburger Straße/Passauer Straße verwaltet, hat bereits im Jahr 2003 vorgemacht, wohin die Reise gehen kann. Die DEGEWO hatte in dem Objekt die Mieten zum 01.06.2003 auf das Niveau der Kostenmiete erhöht und gleichzeitig einen befristeten teilweisen Mietverzicht bis zum 30.06.2006 ausgesprochen. Die Nettokaltmiete für eine 80 qm große Wohnung wäre von bislang 385,63 Euro pro Monat um 609,46 Euro auf 995,09 Euro (12,42 Euro/qm) gestiegen. Der bis zum 30.06.2006 befristete Mietverzicht beträgt 343,71 Euro, sodass die Nettokaltmiete jetzt "nur" 651,38 Euro pro Monat ausmacht. Die Härtefallregelungen des Senats können da nur wenig mildern - die Mehrzahl der Betroffenen ist mit drastischen Mehrkosten konfrontiert. Dass den 150 Mieter/innen ein Sonderkündigungsrecht eingeräumt wurde, dürfte dabei nur ein äußerst schwacher Trost sein.

In einer aktuellen Stellungnahme gibt die Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer dennoch auf der ganzen Linie eine Entwarnung. In einem Bericht an das Berliner Abgeordnetenhaus vom 23.08.2005 heißt es: "Die Mieten nach Auslauf der Grundförderung haben sich moderat entwickelt und liegen im Regelfall noch unter der ortsüblichen Vergleichsmiete". Der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen e.V. (BBU) hingegen rechnet mit einer erheblichen Zahl von Insolvenzen, denn schon jetzt könnten einzelne Unternehmen ihre Bewirtschaftungskosten nicht mehr tragen. Die Auswirkungen der eingesparten Anschlussförderung werden erst im Lauf der nächsten Jahre richtig zum Tragen kommen. Für die betroffenen Mieter/innen ist es eine ausweglose Situation: Wird die Kostenmiete ausgeschöpft, müssen viele ausziehen, weil die Wohnungen zu teuer werden - verzichten die Wohnungsbaugesellschaften auf Mieterhöhungen, wird im Bereich der Bewirtschaftung gespart und die Wohnqualität verschlechtert sich. Der Anspruch des Sozialen Wohnungsbaus, die Menschen gleichermaßen mit angemessenen wie auch bezahlbaren Wohnungen zu versorgen, verwandelt sich mit dem Wegfall der Anschlussförderung in eine Schimäre von Mietsteigerungen und Qualitätseinbußen.

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