MieterEcho 308/Februar 2005: Höllenhunde wittern Blut

MieterEcho

MieterEcho 308/Februar 2005

 TITEL

Höllenhunde wittern Blut

Nach dem Einstieg in den Berliner Wohnungsmarkt hofft Cerberus nun auch auf Profit im Blutplasmageschäft

Hermann Werle

Die US-Fondsgesellschaft Cerberus ist emsig bemüht das Kapital ihrer Anleger Gewinn bringend anzulegen. Im Dezember erwarb sie neben der Blutplasmasparte der Bayer-AG diverse Wohnungsbestände im Norden der Republik. Auch in Berlin war der Fonds weiter aktiv und trimmt die von ihm im Sommer 2004 erworbene GSW auf Effizienz und Wachstum.

Schlag auf Schlag geht es bei den Höllenhunden. Allein im Dezember erwarb der Fonds Bestände in Wilhelmshaven und Hannover. Die Jade Wohnungsbaugesellschaft war bereits im Jahr 2000 privatisiert worden und ging nun von einer Tochtergesellschaft der Deutschen Bank in das Eigentum des Cerberus-Fonds über. Stillschweigen wurde über den Kaufpreis der rund 7500 Wohnungen in Wilhelmshaven ebenso vereinbart wie bei dem Deal mit 2400 Wohnungen der GBH Gesellschaft für Bauen und Wohnen Hannover. Zuvor hatten die Höllenhunde bereits ca. 1500 Wohn- und Geschäftseinheiten von einer Privatperson in Berlin übernommen sowie 2085 Wohnungen der städtischen Wohnungsbaugesellschaft DEGEWO und weitere 567 der DEGEWO-Tochtergesellschaft KÖWOGE. Zu Letzterem gab die Zeitschrift Grundeigentum den Hinweis, dass sich "Berliner Abgeordnete, der Rechnungshof und vielleicht noch ein paar andere Institutionen" diesen Vorgang einmal genauer ansehen sollten: "Es gab dafür keine Ausschreibung, die diesen Namen verdient, sondern eine Art freihändiges Verfahren, bei dem nur sechs vorher ausgewählte Bieter zugelassen waren. Beispielsweise durfte die Apellas, eine Gesellschaft aus dem Umfeld des Milliardärs George Soros, die im Rennen um die GSW nur ganz knapp gescheitert war, merkwürdigerweise kein Angebot abgeben - gerüchteweise hat sie das trotzdem getan und angeblich mehr geboten als Cerberus." Das Verfahren provoziere also Fragen an die DEGEWO-Vorstände Thies-Martin Brandt und Frank Bielka. Außerdem, so das Grundeigentum dürfe es als sicher gelten, "dass es genug Leute gibt, die genau beobachten, ob wer möglicherweise wo wieder als Berater auftaucht."

Wachstum und Effizienz

Undurchsichtige Geschäfte markieren den Weg von Fondsgesellschaften wie Cerberus, wobei Kommunalpolitiker ihren Beitrag zur Verschleierung bereitwillig leisten. Ehemals städtische Wohnungsbestände werden zum Spielball international agierender Anleger, deren Renditeerwartungen erfüllt werden wollen. Und auch hierbei leisten die politischen Partner ihren Beitrag. Laut Senatsbeschluss vom 10.02.2004 soll der "ursprünglich erwünschte verstärkte Mieterschutz überprüft werden hinsichtlich der Auswirkungen auf die Anstrengungen der Unternehmen zur Portfoliooptimierung und Entschuldung." Im Klartext, so Hans-Georg Lorenz vom Donnerstagskreis der SPD: "Der Mieterschutz soll fallen für die künftigen Renditen zukünftiger Investoren. Und dann kann man 2007 - wie es Senator Sarrazin im Plenum des Abgeordnetenhauses in Richtung FDP ankündigte - auch den Rest gewinnbringend und mit noch besseren Preisen verscherbeln."

Das Cerberus/GSW-Management signalisiert schon heute großes Interesse an weiteren Zukäufen, soll der GSW-Bestand in den nächsten Jahren doch auf über 100.000 Wohnungen erweitert werden. Die oben erwähnten neu erstandenen Wohnungen werden überwiegend in die GSW integriert, die durch die Zusammenführung von Verwaltungen und Servicestellen beträchtliche Einsparungspotenziale erzielen kann. In groben Zügen ist die Geschäftsidee der Investoren damit umrissen: Wachstum und Effizienz.

Zur Umsetzung dieser Idee wurde die Zahl der GSW-Beschäftigten in den letzten drei Jahren um über 200 reduziert und die Geschäftsführung indes um vier Managementprofis erweitert. Die bisherigen Chefs Heinz Wirries und Volker Esche erhielten kürzlich mit Hermann J. Winkler, Richard M. Banks, Hans-Ulrich Sutter und Thomas Zinnöcker hochdotierte Verstärkung. Mit Hans-Ulrich Sutter übernimmt ein früherer Coca-Cola Manager die Bereiche Controlling und Finanzen der GSW und der frühere Geschäftsführer der Deutschen Telekom Immobilien, Thomas Zinnöcker, wurde zum 01.12.2004 neuer Vorsitzender der Geschäftsführung. Zinnöcker gehört zu den ausgewiesenen "Prozessoptimierern", die mit Hilfe von Peitsche und Stoppuhr das so genannte "Lean Management", d.h. schlanke Verwaltungsstrukturen, durchsetzen. Erhöhte Arbeitsdichte bei gleichzeitig wachsendem Kostendruck sowie erhöhter Kontrolle der Arbeitsergebnisse der einzelnen Mitarbeiter/innen sollen helfen, die Gewinne aus dem Geschäft mit Wohnraum stärker sprudeln zu lassen.

Talsohle im Mietpreisniveau durchschritten

Gewinnsteigernd soll außerdem die Forcierung der Mieterprivatisierung wirken. Eigens dafür wurde im Dezember 2003 der Internetservice "www.easywohnkauf.de" eingerichtet, der damit wirbt, als Rundumservice die komplette Abwicklung wie Kauf, Finanzierung und Verwaltung aus einer Hand - der GSW - anzubieten, wobei der Kunde ein richtiges Stück Berlin erwerben würde. "Bei easywohnkauf investiert der Kunde in keine abstrakte Geldanlage, sondern in ein handfestes Stück Hauptstadt."

Den größten Anreiz zum Erwerb einer Eigentumswohnung stellen Mieterhöhungen dar, wie die Financial Times Deutschland kürzlich erläuterte. Denn auch wenn bei der Privatisierung kommunaler Wohnungsgesellschaften Sozialklauseln festgeschrieben würden, "kalkulieren die Investoren damit, im Schnitt 20% der Wohnungen verkaufen zu können. Dabei gilt: Je energischer die Mieten angehoben werden, desto attraktiver wird die Alternative 'Kaufen'."

Und das sieht der neue GSW-Vorsitzende nicht anders. Gegenüber der Morgenpost äußerte Thomas Zinnöcker am 06.01.2005 unter der beruhigenden Überschrift "Keine Angst vor Investoren", dass die GSW als reiner Bestandshalter von günstigem Mietwohnraum ausgedient hätte. Asset Management und Portfolio-Entwicklung seien nur zwei Stichworte. Die Mieten, so der GSW-Chef, seien für eine Metropole wie Berlin vergleichsweise günstig, er sei aber der Meinung, "dass wir die Talsohle im Mietpreisniveau bereits durchschritten haben und mittel- bis langfristig wieder steigende Mieten sehen werden." Und da die GSW im vergangenen Jahr nur knapp 400 Wohnungen an Mieter verkauft hätte, gelte es, diese Quote deutlich zu erhöhen.

Zur Erinnerung sei an dieser Stelle nur kurz an einen Passus erinnert, den die Senatsverwaltung für Finanzen in ihrer Presseerklärung vom 25.05.2004 zum Verkauf der GSW betont hatte: "Das Konsortium verpflichtet sich, die sozial- und wohnungspolitischen Ziele der GSW fortzuführen. Insbesondere wird weiterhin breiten Schichten der Bevölkerung preiswerter Wohnraum zur Verfügung gestellt, darunter kinderreichen Familien, alleinerziehenden Elternteilen, Schwerbehinderten, älteren Menschen und ausländischen Familien." Das klingt zwar gar nicht übel, hat aber unter Berücksichtigung der Ausführungen Zinnöckers offensichtlich keine verpflichtende Wirkung.

Gerade die hier aufgeführten Personengruppen geraten durch steigende Mieten im Zusammenspiel mit der "Hartz-Reformpolitik" unter zunehmenden Druck, in preiswerteren Wohnraum umziehen zu müssen, da sie häufig auf staatliche Transferleistungen angewiesen sind. So widersprach Finanzsenator Sarrazin Anfang Januar umgehend der Überlegung von Sozialsenatorin Knake-Werner, Umzüge für einen verlängerten Zeitraum weitestgehend auszuschließen, die bei strenger Auslegung der Angemessenheitskriterien für Wohnraum nach Hartz IV unumgänglich sind.

Blutplasma statt Miete

Doch auch die Belastung für die öffentlichen Haushalte steigt mit der Entwicklung der Mieten, wie Hans-Georg Lorentz erklärt. Die Zahl der Empfänger/innen von Wohngeld und Sozialhilfe sei in den letzten Jahren gestiegen und mit dem Ansteigen der Mieten würden natürlich auch die Ausgaben für diese Leistungen steigen "und Senator Sarrazin erzählt uns dann, dass die Stadt ein Ausgabenproblem hat - und will die Leistungen kürzen. Aber dafür, wie diese Ausgaben zu Stande kommen, interessiert sich Senator Sarrazin nicht. Und die SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus gerät in den Sog aus Ignoranz und Arroganz."

Ganz so arrogant dürfen sich aber nicht alle geben. Wenn es für die Mieter/innen der GSW ganz haarig wird, können sie sich neuerdings an eine altbekannte Sozialdemokratin wenden. Frau Ingrid Stahmer hat sich einen kleinen Honorarvertrag bei den Höllenhunden gesichert. "Sie wollten etwas Soziales tun für die Stadt, in der sie eine so große Wohnungsbaugesellschaft erworben haben", klärt uns die frühere Bürgermeisterin und Senatorin in der Berliner Zeitung über die ethischen Prinzipien des Cerberus Fonds auf. "Dabei haben sie mich gefragt, ob ich eine Funktion als Ombudsfrau annehmen würde." Wer an der monatlichen Mieter-Sprechstunde mit der rührigen Dame teilnehmen möchte, sollte sich zuvor anmelden. Mit etwas Glück - in der Regel ist nur der Anrufbeantworter des "Qualitätsteams der GSW" zu erreichen - sollte das unter der Telefonnummer: 2534-1432 möglich sein.

Eventuell ergeben sich durch die vielseitigen Geschäftstätigkeiten des US-Fonds aber auch ganz neue Möglichkeiten für GSW-Mieter/innen. So könnten Mietrückstände durch Blutplasmaspenden zu kompensieren sein oder im Falle von mietsteigerungsbedingter Blutarmut bietet die Geschäftsstelle der GSW Blutplasma-Rationen zum Vorzugspreis - Frau Stahmer könnte das ja mal prüfen.

Glossar

Cerberus: Cerberus ist der Name des dreiköpfigen Höllenhunds, der den Hades, den Ort der Toten in der antiken griechischen Mythologie, bewacht.

Asset Management: Das Asset Management gehört zu den zentralen Finanzdienstleistungen und beinhaltet die Verwaltung bedeutender institutioneller in- und ausländischer Vermögen.

Portfolio Management: Portfolio Management dient der optimalen Ausbalancierung bestehender Wertpapierbestände zwischen Risiko und Rendite. Die Rendite bezeichnet die erzielte Verzinsung des eingesetzten Kapitals in einer Abrechnungsperiode, z.B. einem Geschäftsjahr. Sie ist der Maßstab zur Messung der Performance einer Investition. Für ein Immobilieninvestment gilt der Bestand der Immobilien dementsprechend als Portfolio und die Optimierung der Performance bedeutet ganz schlicht Profitmaximierung.

Zurück zum Inhalt MieterEcho Nr. 308