Mieterecho - Zeitung der Berliner Mietergemeinschaft e.V.

Nr. 300   Oktober 2003

Arbeit(-splätze) simulieren mit Barbara Pniower, Wolfgang Hüttemann & Co.

Kommentar von

F. Nuldari

Über tausend Jobsuchende, die sich um viel Geld betrogen fühlen, und viele Firmennamen pflastern den Weg von Barbara Pniower, Wolfgang Hüttemann und Kollegen. MieterEcho-LeserInnen kennen bereits die Geschichten, wie sie als "Teco Immobilien" bzw. "Kolja Poppe Immobilien" den BewerberInnen "super Verdienstmöglichkeiten" als "Wohnungsvermittler" vorgaukelten und ihnen jeweils gut 580 Euro für täuschend echte Maklerseminare abknöpften.

Wie sie dem nebenstehenden Artikel von Andrea Schaub entnehmen können, haben Frau Pniower und ihre KollegInnen auch im Baudrillardschen Sinn1 die Zeichen der Zeit erkannt. Denn eigentlich sollten private ArbeitsvermittlerInnen wegen des dahinsiechenden Geschäfts lieber zu KündigungsberaterInnen umsatteln. Immerhin stehen dieses Jahr bundesweit noch über 450.000 Entlassungen auf dem Plan. Aber in so einem Moment steigen diese MeisterInnen der Simulation erst in den Ring. Sie haben, genau wie Gerhard Schröder und Peter Hartz, erkannt, dass es keiner wirklichen Arbeitsplätze bedarf, um so genannte Arbeitslose derart unter Druck zu setzen, dass sie sich von dem Wenigen, was sie zum Leben haben, noch etwas wegnehmen lassen.

Die Methode, mit denen die modernen AkteurInnen unter Phantasienamen wie "Brain Consult", "Brain Consulting", "Check up Service", "Conmatis" und "Comnatis" ans Werk gehen, ist überraschend einfach. Als private Arbeitsvermittlung melden sie den Arbeitsämtern und virtuellen Jobbörsen offene Stellen. Da diese Stellenangebote täuschend echt klingen, schicken hunderte Stellensuchende ihre echten schriftlichen Bewerbungsunterlagen. Parallel dazu bringen Pniower und Kollegen einigen branchenfremden Jobsuchenden ein Verkaufsgespräch bei und nennen diese Simulation "kostenfreie Einarbeitung" zum "privaten Arbeitsvermittler". Diese werden dann wie Anlageberater zu den Stellensuchenden nach Hause geschickt. Das Schema des dort vorgetragenen Verkaufsgesprächs ist uralt:

1. Suggeriere deinen potenziellen Kunden, sie hätten ein Problem: Den Stellensuchenden wird eingeredet, ihre Bewerbungsmappe sei zu schlecht.

2. Biete ihnen dafür eine Lösung, die ihre Situation zukünftig verbessert, nämlich dein Produkt: Zur Problemlösung muss die Mappe für 280 Euro überarbeitet werden und schon winkt eine bessere Zukunft dank Job.

3. Bringe das Geschäft sofort zum Abschluss, damit sie nicht nachdenken können: Die Zeit drängt, weil über die angebliche Stelle jeweils morgen oder übermorgen entschieden wird.

Und so was machen Erwerbslose mit? Manche ja, immerhin steht auf den Bewilligungsbescheiden der Arbeitsämter neuerdings "Bitte beachten Sie, dass Sie verpflichtet sind, alle Möglichkeiten zu nutzen, um ihre Beschäftigungslosigkeit zu beenden. (...) Kommen Sie diesen Pflichten nicht nach, entfällt Ihr Anspruch auf Leistungen." Dass das Zahlen von 280 Euro nicht zur "Mitwirkungspflicht" im Sinne des Sozialgesetzbuchs gehört, wissen viele nicht. Im Gegenteil, sie gehen sogar davon aus, das Arbeitsamt habe das Stellenangebot geprüft. Einige der "Conmatis"-geschulten Arbeitsvermittler behaupten sogar, das Arbeitsamt bezahle manchmal die Überarbeitung der Bewerbungsmappen. Das ist natürlich Unsinn, denn die Ämter zahlen maximal fünf Euro pro Bewerbung.

Es wird also Zeit, dass die Arbeitsämter ihre Stellenangebote erst mal prüfen, bevor sie ihre Klientel solchen Geschäftemachern aussetzen. An der Zeit wäre es aber auch, über die Moral einer Gesellschaft nachzudenken, die ihre Mitglieder nur über die Arbeit definiert und damit den Erfolg solcher Simulationen erst ermöglicht. Übrigens, ein "con man" ist im englischen einer, der betrügt - klingt fast wie "Conmatis".

1 Der französiche Philosoph Jean Baudrillard bezeichnete Ende der 1970er Jahre die Simulation als zweite Realität, denn in der Simulation ginge es nicht mehr um eine Differenz zwischen echt und vorgetäuscht.