Mieterecho - Zeitung der Berliner Mietergemeinschaft e.V.

Nr. 297   Mai 2003

Jenseits der Anschlussförderung

Härtefallregelung vollkommen unzureichend

Joachim Oellerich

Das Verwaltungsgericht hat zwei Eilanträge gegen die Einstellung der Anschlussförderung abgewiesen und die Erfolgsaussichten der dagegen eingelegten Beschwerden werden als minimal eingeschätzt. Wenn dieses Heft erscheint, dürften daher die am 27.03.2003 von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung veröffentlichten "Verwaltungsvorschriften über die Gewährung von Mietausgleich und Umzugskostenhilfe für vom Wegfall der Anschlussförderung betroffene Mieter im sozialen Wohnungsbau" das Abgeordnetenhaus passiert haben. Veränderungen sind nicht mehr zu erwarten. Wir riskieren also wenig, wenn wir das komplizierte und spröde formulierte Werk als abgeschlossen behandeln. Sollte sich dennoch etwas geändert haben, bitten wir um Nachsicht.

Das Land Berlin gewährt für Wohnungsinhaber in Mietwohnungen im öffentlich geförderten Wohnungsbau, bei denen bis zum 31.12.2004 die Grundförderung endet und für die keine Anschlussförderung bewilligt wird, Mietausgleich und Umzugskostenhilfe. Voraussetzung ist ein am letzten Tag der Grundförderung wirksamer Miet- oder Nutzungsvertrag für die Wohnung. Maßgebend sind die Einkommensverhältnisse zum Zeitpunkt der Antragstellung. Die Ermittlung des anrechenbaren Gesamteinkommens erfolgt nach den Vorschriften der §§ 20–24 des WoFG und dieses Einkommen wird in das Verhältnis zu den maßgeblichen Einkommensgrenzen nach § 9, 2 WoFG gesetzt. In besonderen Härtefällen kann der ermittelte Einkommenssatz um 10% verringert werden. So u.a. "wenn ein Haushaltsmitglied das 70. Lebensjahr vollendet hat oder für einen Haushaltsangehörigen wegen wesentlicher gesundheitlicher Beeinträchtigung der mittelfristige Erhalt der bisherigen Wohnung notwendig ist, ein Wohnungsinhaber einen anerkannten Grad der Behinderung von wenigstens 80% hat oder eine anerkannte häusliche Pflegebedürftigkeit im Sinne von § 14 des XI SGB vorliegt oder eine behindertengerechte Wohnung zweckbestimmt genutzt wird."

a. Der allgemeine Mietausgleich

Förderfähig ist die in der Mieterhöhungserklärung aus Anlass des Auslaufens der Grundförderung in der aktuellen Wirtschaftlichkeitsberechnung ausgewiesene Wohnfläche für die Wohnung. "Bei der Berechnung des Mietausgleichs wird der Mietanteil berücksichtigt, der zwischen der vom Wohnungsinhaber zu zahlenden Miete (ohne Kostenanteile für Betriebskosten, Zuschläge und Vergütungen) (...) zum Zeitpunkt der Antragstellung und der gezahlten Miete (...) im letzten Monat der Grundförderung liegt." Doch wird nicht die gesamte Mieterhöhung bis zur zu zahlenden Miete angerechnet, sondern nur bis zu einem Höchstbetrag. "Maßgeblich für die Bestimmung des Höchstbetrags sind der Berliner Mietspiegel 2003 und die dort enthaltenen Mittelwerte der ortsüblichen Vergleichsmiete (...) mit einer Wohnfläche zwischen 60 bis unter 90 qm." Wenn die Höhe des anrechenbaren Haushaltseinkommens die maßgeblichen Einkommensgrenzen nicht überschreitet, beträgt der Mietausgleich 90% des berücksichtigungsfähigen Mietanteils. Berücksichtigungsfähig ist – siehe oben – die Differenz zwischen der alten Miete und dem Mittelwert des Mietspiegels. Übersteigt das anrechenbare Einkommen die maßgeblichen Einkommensgrenzen um bis zu 50%, so verringert sich der Mietausgleich nach komplizierter Berechnung entsprechend. Liegt das anrechenbare Einkommen darüber, entfällt der Mietausgleich gänzlich. Die Höhe des monatlichen Mietausgleichs wird jeweils nach Ablauf von 12 Monaten um 20% des Ursprungsbetrags reduziert. Liegt ein besonderer Härtefall (s.o.) vor, beträgt die Verringerung 12,5%.

b. Zusätzlicher Mietausgleich

"Kündigt der Wohnungsinhaber, dessen Wohnung bis zum 30.06.2003 aus der Grundförderung fällt (...) wegen einer Mieterhöhung, die zu einer Miete über dem Höchstbetrag (...) führt, wird auf Antrag ein zusätzlicher Mietausgleich gewährt." Die Kündigung muss praktisch sofort, mit kürzester ordentlicher Frist und auf jeden Fall vor dem 31.07.2003 erfolgen. Der zusätzliche Mietausgleich erfasst dann auch den Teil der Mieterhöhung, der über dem festgelegten Mietspiegelwert als Höchstbetrag liegt. Jedenfalls so lange der Vertrag dann noch läuft.

c. Umzugskostenhilfe

Für die Gewährung von Umzugskostenhilfe bedarf es folgender Voraussetzungen: "Die Mieterhöhung muss im Zeitraum von zwölf Monaten ab Ende der Grundförderung den Betrag von 0,52 Euro/qm monatlich überschreiten oder die Miete muss nach der Mieterhöhung in

liegen." Nach einem Jahr erhöhen sich die Beträge um 0,13 Euro/qm. Die Kündigung muss bis spätestens im 60. Monat nach Ende der Grundförderung erfolgen. Bei Härtefällen (s.o.) kann die Kündigung innerhalb von 96 Monaten ausgesprochen werden. Liegen diese Voraussetzungen vor, dann beträgt die Umzugskostenhilfe für Einpersonenhaushalte 1500 Euro und erhöht sich für jede weitere zum Haushalt rechnende Person um 500 Euro; höchstens werden 3500 Euro gezahlt. Schließlich werden für außergewöhnliche Härtefälle Vorschriften, die über die bereits getroffenen Regelungen hinausgehen, von der Senatsverwaltung in Aussicht gestellt. Bei Redaktionsschluss lagen sie aber noch nicht vor.

Wenn man diese Regelungen bewerten will, gerät man unversehens in die Verteidigung des jahrelangen Skandals, der in dieser Stadt Wohnungsbauförderung genannt wurde. Und das allein zeigt die absurde Lage. Die Mieter sind, so treffend Barbara Oesterheld, von der "Wohnungsmafia als Geiseln genommen" worden.

Eine Härtefallregelung, die den Namen wirklich verdient, müsste einen Ausgleich zwischen der gezahlten und der geforderten Miete herstellen. Doch genau das wäre die Fortsetzung der Förderung.

So entsteht eine Situation die auf der Diskussionsveranstaltung der Berliner MieterGemeinschaft vom 07.04.2003 in einem Fall exemplarisch folgendermaßen entwickelt wurde: Noch zahlen die Mieter eines Hauses 4,60 Euro/qm. Der Mietspiegelwert liegt bei 7,40 Euro/qm. Wird die bereits in Aussicht gestellte - aber noch nicht konkretisierte - Mieterhöhung bis zur Mietspiegelhöhe durchgeführt, würden die Mieter im ersten Jahr 90% der Differenz von 2,80 Euro, also 2,52 Euro, Ausgleich erhalten, hätten selbst eine Mieterhöhung von 6% hinzunehmen und müssten 4,88 Euro zahlen. Doch die in dem Haus bewilligte Kostenmiete beträgt 12,00 Euro. Würde die gefordert, bliebe den Mietern eine Mietbelastung von 9,48 Euro/qm nettokalt, die Mieterschaft wäre geschlossen ein Fall für die Umzugshilfe und die leerstehenden Wohnungen könnten in Eigentumswohnungen umgewandelt oder womöglich an Gewerbetreibende vermietet werden. Wenn das alles nicht geschehen wird, dann nur weil es der Markt z.Zt. nicht zulässt. In der betreffenden Gegend werden weder derart horrende Mieten zu realisieren noch Interessenten für Eigentumswohnungen zu finden sein. Aber das bedeutet, Mieter eines sozialen Wohnungsbaus, d.h. eines Wohnungsbaus der gegenüber dem Markt stärker absichern soll, sind mehr als alle anderen auf die Gunst dieses Markts angewiesen. Ein Stück aus dem Tollhaus.

Gänzlich ungewiss ist das Schicksal der Sozialhilfeempfänger. Wie sich bei Mieterhöhungen die Sozialämter verhalten, kann man nur mutmaßen und das Schlimmste befürchten.

Von den 26.000 der insgesamt betroffen Wohnungen gehören 13.000 den Steuerabschreibungsfonds. Sollten diese Gesellschaften in Konkurs gehen, hätte der Senat die Pflicht die Wohnungen zu übernehmen und die bisherige Mietpreisgestaltung beizubehalten. Das ist die Forderung von Barbara Oesterheld und der können wir uns nur anschließen. Im Besitz kommunaler Wohnungsbaugesellschaften befinden sich leider nur noch 7000 Wohnungen. Bei diesen Wohnungen muss sich der politische Einfluss darauf richten, jegliche Mieterhöhung zu unterlassen.

In diesem Jahr fallen ca. 2700 Wohnungen aus der Bindung. Bisher sind der Berliner MieterGemeinschaft nur wenige Fälle bekannt und es sind keine Mieterhöhungsankündigungen jenseits des Mietspiegels darunter. Doch wir bitten weiterhin um Mitteilung. Das Thema ist noch längst nicht beendet.