MieterEcho
Nr. 289 - Januar/Februar 2002

Soziale Stadterneuerung wird es nicht mehr geben

 

Tina Veihelmann

Was unter rot-grün-gelb schon Gegenstand der Koalitionsverhandlungen war - und von den Grünen heftig bekämpft wurde - ist jetzt beschlossene Sache. In die öffentlichen Programme für Stadterneuerung fließt weniger Geld. Wobei nach einem einfachen Schema verfahren wird: Diejenigen Programme, die hauptsächlich das Land Berlin trägt, werden weitgehend eingespart, während diejenigen, die hohe Bundes- oder EU-Zuschüsse erhalten, weiterlaufen. So bleibt etwa das Programm der "Sozialen Stadt", aus dem zum Beispiel das Quartiersmanagement bezahlt wird, erhalten, die Programme der "Sozialen Stadterneuerung" werden aber erheblich gekürzt. Zukünftig sollen hiervon nur noch einige Schwerpunktbereiche weiterfinanziert werden: diejenigen, die ohnehin geringere Teile der Fördersummen in Anspruch nahmen.

Geld soll nur noch in soziale Infrastruktur, Wohnumfeldmaßnahmen, öffentliche Gebäude und genossenschaftlichen Bestandserwerb investiert werden. Die politische Begründung dazu ist, dass Sanierung von Wohnhäusern kein dringliches Thema mehr sei. Handlungsbedarf bestünde dagegen bei der öffentlichen Infrastruktur. Während in den letzten Jahren fast ausschließlich in die Erneuerung von Häusern investiert worden sei, begründet PDS-Abgeordneter Bernd Holtfreter die Entscheidung, seien Schul- und Kitagebäude, Parks und Spielplätze zunehmend verkommen. Hier zu handeln sei notwendig um Familien in den Gebieten zu halten. Vor allem aber sollen laut Koalitionsvertrag durch die Aufwertung der öffentlichen Infrastruktur Anreize für private Investition geschaffen werden. Weitergehen soll auch die Plattensanierung in den Großsiedlungen Ost.
Die "Soziale Stadterneuerung im Altbau", die über die Hälfte der Ausgaben für die gesamte Palette der Programme ausmachte, wird hingegen vollständig aufgegeben. Öffentlich geförderte Sanierungen von Altbau-Wohnhäusern, die Gesellschaften wie S.T.E.R.N, oder Stattbau betreut haben, werden bald Geschichte sein. Damit gibt das Land die Verantwortung der Stadterneuerung de facto an private Investoren ab und gibt ein wichtiges Stück politische Einflussnahme auf den Wohnungsmarkt preis. Denn an die Förderungen waren bestimmte, zeitlich begrenzte Mietpreisbindungen gekoppelt. Um Verdrängungsprozesse in Altbaugebieten aufzuhalten, empfiehlt der Koalitionsvertrag Mietobergrenzen einzuführen. Mietobergrenzen haben die Bezirke in vielen Sanierungsgebieten ohnehin bereits eingeführt, um die private Sanierung sozial abzufedern. Etwa 75% der Modernisierungen werden derzeit schon privat finanziert. Doch hat sich die Kontrollierbarkeit der Mietpreisbindungen in den geförderten Häusern als wesentlich effizienter erwiesen. Verlässt man sich allein auf die politisch bestimmte Mietobergrenze, hängt viel vom Mieter selbst ab - davon ob er Zeit und Kraft hat, sich ausreichend beraten zu lassen und seine Rechte durchzusetzen. Erschwerend kommt hinzu, dass der Mieter hier einem per se professionelleren Eigentümer gegenübersteht. Ob es gelingt, im Sanierungsprozess gut weg zu kommen, wird zum Individualproblem. In etwa fünfzig Prozent der Fälle umgehen Eigentümer die Mietobergrenzen. Hinzu kommt, dass bislang die rechtlichen Instrumente im Sanierungsprozess nicht offensiv gegen die Interessen des Eigentümers eingesetzt werden - und nicht offensiv eingesetzt werden sollen. In den Leitsätzen für die Sanierungspolitik ist zu lesen: "Die rechtlichen Mittel sind auszuschöpfen ... restriktive Maßnahmen sind dabei aber zu vermeiden."
Allein auf Mietrecht sowie administrativ verordnete Mietobergrenzen zu bauen, wird gerade dann kritisch, wenn die Sanierung ausschließlich privat realisiert wird. Bei Häusern mit "hohem Sanierungsbedarf", lohnt sich laut Stadtsoziologe Hartmut Häußermann das Geschäft für den Investor überhaupt nur dann, wenn er die bezirkliche Mietobergrenze umgeht. Derartige Sanierungen führten erfahrungsgemäß zu einem Bewohneraustausch von fast 100%. Als Folge sei in den Gebieten ein "völliger sozialer Wandel" zu erwarten. Deutliche Worte für Häußermann - der beim Status quo die soziale Mischung für ganz und gar nicht gefährdet hält. Er befürchtet eine sozial segregierte Stadt, in der es einerseits Desinvestition geben wird - aufgegebene, verfallende Gebäude - andererseits privilegierte Bestände, die schon saniert sind oder später noch privat und teuer erneuert werden.
Denn Zweifel bestehen auch daran, dass die komplette Altbausanierung mit den verbleibenden Geldern in Zukunft überhaupt zu realisieren sei. Das Beispiel Prenzlauer Berg zeigt, dass nach zehn Jahren von 32.000 Wohnungen mit umfassendem Erneuerungsbedarf erst 10.000 saniert wurden - die Hälfte von ihnen mit öffentlichem Fördergeld. Zwar ist der privat finanzierte Sanierungsanteil anteilig angestiegen, dennoch bleiben nach Einschätzung von S.T.E.R.N. immer noch etwa 10.000 Altbauwohnung, deren Renovierung so teuer käme, dass sich ohne öffentliche Fördermittel kaum ausreichend private Investoren finden würden. Auch ergibt sich ohne geförderte Sanierung ein praktisches Problem: Ohne sie käme auch die freifinanzierte Erneuerung ins Stocken. Denn diese ist auf Umsetzwohnungen aus dem Kontingent der geförderten Wohnungen angewiesen - denn nur hier gibt es "Belegungsrechte". "Belegungsrechte" würden mit Preisgabe der geförderten Sanierung ohnehin aufgegeben. Es gäbe also keinen Pool an Wohnungen mehr, der für Einkommensschwache freigehalten wird und nur mit Wohnberechtigungsschein zu haben ist.

Nun sollte jedoch nicht der Eindruck entstehen, die öffentliche Förderung der Stadterneuerung im Altbau sei im Grunde schon immer ein Garant für realexistierende Sozialromantik gewesen. Dem ist nicht so. Das Programm, wie es bislang umgesetzt wurde, ist in verschiedenen, teils gravierenden Punkten kritikwürdig.
Zum einen sind die Mietpreise in den geförderten Wohnungen nicht wirklich billig. Sie liegen im Durchschnitt etwa auf dem Niveau des Mietspiegels - also der durchschnittlichen Miete, die die Bewohner im Gebiet für eine Wohnung gleichen Standards sowieso bezahlen. Menschen mit niedrigem Einkommen oder niedrigem Arbeitslosengeld ziehen oftmals von einer unsanierten Wohnung in die nächste. Das zeigte zum Beispiel eine Studie der Mieterberatung Prenzlauer Berg.
Zum anderen lassen es diese Programme nicht zu, Häuser nur soweit als nötig instandzusetzen. Etwa Fassade, Fenster und Dach zu reparieren, aber auf Grundrissänderungen für ein großes Badezimmer zu verzichten. Denn die Zuschüsse für die Baukosten fließen erst ab einer bestimmten Summe, die der Eigentümer verbauen lässt. Für Niedrigverdiener, Studenten und Arbeitslose - und von ihnen gibt es in den Innenstadtvierteln ja nicht wenige - die bisher den "Rest" an unsanierten Wohnungen bewohnen und wegen anstehender Bautätigkeit ständig umziehen müssen, wäre ein solches Wohnungssegment wichtig: Wohnungen die keine erheblichen Mängel aufweisen, deren Standard aber für sie bezahlbar bleibt.
Ein weiterer Einwand ist, dass die Programme, wie sie bisher funktionierten, nur für professionelle Eigentümer interessant waren, denn das Beantragen der Mittel war mit hohem bürokratischen Aufwand verbunden. Die öffentlichen Mittel flossen also nicht gezielt in Häuser, die so verfallen waren, dass die Reparaturen besonders teuer ausfielen - und die vielleicht gerade einem mittellosen Eigentümer rückübertragen wurden - sondern sie wurden eher von versierten Besitzern in Anspruch genommen, die mehrere Häuser auf diese Weise sanierten.
Darüber hinaus förderte das Land Berlin mit dem öffentlichen Geld nicht nur die Bautätigkeit, sondern auch ein bekanntes Kreditinstitut. Denn ein zunehmend größerer Teil der Zuschüsse floss nicht in Baukosten, sondern in Kredite, die die Eigentümer für die Sanierung aufnahmen. Diese Kreditgeschäfte wiederum wurden mit der Investitionsbank Berlin abgeschlossen. Ergo: Das Land Berlin finanzierte seine eigene Bank.
Trotz all dieser Einwände ist der politische Handlungsbedarf, die Mietpreisdynamik in Altbaugebieten einzudämmen, dringend gegeben. Immerhin müssen hier Mieter für Reparaturen aufkommen, die oftmals seit fünfzig Jahren überfällig sind. Und meist kommt eine erhebliche Erhöhung des Standards hinzu. Das rechtliche Instrumentarium in Sanierungsgebieten reicht nicht aus, um Mieter vor Verdrängung zu schützen. Zum einen wird es nicht offensiv angewandt, zum anderen ist der Mieter - wenn er allein als Rechtsperson einem überlegen Eigentümer gegenübersteht - per se im Nachteil.
Bezahlbare Mieten zu subventionieren, wäre weiterhin dringend geboten. Eine Reform der Programme wäre der Problemlage angemessen, nicht deren Preisgabe. Vor allem müssten sie zielgenauer und niederschwelliger einsetzbar sein, Baukosten bezuschussen und nicht vorrangig Kredite, dauerhafte Mietpreisbindungen garantieren - und sie müssten es leisten, ein Wohnungsmarktsegment mit geringeren Standards zu schaffen. Ein Wohnungsmarktsegment, das Niedrigverdiener, Arbeitslose und Studenten, die in den Innenstadtvierteln einen vergleichsweise hohen Prozentsatz der Bevölkerung ausmachen, sich leisten können.

 

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