MieterEcho
Nr. 288 - November/ Dezember 2001

"Wohnwertmiete", die neue "Unternehmensmiete"

 

Julia Oppermann

Die Wohnwertmiete ist den Lesern des MieterEchos hinreichend bekannt. Auch ihre sprachlich verballhornte aber inhaltlich seelenverwandte Schwester, die "Wohlfühlmiete", ist ihnen keine Fremde. Die erste, eine Tochter der "Charlotte", hat die biederen aber risikofreudigen Herren Victor Breyer und Dr. Walther zu ihren Ziehvätern. Die zweite ist eine Kopfgeburt des Herrn Hans-Jürgen Hermann und seines Stabes und verunsichert in der "1892" die Genossen. Beide sind Instrumente zur genossenschaftsinternen Anhebung des Mietniveaus und damit höchst überflüssig.

Hatte man in der "Charlotte" noch das Fördersystem vergangener Jahre für entstandene Mietspreizungen, die durch Steigerung des Mietendurchschnitts zu beseitigen als Gebot der Gerechtigkeit empfunden wurde, verantwortlich gemacht, so argumentiert die "1892" wesentlich strategischer. In ihrem Geschäftsbericht ist zu lesen: "Nach der 1999 in unserer Genossenschaft eingeführten Wohnwertmiete, ein Mietpreismodell, welches nach zweijähriger Vorbereitungszeit einen genossenschaftsinternen ‚Mietspiegel' als Grundlage hat, erfolgt die Neuvermietung bereits seit 1999 ausschließlich danach. Unter Berücksichtigung der Mietengesetzgebung und der Mietenrechtsprechung, werden die Verzerrungen des Mietspiegels bezüglich der Lage, des Alters und der Größe der Wohnungen gemildert, dies wird von den Wohnungssuchenden gut angenommen. Für die Bestandsmieten betragen die Erhöhungen unserer Nutzungsgebühren im Normalfall 5% p.a. bis zum Erreichen der individuellen Wohnwertmiete." Es sind also die "Verzerrungen des Mietspiegels bezüglich der Lage, des Alters und der Größe der Wohnungen" die es "unter Berücksichtigung der Mietengesetzgebung und der Mietenrechtsprechung" zu beseitigen gilt. "Unter Berücksichtigung der Mietengesetzgebung und der Mietenrechtsprechung" kann jeder Eigentümer die Miete bis an die Grenzen des Mietspiegels führen, und die meisten haben das auch immer so gehalten. Keiner musste dafür ein betriebsinternes Mietensystem bemühen. Wenn aber die "Verzerrungen des Mietspiegels" selbst als Ursachen für die betriebswirtschaftliche Schieflage geoutet werden, dann hilft auch keine "Mietengesetzgebung" und keine "Mietenrechtsprechung", dann muss man eben den Mietspiegel selbst abschaffen und durch einen "genossenschaftsinternen Mietspiegel" ersetzen. Genau das wird beabsichtigt.

Diese Bemühungen sind leider nicht neu. Im Vorfeld der Diskussion um die Mietrechtsreform legte der Gesamtverband der Wohnungswirtschaft (GdW) bereits 1996 ein Thesenpapier vor, in dem es heißt: "Das Genossenschaftsgesetz regelt das Miteinander der Genossenschaftsmitglieder. Es garantiert und legitimiert die demokratischen Entscheidungsprozesse in der Genossenschaft. Es definiert Rechte und Pflichten der Genossenschaftsmitglieder und eröffnet ihnen die Möglichkeit, durch Satzung und Wahlordnung darüber hinaus das genossenschaftliche Leben zu regeln. Weitere, über das GenG (Genossenschaftsgesetz, die Red.) hinausgehende Regelungen, insbesondere durch das Mietrecht, sind entbehrlich." Und deshalb fährt man fort: "Die Grundforderungen der Genossenschaften sind:

  • die Freistellung der Genossenschaften von der Bindung an das MHG sowie
  • ein Sonderkündigungsrecht für Genossenschaften gegenüber ausgeschiedenen Mitgliedern, Erben und sonstigen Rechtsnachfolgern von Genossenschaftsmitgliedern."

Ausstieg aus dem Mietrecht

Für genossenschaftliche Mietverhältnisse soll grundsätzlich das MHG (Miethöhegesetz) gelten. Von dessen Regelungen kann jedoch durch Bestimmungen in der Satzung einer Genossenschaft abgewichen werden. Abgewichen werden kann von allen Paragraphen des MHG. Es kann also z.B. von den Kappungsgrenzen und Fristen des MHG § 2 und von den Vorgaben des § 3 wegen Mieterhöhung im Rahmen von Modernisierungsmaßnahmen abgewichen werden. Insbesondere wären die Genossenschaften von der Mietpreisbildung des MHG entbunden. Damit wird den Forderungen nach einer Unternehmensmiete Rechnung getragen. Falls eine Abweichung vom MHG beabsichtigt ist, müssen derartig ausgestaltete Satzungsbestimmungen die genossenschaftlichen Grundsätze beachten, insbesondere mit dem Förderauftrag des § 1 GenG vereinbar sein und den genossenschaftlichen Gleichheitsgrundsatz beachten." Inzwischen ist die Mietrechtsreform in Kraft (das MHG ist zwar aufgehoben und dessen Stelle sind die Bestimmungen des BGB getreten) und die Vorstellungen der liberalisierungssüchtigen Genossenschaftsvorstände sind dabei auf der Strecke geblieben. Und wenn irgend etwas an der Mietrechtsreform gut ist, dann das. Der GdW allerdings sieht das anders. Für ihn sind die genossenschaftliche "Unternehmensmiete" (von Billig-Euphemismen wie WohnWert- oder Wohlfühlmiete ist man hier weit entfernt) und der "Ausstieg aus dem Mietrecht" noch längst keine toten Hunde. So wurde erst auf der kürzlich abgehaltenen Lübecker Tagung versucht, programmatisch die vor sich hinwesenden Kadaver künstlich zu beatmen.

Der Berliner Vorstoß von "Charlotte" und "1892" zielt dabei auf das Schaffen von vollendeten Tatsachen. Ihre Mieten sind bereits Unternehmensmieten, die allerdings - und in Kreisen der Genossenschaftsvorstände leidet man darunter ganz erheblich - durch den Mietspiegel gezügelt bleiben. Von dem Gedanken an staatliche Förderungen und deren als Fessel empfundene Bindungen hat man sich längst verabschiedet. Dem atmosphärischen Dunstkreis des sozialen Wohnungsbaus zu entkommen, wird als Großzügigkeit erlebt. Doch plötzlich merken die braven, durch das Füllhorn staatlicher Zuschüsse verwöhnten und in die eisige Freiheit des Marktes entlassenen Obergenossen, dass ihre betriebswirtschaftlichen Künste mit denen der schon lange vor ihnen in der Marktwirtschaft angekommen Kollegen aus den Wohnungsbauunternehmen nicht mithalten können. Was den anderen gelingt, innerhalb des durch den Mietspiegel gegeben Einnahmerahmens zu wirtschaften, haben sie nie gelernt. Daher und auch weil Liberalisierung im Trend liegt (welcher brave Bürger könnte denn der Versuchung widerstehen wenigstens einmal "trendy" zu sein) sind ausgerechnet die zu sozialem und solidarischem Handeln aufgeforderten Genossenschaftsvorstände Vorkämpfer für weitere Liberalisierung des Mietrechts und Gegner seiner soziale Komponenten. Die Beschwörung des Genossenschaftsgedankens und die Berufung auf Gerechtigkeit wirken dabei nicht einmal mehr peinlich. Der Genossenschaftsgedanke ist in ihrer Mitte schon längst zum Geistesblitz des Schatzmeisters eines Skatvereins verkümmert. Wobei vielleicht mit den armen Skatvereinen ein bisschen streng verfahren wird!

Was den Mitgliedern der Genossenschaften dabei blüht, konnte andeutungsweise einer Veranstaltung des Genossenschaftsforums zu diesem Thema entnommen werden. Die "Hamburger Schiffszimmerergenossenschaft", Vorreiter der faktischen Unternehmensmiete "Wohnwert", hat den Mietendurchschnitt inzwischen auf 11,77 DM gesteigert, in Berlin werden teilweise 10,50 DM als Wunschvorstellung gehandelt und Herr Breyer ("Charlotte") ist mit 8,88 DM Zielmiete für sein Unternehmen noch relativ bescheiden. Alle anderen Berliner Mieter aber werden wohl bald auch in diesem Zusammenhang mit der Lieblingsdiffamierung der Liberalisierer, "Sozialschmarotzer", belegt werden. Denn für sie gilt noch Mietspiegeldurchschnitt von 8,28 DM.


"Die Initiative zur Erhaltung des Genossenschaftsgedankens"

diskutiert auf ihrem nächsten Treffen
am 14.01.2002, um 19.00 Uhr
im Restaurant "Stammhaus",
Nonnendammallee/ Ecke Rohrdamm
(U-Bahnstation Rohrdamm)

"Unternehmensmiete und Ausstieg der Genossenschaften aus dem Mietrecht".

Dazu sind alle Mitglieder von Genossenschaften, auch bei denen noch keine Wohnwertmiete eingeführt wurde, eingeladen.

 

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