MieterEcho
Nr. 285 - Mai/ Juni 2001

Land unter in Neukölln?

 

Volker Eick

Die Wohnungsbaugesellschaft Stadt und Land spielt "Soziale Stadt"

Gut zwei Jahre laufen jetzt das Bund-Länder-Programm "Soziale Stadt" und die verschiedenen Länder-Initiativen, zu denen in Berlin das "Quartiersmanagement", in Nordrhein-Westfalen das Programm "Stadtteile mit besonderem Erneuerungsbedarf" und in Bremen "Wohnen in Nachbarschaften" gehört. Ziel all dieser Programme, so steht es geschrieben, ist die Verbesserung der Lebenssituation von Menschen in benachteiligten Stadtquartieren. Die Aktivierung quartiersspezifischer Ressourcen und insbesondere die Partizipation und Aktivierung von BewohnerInnen stehen dabei im Mittelpunkt. Allenthalben erscheinen Zwischenberichte, die, wenn in NRW auch als Hochglanzbroschüre, besonders durch ihre Inhaltsleere hervortreten. Was genau geschieht, bleibt auch im Zwischenbericht des Berliner Quartiersmanagement völlig unklar.

Eine Konferenz des Deutschen Instituts für Städtebau, die unter dem Titel "Wohnungswirtschaft im Strukturwandel" stattfand, lud in das Neuköllner Rollberg-Viertel zu einem Vororttermin ein, eine Veranstaltung, die etwas aus dem Ruder geriet.

Das im Norden Neuköllns gelegene Viertel mit seinen 5700 BewohnerInnen gehört zu den Berliner "Problemgebieten", so jedenfalls will es die derzeitige Stadtpolitik, und so sieht es auch die dortige Stadt und Land Wohnbauten-Gesellschaft mbH, die dort über etwas mehr als 2000 Wohnungen gebietet. Dort sind 1000 Menschen ohne Arbeit und 25% der Haushalte beziehen Sozialhilfe. Darüber hinaus stehen bei einem anhaltenden Abwanderungstrend derzeit zehn Prozent der Wohnungen leer. Aber solche Zahlen konnten die u.a. aus Potsdam, Halle und Schwerin angereisten Verwaltungsangestellten, die z.T. mit Leerstandsraten von 30% und deutlich höheren Arbeitslosenzahlen konfrontiert sind, nur wenig beeindrucken. Die Dramatisierung des vortragenden Sozialmanagers von Stadt und Land fiel auf keinen fruchtbaren Boden; auch die vierstöckigen Gebäude galten ihnen eher als "putzig" im Vergleich ihrer zum Abriss vorgesehenen Plattenbauten mit bis zu zwölf Stockwerken.

In den Fängen der Ethnien

Auch sonst fand die Delegation des Instituts in dem dortigen Sozialmanager zwar einen auskunftsfreudigen Mitarbeiter, doch ließ er als Mann von Stadt und Land am Quartiersmanagement - dem eigentlichen Thema des Nachmittags - kaum ein gutes Haar. Das beauftragte privatwirtschaftliche Büro schaffe zwar "aufgeblasene Propagandaveranstaltungen", die wirklichen Mühen der Ebene aber, so der gelernte Soziologe, durchschritten Stadt und Land sowie u.a. der Beschäftigungs- und Qualifizierungsträger Bequit gGmbH. Während der Schwerpunkt seiner Arbeit in der Aktivierung der Bevölkerung liege und beim "riesigen Ausländerproblem", hätte Bequit die Vermittlung von Langzeitarbeitslosen in Lohnarbeit auf ihre Fahnen geschrieben. Dabei legt Bequit - und die Wohnungsbaugesellschaft - Wert darauf, dass die Beschäftigungsmaßnahmen in der Rollberg-Siedlung umgesetzt werden. Nicht zuletzt, weil so die Wohnungsbaugesellschaft allein im vergangenen Jahr 35% der Kosten für Renovierungs- und Instandhaltungsarbeiten einsparen konnte, denn Fassadenisolierung und -gestaltung, Instandsetzung sowie Begrünung im Wohnumfeld werden von billigen ABM-Kräften übernommen, die das Arbeitsamt bezahlt.

Wohnungsleerstand und "Ausländerproblem" stehen für den Sozialmanager in einem engen Zusammenhang: Zwar ließen sich die leeren Wohnungen ohne Probleme sofort vermieten, aber "arabische Familien nehmen wir hier nicht mehr." Auch Türken, wenn nicht alevitischen Glaubens und daher vermeintlich "integrationsfähiger", so der diplomierte Wissenschaftler, haben bei seinem Auftraggeber keine Chance mehr auf eine Wohnung - 35% Ausländer seien genug oder zuviel oder aber irgendwie, auf jeden Fall... - schwierig. Merklich verhedderte sich der Vortragende in seinen ethnischen Zuschreibungen. Das ist nicht ganz ohne Ironie, hatte Boltz doch noch im vergangenen Sommer auf einer Veranstaltung unter dem Titel "Soziales Wohnen - Vision oder Illusion" vehement gegen Genossenschaften und für Wohnungsbaugesellschaften argumentiert: Genossenschaften seien, so Boltz, "mittelschichtsorientierte Gesellschaften, bei denen etwa Ausländer kaum Chancen hätten, dort mit Wohnraum versorgt zu werden." Der Nachfrage eines Zuhörers auf dem Rundgang durchs Quartier, ob die Praxis von Stadt und Land nicht als rassistische Belegungspraxis bezeichnet werden muss, widersprach er nicht.

Ein ausgezeichnetes Projekt

So erscheint es auf ersten Blick erstaunlich, dass die Aktivitäten in der Rollberg-Siedlung vom Wettbewerb "Soziale Stadt 2000" als "vorbildlich" eingestuft und mit einem Preis bedacht wurden, um den sich 101 Projekte aus ganz Deutschland beworben hatten: "Das Konzept eines umfassenden Quartiers- und Sozialmanagements stützt die gute Nachbarschaft in den Quartieren und die Akzeptanz der Bewohner untereinander", heißt es etwa in der Begründung für die Auszeichnung. Tatsächlich ist Überraschung nur auf den ersten Blick angebracht, denn die soziale Durchmischung ist erklärte Absicht von Initiativen wie der "Sozialen Stadt" und richtet sich damit letztlich gegen MigrantInnen und an eine mittelstandsorientierte Mehrheits-Gesellschaft:

"Das Ziel einer veränderten Bevölkerungszusammensetzung versucht man häufig auch durch eine Steuerung des Zuzugs in benachteiligte Quartiere zu erreichen. Dabei kooperieren Wohnungs- und Sozialämter sowie Wohnungsbaugesellschaften mit dem Ziel, als problematisch eingeschätzte MieterInnen zur Gewährleistung ‚verträglicher Nachbarschaften' nicht in bestimmte Areale ziehen zu lassen. Die Problematik solcher technokratischen Instrumente einer vorbeugenden sozialen Kontrolle liegt auf der Hand", beschreibt der in Frankfurt/Oder lehrende Wissenschaftler Stephan Lanz diese Praxis.

Stadt und Land, heißt es in deren Selbstdarstellung, beschränkt ihren "Einsatz nicht auf bauliche und investive Maßnahmen, sondern sie berücksichtigt auch die sozialen Belange der Mieter" und "realisiert seit 1998 gemeinsam mit den Bewohnern maßgeschneiderte Aktionen zur Aufwertung der Rollberg-Siedlung." Wie "maßgeschneidert", das musste auch ein anwesender Vertreter des Sozialpädagogischen Instituts SPI erfahren, das auch im Quartiersmanagement aktiv ist, als der Referent bekannte, es gebe zwar drei Mieterberatungen - eine deutsche, eine arabische und eine türkische -, doch habe die deutsche Mieterberatung mit einem Veto die Einrichtung einer türkischsprachigen Mieterberatung verhindert. Gegen den Willen der Deutschen traue sich Stadt und Land nicht, dem Wunsch der türkischen MieterInnen nachzukommen. Konsequent lässt die Wohnungsbaugesellschaft in ihrer Hochglanzbroschüre denn auch einen türkischen Mieter sagen, er "habe etwas dagegen, wenn sich Türken in Deutschland nicht anpassen. Das heißt nicht, dass sie ihre Kultur aufgeben sollen, aber sie sollen sich hier integrieren." Offenbar auch um den Preis der eigenen Sprache.

Mit dieser Praxis ist Stadt und Land nicht allein und auch voll auf der Linie einer Studie, die der einflussreiche Gesamtverband der Wohnungswirtschaft (GdW) 1998 unter dem Titel "Überforderte Nachbarschaften" herausbrachte. Munter wird dort mit Begriffen wie "asoziale Familien" oder "Ausländer und Aussiedler mit schmarotzerhaften Verhaltensweisen" hantiert.

Der in solchen Studien auch zum Ausdruck kommende Rassismus unterfüttert damit eine offensichtlich preiswürdige Praxis.

 

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