MieterEcho
Nr. 278 - März/ April 2000

Eine faire Chance für Genossenschaften?

 

Auf den Seiten der Bezirkskorrespondenz kommen Mieterinitiativen und Bezirksgruppen zu Wort. Die Berliner MieterGemeinschaft ist sehr daran interessiert, jenen die direkt und existenziell von den Veränderungen um und in ihrer Wohnung betroffen werden, einen Raum zu gewähren, der nicht durch andere beispielsweise voyeuristische Interessen bestimmter Medien verzerrt wurde. Und wir stellen fest: die Aktivitäten gelten in der überwiegenden Anzahl der Fälle der Abwendung neuer Kapitalverwertungsstrategien, die sich grundsätzlich auf das Mietsystem insgesamt auswirken.

MieterInnen müssen sehr auf Draht sein, damit ihnen niemand vorgaukeln kann, sie könnten als organisierte Hausgemeinschaft zum Beispiel im Rahmen einer Genossenschaft die gesellschaftlich voranschreitende Entsolidarisierung aufhalten; ihr vor der eigenen Haustür Einhalt gebieten. Gern wird dann so getan, als wenn ihr Engagement die Grundlage des Gemeinwesens schlechthin und die letzte Möglichkeit darstellen würde, die unvermeidliche Verdrängung der sozial schwächeren und armen Bevölkerungsschichten abzuwenden.

Die Berliner MieterGemeinschaft freut sich über jegliche Aktivitäten den Kapitalverwertungsprozess im Zaum zu halten, warnt jedoch auch vor all zu eifriger Unterstützung von Alternativen, die sich letztendlich doch nur im engen Korsett der gesellschaftlichen Verhältnisse tummeln können.

Denn auch Genossenschaften - oder gerade die härter als große Wohnungsbaugesellschaften - werden ,rechnen' müssen. Und arme Mieter in billigen Wohnungen rechnen sich nun mal weniger als verkaufsträchtig ausgebaute Dachgeschosse, aus deren Erlös man die notwendige Instandsetzung der Fassade zu bezahlen trachtet. Da entstehen schnell Interessengegensätze und das eigene Treppenhaus wird zum "gefährlichen Ort".

 

Eine faire Chance für Genossenschaften?

Die Mieter der "Bremer Höhe" kämpfen gegen Umwandlung Von Christof Schaffelder

Jeder weiß es: Die Privatisierung von landeseigenen Wohnungen heißt im Klartext, es wird vor allem an "Zwischenerwerber" privatisiert, die die Wohnungen dann mit entsprechenden Profitraten vor allem an auswärtige Kapitalanleger veräußern. Die Folge: Die Mieten steigen, die Wohnsituation wird von den Mietern als bedrohlich wahrgenommen, viele Mieter suchen woanders eine Bleibe, und das nicht unbedingt in Berlin. Das ursprüngliche Ziel der Privatisierungskampagne ist zumindest in einem Punkt gescheitert: langjährig gewachsene Nachbarschaften zu stabilisieren. Die Privatisierung treibt eher Steuerzahler aus der Stadt, als dass sie sie bindet. Dennoch dreht sich das Privatisierungskarusell lustig weiter.

Der Fall: WiP

Im Prenzlauer Berg schloss die WiP (Wohnungsbaugesellschaft im Prenzlauer Berg) im Dezember einen Kaufvertrag mit dem "Bauverein zu Hamburg" über insgesamt 514 Wohnungen der Wohnanlage "Bremer Höhe", im Sanierungsgebiet Helmholtzplatz, zum Zweck der Sanierung und Umwandlung in Eigentumswohnungen. Der Bauverein wittert ein gutes Geschäft. Im Sanierungsgebiet gelten Sonderabschreibungen, mit denen sich Anleger aus ganz Deutschland locken lassen. Zudem schwimmt die Hamburger Aktiengesellschaft nach ihrem Gang an die Börse in Geld, sie kann die Kaufsumme also ohne große Kreditaufnahme aufbringen. Insgesamt 27,75 Millionen DM oder rund 850 DM/m2 sind ihr die unsanierten Altbauten wert.

Doch warum steht die WiP unter Druck? Noch in diesem Jahr soll sie von der Schwesterfirma WIR (ehem. Neue Heimat) übernommen werden. Für dieses "In-Sich-Geschäft" sollen 50 Millionen DM an den Landeshaushalt fließen. Die WIR ist jedoch nicht in der Lage, diesen Preis zu zahlen, sie hat praktisch keinerlei Reserven. Weil aber die WiP die Bremer Höhe erst 1998 nach einem Rechtsstreit über Restitutionsansprüche übernommen hat, ist die Immobilie noch nicht mit Hypotheken belastet. Was liegt da näher als ein Verkauf, auch wenn der nach dem Altschuldenhilfegesetz abgerechnet wird und 50% des Kaufpreises an den Erblastentilgungsfonds weitergereicht werden muss.

Mieter wollen bleiben

Die Bremer Höhe liegt im Sanierungsgebiet Helmholtzplatz, dessen soziale Zusammensetzung als bedroht gilt. Um das Gebiet vor dem "Umkippen" zu bewahren werden hier nicht nur öffentliche Fördermittel für die Sanierung gewährt, es wurde auch ein sogenanntes "Quartiersmanagement" eingerichtet, das den sozialen Zusammenhalt stabilisieren soll. Die Umwandlung und Veräußerung der 514 Wohnungen der Bremer Höhe würde diesen sozialen Zusammenhalt aber mit Sicherheit schwächen: unmittelbar nach dem Bekanntwerden des Immobiliendeals hat die Auszugswelle eingesetzt. Die Zerstörung des über lange Jahre gewachsenen nachbarschaftlichen Beziehungsgeflechtes, kann aber auch noch so viel Quartiersmanagement nicht wieder herstellen.

Den Mietern gefällt das Spiel mit ihren Wohnungen daher gar nicht. Rund 100 Wohnungen stehen schon jetzt oder demnächst leer. Ein anderer Teil jedoch hat die Initiative zum Bleiben ergriffen. Nachdem Ende Oktober 1999 die ersten Informationen über den bevorstehenden Verkauf der Wohnanlage durchgesickert waren, hat sich aus der Nachbarschaft heraus eine Genossenschaftsinitiative gegründet. Auf Mieterversammlungen mit rund 350 Anwohnern wurde ausgelotet, dass die Bereitschaft da ist, die Wohnanlage selbst in genossenschaftlicher Form zu erwerben, zu sanieren und zu betreiben. Unterstützt werden die Mieter dabei von einem regelrechten Netzwerk, das sich in den letzten 10 Jahren im genossenschaftlichen Bereich gebildet hat. Andere Genossenschaften, der alternative Prüfverband, Betroffenenvertretungen, Bezirkspolitiker und Abgeordnete aus dem Berliner Abgeordnetenhaus (hier vor allem Bernd Holtfreter, der baupolitische Sprecher der PDS) halfen nicht nur mit verbaler Unterstützung. In kurzer Zeit gelang es, in der Öffentlichkeit politischen Druck zu entfalten. Dennoch schloss die WiP im Dezember den Kaufvertrag. Eine Klausel, nach der sie wieder zurücktreten kann, wenn bis zum 30. April die Genossenschaft ein gleichwertiges Angebot vorlegt, wurde jedoch eingefügt. Darauf gründen sich jetzt die Hoffnungen der Wohnungsbaugenossenschaft Bremer Höhe, die sich Ende Januar mit über 50 Gründungsmitgliedern offiziell konstituierte.

Senator solidarisch?

Obwohl es fast aussichtslos erscheint, bis Ende April knapp 30 Millionen DM aufzutreiben, stehen die Chancen gar nicht so schlecht. Eine Bank, die Depfa-Bank aus Wiesbaden, hat bereits aktives Interesse gezeigt. Sie finanziert u.a. die Voruntersuchungen, die notwendig sind, um den erforderlichen Sanierungsaufwand und damit die Gesamtkosten zu ermitteln. Auch im parlamentarischen Raum regt sich etwas. So gelang es, den neuen Fraktionsvorsitzenden der SPD, Wowereit, bei einer Veranstaltung des "Stadtforum von Unten" für die Genossenschaft zu begeistern. Stadtsoziologe Prof. Häußermann von der Humboldt-Universität nahm die Bremer Höhe in einem Grundsatzartikel in der Berliner Zeitung zum Anlass einer Generalkritik an der Baupolitik in Berlin. Und "Supersenator" Strieder (SPD) reagierte schließlich: In einer Presseerklärung erklärte er sich solidarisch mit den Genossenschaftlern. Vor dem Abgeordnetenhaus forderte er die Unterstützung des gesamten Senates, wohlwissend, dass dessen Vertreter im Aufsichtsrat der WiP dem Kaufvertrag mit dem "Bauverein zu Hamburg" bereits zugestimmt hatten.

Die Frage ist nun, wie weit diese Unterstützung über bloß verbale Willensbekundungen hinausgeht. Um der Genossenschaft eine Chance zu geben, ist nämlich nicht nur die öffentliche Förderung der Sanierungsmaßnahmen notwendig, bei der 60% der Sanierungskosten übernommen werden. Auch der Kaufpreis ist in dieser Höhe von der Genossenschaft über marktübliche Kredite nicht zu finanzieren, die geringen Mieteinnahmen vor der Sanierung und die durch Mietobergrenzen und Förderprogramme gekappten Mieteinnahmen danach lassen die Refinanzierung dieser Kredite nicht zu. Vom Senat wird hier auch finanziell Handlung gefordert.

Dann könnte die Sache einen positiven Effekt weit über die Bezirksgrenzen des Prenzlauer Bergs hinaus haben: Wenn ein Modell entwickelt wird, das Genossenschaftsinitiativen bei Privatisierungen landeseigener Wohnungen eine faire Chance einräumt.

Wohnungsbaugenossenschaft Bremer Höhe i.G.: Schönhauser Allee 59b, 10437 Berlin, Sprechzeit: Do., 18-20 Uhr.

Die Angelegenheit zieht weitere skandalöse Kreise:

In der Berliner Morgenpost vom 29. Feb.2000 war zu lesen, dass die im Kaufvertrag enthaltene Maklerklausel Fragen nach der Aufrichtigkeit der WIP bei der Zusammenarbeit mit der Genossenschaft aufwirft. Für den Verkauf an den Bau-Verein soll die eingesetzte Maklerfirma 230.000 Mark Courtage bekommen. Das ist an sich nichts ungewöhnliches, jedoch der Geschäftsführer der TREUCONSULT Immobilien GmbH ist gleichzeitig Geschäftsführer der WIP, Klaus-Dieter Friedland. In dem vorliegenden Kaufvertrag bekommt darüber hinaus der Bau-Verein von der WIP die ungewöhnlich kulante Vollmacht eingeräumt, noch vor Eintrag in das Grundbuch die Wohnanlage mit einem Grundpfandrecht bis zur Höhe von 71 Mio Mark zu belasten.

 

Aktivitäten aus Lichterfelde

Aus Lichterfelde erreichte die Redaktion ein Schreiben, das Aktive aus der Wohnanlage Finckensteinallee 1 bis 7 an die Senatsverwaltung versandt haben.

Hierin bemängeln die BewohnerInnen die Einteilung ihrer Wohnhäuser in die "gute Wohnlage" und erwarten stattdessen die Eingruppierung in die "mittlere Wohnlage".

Informierte Mieter wissen, dass sich daraus eine Veränderung des Mietspiegelfeldes ergibt, das wiederum maßgeblich für Mieterhöhungen ist.

Insbesondere wird in diesem Schreiben darauf verwiesen, dass die Häuser "am verkehrsturbulenten Kreuzungsbereich von Dakestraße und Hindenburgdamm einen Block" darstellen, "der sehr starkem Verkehrslärm ausgesetzt ist. Die Wohnsituation ist insofern sehr schlecht."

Des Weiteren verweisen sie darauf, dass "die Bewohner keinen Zugang zu S- und U-Bahn" hätten und "vor allem auf eine Buslinie angewiesen" seien, "um zu ihren angestammten Einkaufsbereich in der Schlossstraße Steglitz zu gelangen." Insgesamt betrachten sie begründet ihre Wohnlage hinsichtlich der Versorgung als schlecht.

Die Redaktion des ME begrüßt derartige Aktivitäten, wirkt gern unterstützend. Wir hoffen, dass die Lichterfelder Initiative Schule macht.

 

Spendenaufruf zur Freilassung von Harald G., Axel H. und Sabine E. !

Am 19. Dezember 1999 um 6.00 Uhr stürmten schwerbewaffnete Polizeieinheiten die Privatwohnungen von Axel H. und Harald G. in Berlin und Sabine E. in Frankfurt/Main und verhafteten sie.

Zeitgleich wurde die Umgebung des Mehringhofes in Berlin-Kreuzberg, die Arbeitsstelle von Axel H. und Harald G., von ca. 1000 Polizeibeamten umstellt. Die Beamten suchten im Mehringhof nach einem Sprengstoff- und Waffendepot.....gefunden wurde nichts.

Die Verhaftungen und Durchsuchungen wurden von der Bundesanwaltschaft damit begründet, daß die drei Mitglieder der Revolutionären Zellen bzw. der Roten Zora sein sollen. Es wird ihnen die Beteiligung an Aktionen gegen die staatliche Flüchtlingspolitik in den Jahren 1986/87 vorgeworfen. Die BAW stützt ihre Anschuldigungen auf Aussagen eines weiteren Inhaftierten, der im November festgenommen wurde, als Kronzeuge auftreten soll und seitdem den Staatsanwälten Geschichten erzählt.

Wir wenden uns an Dich /Sie mit der Bitte um Spenden für die Unterstützungsarbeit für die drei. Wir müssen in diesem Jahr etwa 140.000,- DM für die Deckung von AnwältInnen-, Reise- und sonstigen Unterstützungskosten auftreiben. Dieses Geld lässt sich nicht allein durch Basare und Solifeten beschaffen. Wir sind daher auf Eure / Ihre solidarische Hilfe angewiesen.

Jede Spende ist willkommen und eine Hilfe!

Vielen Dank für Eure / Ihre Unterstützung!

Spenden bitte auf das Konto:

Martin Poell

Postbank Berlin, BLZ 10010010, Kto.-Nr. 2705-104

Stichwort: Freilassung

Weitere und immer aktuelle Informationen findet Ihr / finden Sie unter: www.freilassung.de

Kontakt:

Bündnis für Freilassung

Gneisenaustr. 2a, 10961 Berlin, Tel./Fax: 693 83 18

Bürozeiten: Mo. 16.30 - 19.00 Uhr

E-Mail: info@freilassung.de

 

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