MieterEcho
Nr. 265 - November/Dezember

Mietenpolitiker - keine politischen Prokuristen!

        

Die bürgerlichen Politiker seien nur die politischen Prokuristen des Kapitals, wurde früher von Kommunisten aller Richtungen behauptet. Das klang irgendwie aggressiv, entschlossen, klassenkämpferisch. Inzwischen hat sich die Weltlage derart geändert, daß zwar die absolute Zahl der Kommunisten immens ab- dafür aber die Anzahl der Richtungen so stark zugenommen hat, daß auf eine Richtung im Schnitt nur noch zweikommasieben Kommunisten kommen. Und die haben anderes zu tun, als dem Problem nachzugehen, welche Rolle die Politiker in der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft, bzw. dem Spätkapitalismus bzw. im Verhältnis zum postfordistischen Akkumulationsregime spielen. Eine gute Gelegenheit also, die Frage ganz unbefangen und entspannt ohne ideologische Voreingenommenheit oder Besserwisserei an unsere kleine Berliner Wirklichkeit zu richten und sich von der Antwort überraschen zu lassen. Vorausgeschickt werden muß dabei selbstredend, daß solange jemand Politiker ist, sagen wir einmal im Range eines Senators oder eines wohnungspolitischen Sprechers einer Partei, eines Stadtrates oder in sonst einer bedeutungsvollen öffentlichen Funktion wie Staatssekretär etc. pp., er natürlich nur seinen Wählern verpflichtet ist und dieser Verpflichtung auch mit Leib und Seele tagein tagaus rund um die Uhr nachkommt. Deswegen hätte er gar keine Zeit, als politischer Prokurist für das Kapital, oder in unserem Falle für das Grundeigentum, weil wir uns auf Mieten-, Wohnpolitiker bzw. Stadtentwickler beschränken wollen, noch nebenher tätig zu sein.

Nur, was passiert eigentlich danach?

Was wird aus einem Politiker, der sich nicht mehr für seine Wähler, und das sind die Mieter, die Arbeiter, die Angestellten, Bus- und Taxifahrer, Rentner, Schüler, Zeitungsleser, ach Gott ja, all die Leute, denen man in der U-Bahn so begegnet und die man als Bevölkerung bezeichnet - in der DDR nannte man sie "unsere Menschen" - was passiert eigentlich mit dem Politiker, wenn er sich nicht mehr für die Bevölkerung aufopfern darf?

Licht ins private Dunkel

Weil wir es ihnen schuldig sind, wollen wir wenigstens exemplarisch ein wenig wärmendes Licht in das kalte und geheimnisvolle Dunkel der sich dem stets gleißend hell erleuchteten öffentlichen Leben anschließenden privatwirtschaftlichen Existenz bringen.

Der Bürgermeister

Beginnen wir mit Walter Momper. Nachdem Momper - Sie erinnern doch Momper? der so gerne sein ganz persönliches Markenzeichen kreiert hätte und dem dazu der rote Schal einfiel, weil die Glatze schon von Telly Savalas, alias Kojak, so genial besetzt war, oder weil man ihn sonst immer mit Ralf Wolters verwechselt hätte - als Momper von Eberhard Diepgen im Amte des Regierenden Bürgermeisters abgelöst worden war, trat er nicht eine Karriere über die Stationen Arbeitsloser und Sozialhilfeempfänger ins gesellschaftliche Abseits an, sondern als Geschäftsführer bei Ellinghaus, jenem Senkrechtstarter im Immobilienbereich, der einst CDU-naher Fernsehmoderator in Hamburg gewesen war und bald schon Milliarden im Grundstücksgeschäft kontrollierte. Es spielte dabei keine ausschlaggebende Rolle, daß Ellinghaus zu jenen Größen in der Stadt gehört, deren Wirken nicht von allen als gleichermaßen gemeinnützig eingeschätzt wird und der dem Begriff Spekulant eine sehr elitäre Bedeutung zu verleihen vermochte. Die Senatoren

Wer von Momper spricht, kann von Nagel nicht schweigen. Wolfgang Nagel leitete Mompers Wahlkampf, wurde nach gewonnener Wahl Senator für Bau- und Wohnungswesen und war dies sieben Jahre lang, bevor er sein Amt an Klemann übergeben und endlich Berliner Geschäftsführer der Fundus-Gruppe werden durfte. Anno August Jagdfeld, der "Anlagekönig", Investor des Adlon, des mittleren Blocks in der Friedrichstraße (dem gezackten) und demnächst wahrscheinlich des Tacheles, ist jetzt sein Chef. Für ihn soll Nagel "Bauprojekte anschieben, Büros vermarkten und Mieter suchen" (E. Schweitzer). Na, wenn das nichts ist! Volker Hassemer war Nagels Pendant auf dem Posten des Stadtentwicklungssenators, also der Vorgänger von Strieder. Nach seiner gesellschaftlichen Arbeit als "Schöngeist", der "den Tiger reiten..." wollte, erschließt sich ihm jetzt eine Karriere als Geschäftsführer der Marketinggesellschaft "Partner für Berlin". Diese halböffentliche Gesellschaft ist ein Gemeinschaftsunternehmen, getragen von dem Investor Daimler Benz, der ABB, dem Großinvestor Roland Ernst, der Bankgesellschaft Berlin, der Grundkreditbank, der VEBA, dem zukünftigen "global player" auf dem Immobilienmarkt, und vielen anderen vom Geschäft rund um die Immobilie gut verdienenden Unternehmen und Persönlichkeiten. Harry Ristock, selig, "Alt-Linker" in der SPD und Bausenator vor der Wende, soll hier nur kurz erwähnt werden. Ihm, der etwas unter dem in Kreisen Berliner Prominenz nur allzu verbreiteten juhnkeschen Syndrom litt, gelang der Sprung in die Wirtschaft als Vertreter für eine hauptsächlich Fensterrahmen offerierende Baufirma. Klaus Riebschläger gehörte als Finanzsenator dem Senat des Dietrich Stobbe an. Nachdem der sich u.a. wegen seiner seltsamen Verknüpfungen mit dem stadtbekannten Architekten und Bankrotteur Dietrich Garski auflösen mußte, hatte sich Riebschläger (Markenzeichen Zigarre, weil er so gerne mit Churchill, aber nicht mit Ralf Wolters verwechselt werden wollte) erst auf dem Posten des Bausenators zu bewähren, bevor er das Amt als Vorstandsvorsitzender der Wohnungsbaukreditanstalt übernehmen konnte und jetzt schließlich in der Friedrichstraße in der ungemein erfolgreich Investoreninteressen vertretenden Großkanzlei Knauthe tätig sein darf. Allein Klaus Franke, CDU Ex-Bausenator, bei dem sich im Zusammenhang mit dem Antes-Skandal auf nicht glaubhaft erklärte Weise DM 800.000 zuviel auf dem Konto befanden, mußte zwar seinen Posten räumen, brachte es aber nicht fertig, Befriedigung in der freien Bauwirtschaft zu finden. In Frankfurt/Oder fronte er als Stadtrat und die Frankfurter erinnern sich noch gerne seiner launigen Amtsführung, die der berliner Klingbeilgruppe den 'Platz der Republik' zu einem echten Schnäppchen beschert hatte. "Verärgert waren die Frankfurter aber erst," so E. Schweitzer, "als die 'Sorat GmbH' des Westberliner Unternehmers Helmuth Penz (alter Garski-Partner, d. A.) auf Initiative von Franke das Naherholungsgebiet 'Helenesee' pachten konnte. Der Vertrag wurde auf zwanzig Jahre abgeschlossen. Die Pacht für das 500 Hektar große Areal betrug nur 100.000 Mark im Jahr, während Penz den Erholungsuchenden bis zu 2.500 Mark für einen Wohnwagenstellplatz abknöpfte. Die empörten Bürger vermuteten (wohl zu Recht, d. A.) daß alte Bekanntschaften unter den Westberlinern eine Rolle gespielt hatten. Klaus Franke mußte im Mai 1991 als Stadtrat zurücktreten. Heute ist er Vorsitzender des Hauptausschusses im Berliner Abgeordnetenhaus und noch immer nicht in der Bauwirtschaft, wo er doch eigentlich hingehörte.

Und andere

Dafür hat es der ehemalige Staatssekretär von Wolfgang Nagel, Hans Görler, besser erwischt. Er ist in leitender Position bei der Bankgesellschaft Berlin für Modernisierung und Stadterneuerung tätig und damit der Chef des ehemaligen Prenzlberger Stadtrates Mathias Klipp. Erich Jesse, persönlicher Referent Nagels mit Kreuzberger Hausbesetzererfahrung, macht sich für die ECE-Projektentwicklungsgesellschaft - einer Tochter des Otto-Versands und zuständig u.a. für das Geschäftshaus Friedrich-/Leipziger Str. u.a. - nützlich.

Nur ein Volontariat

Doch, um zu den Kommunisten zurückzukommen: Gottfried Kroschwald z.B., SED-Bürgermeister von Mitte zu Wendezeiten, wechselte als Geschäftsführer zu Thomas Kröning (Import-Export), der bald nach der Wende Partner der Klingbeil-Gruppe wurde. Kroschwald hat damit auch seinen persönlichen Beitrag zur Widerlegung der eingangs zitierten kommunistischen Behauptung geleistet. Politiker sind nicht die politischen Prokuristen des Kapitals. Sie werden es auch nicht. Allenfalls werden sie die Geschäftsführer. Und auch das nicht immer. Häufig geben sie sich mit wesentlich bedeutungsloseren Pöstchen zufrieden, wenn nur die Dotierung stimmt. Aber die Kommunisten sahen eben die ganze Welt und nicht nur die DDR-Wirtschaft durch eine rosarote Brille. Sie haben die bürgerlichen Politiker vollkommen überschätzt und auch deren politische Funktion. Es handelt sich nur um ein Volontariat. Eigentlich könnte man sich an dieser Stelle fragen, wo ein Wohnungs-, Bau-, Stadt- bzw. Mietenpolitiker herkommen könnte, der nach Beendigung seiner politischen Amtszeit z.B. als Mieterberater arbeitet. Man könnte sich auch fragen, wie dessen Politik ausgesehen haben würde. Doch dafür bräuchte man wohl zuerst die Antwort auf die Frage, wie dessen Wähler beschaffen sein müßten.

Allen Angaben haftet etwas Zufälliges an. Sie sind vollkommen unsystematisch dem Buch von Eva Schweitzer: Großbaustelle Berlin; Berlin, 1996, entnommen. Sollte ein ehemaliger Bausenator der letzten zwanzig Jahre unerwähnt geblieben sein, bitten wir um Entschuldigung und bieten an, das Versäumte schleunigst nachzuholen.

Joachim Oellerich


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