Mieterecho - Zeitung der Berliner Mietergemeinschaft e.V.

Nr. 295/ 2003

Privatisieren - Strangulieren

Zur Bilanz der Privatisierungspolitik

Gerlinde Schermer

Gerlinde Schermer, geboren 18.02.1956 in Stolberg/Harz, lebt seit 1987 in Berlin. Seit 1990 ist die gelernte Finanzökonomin selbständige Steuerbevollmächtigte. Nach ihren Eintritt in die SPD 1989 war sie u.a. von 1991 bis 1999 Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses und sie ist noch immer im Ausschuss für Wirtschaft und mit wechselnden Funktionen Mitglied im Landesvorstand der Berliner SPD. Seit 1998 ist sie eine der drei SprecherInnen des Donnerstagskreises.

Dieser Beitrag wurde in der Ausgabe NR 12/II der Reihe "Erkennen und Gestalten" des Donnerstagskreises - Vereinigte Linke in der Berliner SPD veröffentlicht.

Die wirtschaftliche und finanzielle Situation Berlins hat sich seit zwölf Jahren stetig verschlechtert: Hatte Berlin im Jahre 1990 Schulden in Höhe von 9 Mrd. Euro *, sind es nun über 40 Mrd. Euro. Hinzu kommt die 21,6-Mrd-Euro-Garantie für Geschäfte der Bankgesellschaft. Etwa 35 Mrd. Euro zusätzlicher Verpflichtungen aus dem Wohnungsbau schlagen jährlich mit rund 1,5 Mrd. Euro an Zinszahlungen zu Buche. Seit 1995 verspricht die SPD, sie werde die Finanzen ordnen und die Deckungslücke zwischen Einnahmen und Ausgaben "durch eine kontinuierliche Rückführung der Netto-Neuverschuldung" schließen und so im Rahmen "einer Spar- und Umstrukturierungspolitik aus eigener Kraft und sozial ausgewogen die Handlungsfähigkeit wiederherstellen". Bis zur Konsolidierung würden Verkäufe die Zwischenfinanzierung sichern. Zunächst sollte das Ziel der Konsolidierung bereits zur Jahrtausendwende erreicht sein, dann 2002, dann 2009 - und nun in unbestimmter Zeit. Die Berliner vermuten Pflaumenpfingsten.

Die bisherigen Lösungsvorschläge

Bis 1995 wurden die Probleme der Stadt durch Gigantomanie gelöst. Diese Methode ist zwischenzeitlich stillschweigend ad acta gelegt worden - ohne die notwendige Rechenschaft zu legen. Seither wird versucht, vor allem durch Abbau des öffentlichen Dienstes und durch Privatisierungen (Verkauf öffentlichen Eigentums) zu "konsolidieren". Die Privatisierung ist zum Kernstück der so genannten "Sparpolitik" geworden. Für kurze Zeit wurde behauptet, die Verkäufe würden der Überbrückung finanzieller Engpässe dienen, bis man zur "Konsolidierung" gelangt sei. In Wahrheit stand aber von Anfang an eine ideologische Position hinter der Forderung zu privatisieren. Dieses Konzept, das global angepriesen und umgesetzt wird, beschreibt Deutschlands bekanntester "Unternehmensberater", Roland Berger, wie folgt:

"Die hohe Staatsquote in der EU behindert Innovation und Wachstum. Sie lag im Jahre 2001 im EU-Schnitt bei 44,8 % (48,0% in Deutschland) gegenüber 29,6 % in den USA. Uns stehen nur 55 % unseres BIP (Bruttoinlandsprodukt) für Innovation und Wachstum zur Verfügung - den Amerikanern 70 %. Branchen wie das Bankwesen, Energie, Transport, Wasserversorgung, Abwassermanagement und viele andere sind weitgehend in Staatshand. Durch Privatisierung und Liberalisierung würden sie innovativer und produktiver, könnten schneller wachsen und unsere Bürger bei niedrigeren Preisen besser versorgen. Außerdem führt die hohe Staatsquote in der EU zu einer Wohlstands- und Einkommensumverteilung."

Unmissverständlich wird hier klar, dass die Verkäufe öffentlichen Eigentums das Ziel sind. Dass diese Maßnahmen der Konsolidierung der Staatsfinanzen dienen, wird von Herrn Berger nicht einmal in Erwägung gezogen. Da noch immer viele Politiker glauben, dieser Ideologie entsprechen zu müssen und sie den Bürgern als notwendige Schritte zur Haushaltskonsolidierung darstellen, ist es Zeit die Erfolge dieser Politik zu überprüfen. Als Erfolge betrachten wir allerdings nicht die "Einkommensumverteilung" zu Gunsten der von Herrn Berger beratenen Großkapitalisten.

Für uns sind Erfolge nur dann gegeben, wenn sie dem Gemeinwesen dienen.

Was haben die Privatisierungen erbracht?

Zu den Verkäufen wurde - wie bei Roland Berger - mit rosiger Zukunft und großartiger wirtschaftlicher Entwicklung durch "strukturelle Entscheidungen" gelockt. Die Frage nach dem tatsächlichen Ertrag der Verkäufe, ist leicht zu beantworten: Es ist der Kaufpreis, den die Privaten an die Staatskasse bezahlt haben. Und der messbare "Gewinn für den Staatshaushalt" liegt im Wegfall von Zinsleistungen, weil man in Höhe dieser Erträge keine Kredite aufnehmen musste. Von 1996 bis 2001 wurden die öffentlichen Betriebe Bewag, GASAG, die Berliner Wasserbetriebe und die GEHAG zu einem (Gesamt)-Preis von 4 Mrd. Euro veräußert. Das ergibt bei einem durchschnittlichen Zinssatz von 5,4 % rund 222 Mio. Euro als jährliche Haushaltsersparnis an Zinsen. Zu den volks- und betriebswirtschaftlichen Gesamtrechnungen gehören allerdings die entgangenen Erträge und der dauerhafte Vermögensverlust für das Gemeinwesen.

Die Bewag

Erinnern wir uns an den Bewag-Verkauf von 1997: Das Land besaß noch 50,82 % der Anteile. Diese wurden an drei Bieter verkauft: für 496 Mio. Euro erwarb der Konzern "Southern Company" mit 21,6% die wirtschaftliche Führung; 407 Mio. Euro zahlte die VIAG für 16% der Anteile, 302 Mio. Euro die VEBA für 13% Anteile. Insgesamt erbrachte der Verkauf der Bewag für das Land 1,17 Mrd. Euro. Der Haupt-Erwerber, die "Southern", heute "Mirant", versprach, Berlin zum Ausgangspunkt der Expansion eines weltweit agierenden nordamerikanischen Stromkonzerns für Osteuropa zu machen. Was geschah tatsächlich? Die "Mirant" zog sich im Jahre 2001 nach Amerika zurück, nicht ohne den "abartig hohen Preis" (so die Konzern-Chefin Marce Foller) von 1,71 Mrd. Euro mitzunehmen, den Vattenfall Europe für ihren Anteil bezahlte. Gekauft hatte "Southern" für 496 Mio. Euro - investiert keinen Pfennig, denn schon den Anteilskauf finanzierte "Southern" mit einem Griff in die Bewag-Kasse. Der Reingewinn von 1,71 Mrd. Euro ging auf Kosten Berlins. Der ganze "deal" hatte für die Amerikaner nur ein einziges Ziel: Auf risikolose Weise bei den dummen Deutschen Geld abzuzocken.

Heute bangt Berlin: Wo wird der neue Eigentümer, Vattenfall Europe, der nun über den Hamburger Energieversorger HEW zu 89 % an der Bewag beteiligt ist, seine Großkundenbetreuung ansiedeln? Und bleibt die Bewag tatsächlich auf Dauer als Regionalgesellschaft erhalten und ihr Vermögen im Unternehmen?

Die Zeichen stehen schlecht: Die Anlagen werden heute auf Verschleiß gefahren, bis die Turbinen platt sind. Wenn die Produktion zusammenbricht, macht das nichts. Vattenfall Europe verfügt über ausreichende Mengen an Atomstrom. Vorstandsvorsitzender Klaus Rauscher gibt deshalb auch keine Garantie für deren Fortbestand: "Kraftwerke laufen so lange, wie sie wirtschaftlich betrieben werden können." Das große Ausschlachten kommt noch. Das Datum steht sogar schon fest: Der 31.01.2003. Dann wird die Bewag im Staatskonzern Vattenfall aufgehen - mit Trennung von Vermögen und vom Risiko, dem Personal nämlich. Und dann erfolgt zunächst der Verkauf der nicht betriebsnotwendigen Grundstücke der Bewag. Das wird Hunderte von Millionen Euro bringen. Die gehen nach Schweden.

Die Arbeitsplätze hat man in der Bewag von 9591 (1997) auf 5040 (2002) also um 47 % abgebaut, 2007 sollen es noch 4350 sein. Die Kürzungen der Instandhaltungsleistungen (siehe oben) bringen dem Konzern Gewinne - Berlin aber den Verlust an mittelständischen Arbeitsplätzen. Das Vermögen der Bewag ist ausgeweidet worden: Um die Dividenden zu erhöhen, wurden 262 Mio. Euro der Rücklagen in 1999 auf das Grundkapital (nach dem die Dividende berechnet wird) "umgebucht". Der Gewinn für die Privaten durch diese "Aktion": 117 Mio. Euro - bei unverändertem Ertrag!

Das Land Berlin hatte 1996/1997 noch insgesamt 50,6 Mio. Euro aus der Bewag erhalten. Seit der Privatisierung hat das Land statt der Dividende nur noch Strieders berühmte Mitspracherechte. Und die werden erwartungsgemäß nicht wahrgenommen. Die Preise der Bewag sind seit der Privatisierung gestiegen: 2001 gegenüber 2000 um 4,1 %. Einen Teil dieser Preiserhöhungen zahlt das Land Berlin - durch die Sozialhilfe.

Die Bilanz: Der Verkauf der Bewag hat 1,17 Mrd. Euro erbracht, er hat 4550 Menschen direkt und viele weitere mittelbar arbeitslos gemacht. Er bedeutete den Verzicht auf rund 25,6 Mio. Euro jährliche Dividende (128 Mio. Euro bis heute). Die Verbraucher zahlen mehr, die Steuereinnahmen sanken, Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe stiegen, Krankenkassen und Sozialsysteme werden zusätzlich belastet. Für Tausende Menschen und Familien ist das der Sturz in die Perspektivlosigkeit.

Die Berliner Wasserbetriebe

Der Teilverkauf der Wasserbetriebe, des größten kommunalen Wasserversorgungs- und Abwasserentsorgungsunternehmens in Europa, wurde damit begründet, dass dieser Berliner Betrieb über ein "Know-how" verfüge, das - durch einen Privaten vermarktet - bis nach China strahlen würde. Nachdem heute alle überregionalen Projekte in den Sand gesetzt worden sind, erarbeitete der Wirtschaftsberater der privaten Erwerber ein "Sanierungskonzept". Sein Inhalt: Die Wasserwerke sollen sich auf ihr regionales Kerngeschäft beschränken.

Die Wasserbetriebe wurden 1999 teilprivatisiert: 51 % der Anteile behielt das Land Berlin, das Übrige wurde zu gleichen Teilen an die Konzerne Vivendi und RWE verkauft. Der Erlös erbrachte 1,73 Mrd. Euro. Vivendi und RWE sind Konkurrenten, die sich nur in einem einig sind: Eine möglichst hohe Rendite zu erzielen. Schon ein Jahr nach dem Erwerb folgt, was wie ein Ganovenstück anmutet: Mit Bilanzfälschungen, mit dem geheimnisvollen US-Investor "Global Energy", dessen Engagement zum Kauf des Sekundärrohstoff-Verwertungszentrums "Schwarze Pumpe" sich alsbald in Luft auflöst, erreichte man enorme Gewinnausschüttungen an die Privaten und den öffentlichen Haushalt, obgleich kein Gewinn erzielt wurde. Das Geld war nämlich nicht geflossen. Das Cayman-Geschäft zum Verkauf der Berliner Bankgesellschaftstochter IBAG im gleichen Jahr lässt grüßen. Und damit nicht genug: Die Privaten bekommen vertraglich neben der Rendite einen Gewinnzuschlag von 2 % auf das von ihnen eingebrachte Kapital - und zwar 28 Jahre lang. Diese Vereinbarung hatte das Verfassungsgericht Berlin für verfassungswidrig erklärt. Dennoch wurde diese sittenwidrig anmutende Rendite gesichert. Das führt - so die Untersuchungen des Verbandes Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen - zu einer Verzinsung des eingebrachten Kapitals in Höhe von 20 %. Diese private Rendite muss erwirtschaftet werden. Und das wird zur Erhöhung des Wasserpreises von 20 bis 30 % im nächsten Jahr führen. Die Berliner werden sich wohl auch daran gewöhnen müssen, dass Bedürftige - wie das in London schon jetzt der Fall ist - erst dann spülen dürfen, wenn sie zunächst eine Münze in den Wasserspender geworfen haben.

Die wirtschaftlichen Folgekosten des Verkaufs waren verheerend. An den Wasserwerken, die jedes Jahr eine halbe Milliarde Euro für Instandhaltungen aufwendeten, hingen 10.000 außerbetriebliche Arbeitsplätze, zumeist in kleinen regionalen Betrieben, die tatsächlich Berlinerinnen und Berliner beschäftigten - und hier ihre Steuern zahlen. Diese Ausgaben wurden nach der Privatisierung sofort um die Hälfte auf 2800 Mio. Euro im Jahr 2000 gekürzt, was den Tod vieler dieser Betriebe bedeutete. Wird das aktuelle Konzept der Reduzierung auf das Berliner Kerngeschäft durchgesetzt, wird dieser Kahlschlag den Abbau mindestens weiterer 1300 Arbeitsplätze zur Folge haben.

Die GASAG

Die GASAG wurde im Juni 1998 privatisiert. Berlin besaß zu diesem Zeitpunkt noch 51,2 % der Aktien. Diese wurden an Gaz de France und an die Bewag verkauft. Das erbrachte 721 Mio. Euro. Von den 2568 Arbeitsplätzen im Jahr 1998 wurden bis heute 1381 Arbeitsplätze (53 %) "sozialverträglich" abgebaut. Durch die zu diesem Zweck mit den Gewerkschaften ausgehandelten Sozialpläne entstanden zunächst Verluste in Höhe von 285 Mio. Euro. Sie wurden durch die Erhöhung der Gas-Preise um 43,7 % bis 2001 "erwirtschaftet". Der Versorger GASAG rechnet mit weiter steigenden Preisen und Gewinn, der nunmehr - nach Ablauf der Sozialpläne - umso lebhafter in die Kassen der Eigentümer sprudelt. Anders werden das die Berliner sehen, deren Mietnebenkosten erheblich gestiegen sind und weiter steigen. Auch hier bezahlt das Land Berlin die Kosten soweit Sozialhilfebedürftige dadurch betroffen sind und auch hier fallen Steuern und Sozialleistungen weg.

Nun folgt ein besonderes Schelmenstück: Die GASAG war für 721 Mio. Euro dem Land abgekauft worden. Im Jahre 2000 verkauft der Erwerber das Gasnetz für 818 Mrd. Euro an die KG AL München, eine allgemeine Leasinggesellschaft, heute Kordax München. Da sie das Gas-Netz aber für den Betrieb benötigen, least es die GASAG von dem Erwerber für zwölf Jahre zurück. Sale-and-lease-back nennt sich diese "Geschäftspraxis". Nur damit es niemand überliest: Man kauft vom Land für 721 Mio. Euro und verkauft einen Teil des Erworbenen für 818 Mrd. Euro.

Der Erwerber muss den Kaufpreis schnell wieder hereinholen. Wenn der Konzessionsvertrag im Jahre 2008 abläuft, kann die GASAG die Anlagen zurückkaufen - wenn sie dazu finanziell in der Lage ist. Man braucht kein Prophet sein: Das wird teuer - und zwar für Berlin, denn die Stadt kann nicht zulassen, dass die Gasversorgung zusammenbricht. Immerhin: Annette Fugmann-Heesing nennt den GASAG -Verkauf eine "Erfolgs-Story"!

Die Berliner Bankgesellschaft

Mit Privatisierung der Bankgesellschaft Berlin schrieben die Verantwortlichen ein besonders schreckliches Kapitel Bankengeschichte. Allein für die Kapitalerhöhung 2001 wurden 1,79 Mrd. Euro Haushaltsmittel eingesetzt. Durch die Risikoabschirmung entsteht dem Land am Ende ein Verlust von mindestens 8 Mrd. Euro, im günstigen Fall verteilt auf 30 Jahre. Es können aber auch 23 Mrd. Euro werden. Die neueste Forderung: Zusätzlich eine Garantie über 5 Mrd. Euro für die Berliner Bank!

Eine Kontrolle gab und gibt es nicht! Deshalb fordert der Rechnungshof von Berlin die im Zuge der Bildung der Bankgesellschaft beseitigten Prüfungsrechte wiederherzustellen. Wird gar noch die Sparkasse verkauft, dann verzichtet Berlin auf ein wichtiges Instrument der Finanz-, Wirtschafts-, und Sozialpolitik.

Die Bundesdruckerei

Der Verkauf der Bundesdruckerei durch den Bund erweist, dass nicht allein "Berliner Unfähigkeit", sondern das System der Privatisierungen für den Staat und seine Bürger zum Misserfolg führt. Die Berliner Bundesdruckerei ist Ende 2000 von Hans Eichel privatisiert worden. Sie wurde von der Authentos-Gruppe für 1 Mrd. Euro erworben. Die Bundesdruckerei, in der Banknoten, Personalausweise und Führerscheine hergestellt werden, schrieb vor der Privatisierung schwarze Zahlen. 1990 beschäftigte die Druckerei noch 4000 Mitarbeiter, derzeit sind es noch 1690 (Abbau um 57 %). Die Authentos-Gruppe ist nach dem Erwerb in die finanzielle Schieflage geraten. Im August 2002 wurde die Zahlungsunfähigkeit abgewendet - durch Hilfe des Bundes. Immerhin wird hier Material von höchster Bedeutung für das Staatswesen hergestellt. Vor einem geplanten Weiterverkauf nach einer "Sanierung" wurde die Authentos-Gruppe vor kurzem auf einen Zwischenerwerber übertragen. Der neue Eigentümer, die JFVVG 39, hat die Bundesdruckerei nunmehr für einen Euro und Übernahme von 500 Mio. Euro Schulden erworben. Das Sanierungskonzept wurde von Roland Berger persönlich erarbeitet. Er verlangt den weiteren Arbeitsplatzabbau von ca. 300 Arbeitsplätzen. Eine "Expansion auf internationale Märkte erfordere wettbewerbsfähige Strukturen und niedrigere Kosten" - so der Vorstandsvorsitzende Ulrich Wöhr. Der Erfolg bleibt - wie immer - unwahrscheinlich. Man muss es sich auf der Zunge zergehen lassen: Da wird ein rentabler Betrieb verkauft. Es werden 2310 Arbeitsplätze abgebaut, bald werden es 2610 sein. Das sind gute Vollzeitarbeitsplätze gewesen, die Steuern und Sozialabgaben brachten. Was bleibt, ist ein Betrieb, der sich der vagen Hoffnung hingibt, "internationale Geschäfte" machen zu können. Im entscheidenden Augenblick freilich muss die öffentliche Hand zahlen, da staatliche Interessen unmittelbar berührt sind.

Das Fazit

Die Ideologen des Neo-Liberalismus wie Roland Berger versprachen: Mit der Privatisierung der Banken, der Energie, der Wasser- und Abwasserversorgung würden die Betriebe innovativer und produktiver, sie würden schneller wachsen und die Bürger würden bei niedrigeren Preisen besser versorgt.

Bei der Bankgesellschaft hofft Berlin mit einem Schaden von 8 Mrd. Euro davon zu kommen. Es könnten aber auch 23 Mrd. Euro und mehr werden. Der Betrieb soll gesund geschrumpft werden. 4000 Arbeitsplätze werden gestrichen. Die Leistungen für die Kunden werden abgebaut, das Filialnetz wird reduziert, die Gebühren werden erhöht. In allen Punkten das Gegenteil des Versprochenen.

Die Bewag wurde und wird ausgeraubt - und wir können zufrieden sein, wenn der Betrieb als regionaler Versorger erhalten bleibt. Auch hier in allen Punkten das Gegenteil des Versprochenen.

Die GASAG ist in einen "Flottenverband" zerhackt worden. Die Preise sind drastisch gestiegen. Auch hier in allen Punkten das Gegenteil des Versprochenen.

Die Berliner Wasserbetriebe sind nicht gewachsen, sondern reduziert worden. Die Preise werden dramatisch steigen. Auch hier in allen Punkten das Gegenteil des Versprochenen.

In keinem einzigen dieser Fälle hat die Privatisierung die versprochenen Vorteile erbracht. Damit wird deutlich, was die Strategen des Radikal-Kapitalismus als Erfolg bezeichnen: Sie wollen nicht nur 55 % des BIP zu ihrer Verfügung, sondern - wie in den USA - 70%. Mit "uns" meint Herr Berger also die "Innovatoren", die in Europa "schlechtere Renditeaussichten haben als in den USA."

Wir, die Bürger Berlins, sind definitiv nicht gemeint. Wir sind die Opfer einer solchen Politik, stellen das Kapital dar, das die Neo-Liberalen mit ihren "Strukturreformen" ausweiden wollen.

Die Folgen

Die Beseitigung der Arbeitslosigkeit ist das wichtigste Ziel sozialdemokratischer Politik. Die oben beschriebene Politik setzt aber auf die Vernichtung von Arbeitsplätzen.

Bei der Bewag wurden nach der Privatisierung 4550, bei der GASAG 1380 Arbeitsplätze vernichtet. Bei den Wasserwerken wurden direkt und indirekt 6000 Arbeitsplätze, bei der Bundesdruckerei 2160 abgebaut. Bei der privatisierten Wohnungsbaugesellschaft GEHAG wurden 200 Mitarbeiter eingespart. Die Landesbank Berlin-Girozentrale (Sparkasse) hatte 1996 noch 7130 Beschäftigte, 2001 noch 5781, also 1350 Mitarbeiter weniger (minus 19 %). Bei der Bankgesellschaft Berlin sollen bis 2005 insgesamt noch 4000 Arbeitsplätze wegfallen. Bei den Krankenhäusern wurde das Pflegepersonal um rund 6000 verringert. Insgesamt wurden durch die Politik der Privatisierung mindestens 25.000 Arbeitplätze vernichtet, direkt oder indirekt. Der Verlust von Arbeitsplätzen durch Kaufkraftverlust ist in diesen Zahlen nicht enthalten. Der Einzelhandel und das Gaststättengewerbe haben 58.000 Arbeitsplätze abgebaut.

Wie stark Frauen durch die Politik der Arbeitslosigkeit und sozialen Kürzungen betroffen werden, zeigt der Armutsbericht 2002 des Senats. In Berlin gab es im Jahre 2001 157.100 alleinerziehende Mütter. Unsichere soziale Verhältnisse und immer teurer werdende Kinderversorgungseinrichtungen haben zur Folge, dass sich Frauen ihren Kinderwunsch versagen. Das führte nach der Wende bis heute zu einem dramatischen Geburtenausfall, damit zu einem permanenten Sterbeüberschuss, Abwanderung von jungen gut ausgebildeten Frauen und sinkender Einwohnerzahl. Das spüren auch jene, die Politik nur mit dem Taschenrechner machen, beim Länderfinanzausgleich (Stadtstaatenprivileg). Frühere Generationen haben bewusst bestimmte Lebensbereiche dem kapitalistischen Wettbewerb und der Konkurrenz entzogen. Auch kapitalistische Staaten haben erkannt, dass Wasser, Strom, öffentlicher Verkehr, Entsorgung und Gesundheit zu Bereichen gehören, in denen sich die Gesellschaft in die Zwangshaft weniger begibt, wenn sie das Geschäft nicht selbst betreibt. Anderswo wird enteignet oder wie in England rekommunalisiert: Es gab ein "Nein" zur Privatisierung der Londoner U-Bahn. Die Schweizer haben im September 2002 mit einer Volksabstimmung das "Gesetz über den Strommarkt", welches die Privatisierung vorsah, mit großer Mehrheit abgelehnt.

Die Bilanz der Berliner Privatisierungspolitik ist eine Katastrophe. "Neue zukunftssichere Arbeitsplätze" wurden versprochen, mindestens sollten die verbleibenden gesichert sein. Nichts davon ist erreicht worden. Nicht die öffentlichen, sondern die privaten Finanzen der beteiligten "Investoren" haben eine nachhaltige Konsolidierung erfahren. Nach sieben Jahren melden GASAG, Bewag, Bankgesellschaft und Wasserwerke unverändert Stellenstreichungen. Neue zukunftsfähige Arbeitsplätze - Fehlanzeige. Nicht einmal die vertraglich vereinbarten Versprechungen sind erfüllt worden.

Es war und ist eine Politik gegen sozialdemokratische Prinzipien - ohne Rechtfertigung.

*) Soweit Beträge in DM angeben waren, wurden diese von der Redaktion in Euro umgerechnet.

(Das MieterEcho berichtet zur Bewag auf S. 4 ff in diesem Heft; zu den Berliner Wasserbetrieben siehe auch MieterEcho Nr. 291, zur GASAG Nr. 292 und 293, zur Bankgesellschaft Nr. 284, die Red.)