MieterEcho
Nr. 270 - August/September 1998

Leserforum: Klassenkampf von Oben

"Vor einiger Zeit erhielt ich die beiliegende Werbung vom Verlag praktisches Wissen. In dieser wird die "Neue Vermieter- und Hausverwalter-Praxis" angepriesen, mit Hinweisen, wie man MieterInnen austricksen oder "gute" wie "schlechte" MieterInnen erkennen kann. Im weiteren rühmt sich der Autor, Dr. Manfred Jahrmarkt, mit "Tricks" zur Geldmaximierung und Beschränkung der Rechte und Freiheiten von MieterInnen. Ich empfinde den Inhalt der Werbung als höchst unseriös, kriminell und beleidigend gegenüber MieterInnen. Ein Schreiben mit dieser Einschätzung habe ich bereits an den Verlag gesandt. Vielleicht ist die Lektüre auch für Ihre Arbeit interessant, um uns in Zukunft vor solchen menschenverachtenden Praktiken zu schützen."

Dies schrieb uns Wulf-Holger Arndt, dem wir hiermit herzlich danken, und fügte die anstössige Werbeschrift bei.

Würde es nicht zuviel Raum einnehmen, mü;sste man sie komplett veröffentlichen. Beschränken wir uns aber auf kurze Kostproben und beginnen mit dem "Zusatz-Geschenk" für denjenigen, der das oben genannte "Lexikon" zum Preise von DM 39,80 bestellt. Nicht weniger als "44 Musterbeispiele gerichtlich anerkannter Kündigungen durch den Vermieter" werden den klassen- und renditebewussten VermieterInnen grosszügig offeriert.

Die brauchen sie auch, denn die Werbung kündigt an: "27.537 Mark mehr, als erwartet, holt Vermieter Otto Gruber Jahr für Jahr aus seinen Wohnungen in München: Seine fünf wichtigsten Tricks erfahren Sie hier..."

Ganz entre nous geht es im Plaudertone weiter:
"Malen Sie sich das mal im Geiste aus .... aber bitte ärgern Sie sich nicht gleich: Ihr Mieter packt die ganze Wohnung mit Kisten, Säcken, Stangen und Tonnen voll. Ja, er macht eine regelrechte Rumpelkammer aus seiner Wohnung ... die ja eigentlich die Ihre ist. Sie werden jetzt noch lächeln und sagen: Dem Freundchen würde ich's zeigen. Der flöge bei mir sofort raus. Ich weis, das Sie so denken, liebe Leserin, lieber Leser, weil wohl 100 % aller Verwalter und Vermieter mit gesundem Menschenverstand so denken wie Sie. Aber es ist kaum zu glauben. Ein Richter gab dem schlampigen Mieter recht: 'Der Vermieter ist grundsätzlich nicht berechtigt, dem Mieter vorzuschreiben, wie dessen Wohnung auszusehen hat.' Mit anderen Worten: Der Herr Mieter darf sein Durcheinander weiter behalten.

Können Sie sich vorstellen, wie die fragliche Wohnung einmal beim Auszug aussehen wird? Katastrophal!"

Nach dieser Einführung in die geistige Verfassung "wohl 100 % aller Verwalter und Vermieter mit gesundem Menschenverstand" wundert es nicht, das MieterInnen nur als "böswillige Mieter" wahrgenommen werden, die sich "zwielichtige Gestalten" ins Haus laden. Aufklärung tut not über "die fiesesten Tricks der Mieter" und wie man ihnen begegnet, über die unglaublichsten Urteile der Gerichte und über die überraschendsten Kniffe, wie sich Instandhaltungskosten um bis zu 70 % verringern lassen.

Die aufgeklärten VermieterInnen "lassen es sich nicht mehr gefallen, das Mieter stundenlang mit Umzugsmöbeln, Fahrrädern und Kinderwagen die Flure verstellen." Weiterhin wird den VermieterInen gesagt, "Staunen Sie....

  • wie leicht Sie einen ewigen Störenfried in drei Monaten aus dem Haus haben
  • wie ein Profi-Trick säumige Mieter sofort wieder zahlungswillig macht,
  • wie Sie erreichen, das sich auch widerspenstige Mieter an die Hausordnung halten"

und vieles Nützliche mehr.

Für das Lexikon, diese im Klassenkampf VermieterInnen gegen MieterInnen so effektive Waffe mit 1.368 Seiten, sind DM 39,- gewis nicht zu teuer. Doch einen kleinen Trick in eigener Sache hat auch der Verleger, Dr. rer. pol. Manfred Jahrmarkt, noch auf Lager.

Der Kauf des kostengünstigen Werkes verpflichtet nämlich zur Abnahme der acht- bis zehnmal jährlich erscheinenden Ergänzungslieferungen von jeweils ca. 80 Seiten, zum Preise von 34,8 Pfennig pro Seite. Und das macht dan ca. DM 27,-- pro Lieferung, bzw. ca. DM 250,-- jährlich. Kein Wunder, das seine Kunden, die VermieterInnen, auf zusätzliche Einnahmen angewiesen sind. Aber Herr Dr. Jahrmarkt verspricht ja Ratschläge, wie sie sich die durch einen tieferen Griff in die Taschen der MieterInnen verschaffen können.

 
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