MieterEcho
Nr. 269 - Juni/Juli 1998

"Der kauft doch alles"

Mieter berichten von dem Stolz, mit dem der ca. 50jährige joviale Geschäftsmann über sein Imperium spricht. Ca. 40 Häuser sollen es bereits sein und in Kreisen Eingeweihter werden längst Vergleiche mit Scientology gezogen. Anwälte - pro und contra - finden Beschäftigung durch seine Tätigkeit und in der Presse und im Fernsehen erscheint er gern und oft, jedenfalls im türkischen Fernsehen und in der türkischen Presse und dort vornehmlich in den von ihm finanzierten Anzeigen. Kürzlich aber als "Hürriyet" sich kritische Gedanken über die Tätigkeit des Herrn machte und das auch den Lesern mitteilte, war er sehr betroffen und drohte - der Herr Kemal Degirmenci, der ehemalige Vorsitzende der türkisch-deutschen Unternehmervereinigung Berlin-Brandenburg.

Als Unternehmer betreibt er nicht nur die K. Degirmenci Hausverwaltung, die KEDIGI Wohnungsbewirtschaftungs GmbH, die DEGI BAU GmbH, sondern auch den JUPITER Fernsehdienst. Und dieser Fernsehdienst sorgte für Interesse in den Medien, als einer die Dienste des "Jupiterboten" in Anspruch nehmenden Rentnerin gezeigt wurde, wie sich aus einem kleinen Wackelkontakt in der Antennenzuleitung der Verkauf eines Vorführgerätes für DM 1.100, zwingend ergab.

Nun ja, geschäftstüchtig ist der Herr Degirmenci, zu verkaufen versteht er.

Sollte er jemals - was unwahrscheinlich ist - Referenzen benötigen, die Mieter in den von ihm gekauften Häusern stellen sie ihm problemlos aus.

So z.B. die in der Möckernstr. 68, der Yorckstr. 67, der Wilhelmshavener Straße 34 usw. usw.

Und so geht das Ganze vor sich:

Herr Degirmenci erwirbt die Immobilie. Bald darauf entwickeln sich Aktivitäten am Äußeren der Häuser, die man Fassadenrenovierung nennen könnte, stünden dem nicht fachmännische Bedenken entgegen. Die Fassade erhält einen Anstrich würde vielleicht ein Laie in Abwesenheit von Fachleuten sagen. Die allerdings gebrauchen dafür Bezeichnungen, die - veröffentlicht - Beleidigungsklagen zur Folge haben könnten. Fensterrahmen erhalten grundsätzlich nur einen Anstrich von außen, wobei die Fenster selbstredend nicht geöffnet werden. Wird einer der pinselnden Akteure unerwartet angesprochen, huscht er auf dem Gerüst sogleich von dannen und äugt aus sicherer Entfernung den Interventen furchtsam an.

Irgendwann aber verzieren die Degirmenciimmobilien in derart äußerlichem Glanze die städtische Umwelt, Urbanität verströmend.

Im Inneren der Häuser passiert nichts. Wasserhähne tropfen ungeniert weiter, Treppengeländer altern vor sich hin. Die Mieter lernen statt dessen nur die Kontonummer von Herrn Degirmenci kennen und sein Bedürfnis nach höheren Eingängen. Seine zügig versandten Mieterhöhungen sind allerdings in der Regel dem Grunde nach so ungerechtfertigt, daß man die eklatanten formalen Mängel großzügig übersehen kann, bevor sie dem Papierkorb überantwortet werden.

Da der - mit allem Verlaub - Fassadenpfusch nicht mieterhöhend wirkt und die Mieterhöhungen keine Rechtswirksamkeit erlangen, könnte Degirmencis Imperium krebsartig vor sich hinwuchern, ohne daß es jemanden störte. Wenn nicht irritierenderweise sehr bald Mitteilungen über Verkäufe der Wohnungen eingingen.

Die Preise machen stutzig. Sozialen Wohnungsbau aus den 50er Jahren zum Beispiel, unmodernisiert (nur von Außen aufgemotzt) und vermietet, bringt man üblicherweise nicht ohne Schwierigkeiten für ca. DM 3.000,- pro qm an die KäuferInnen. Herr Degirmenci jedoch scheint derartige Schwierigkeiten nicht zu kennen. Beim Blick auf die Käuferliste stutzt man wieder. Fast ausschließlich junge Leute oder gerade nicht der gehobenen Einkommensschicht Angehörige wikkeln mit Herrn Degirmenci die Geschäfte über diverse hunderttausend Märker ab. Und es sind ausschließlich türkische Landsleute.

Etwa jene Migrantengruppe, die laut Presseberichten von Spiegel bis BZ oder auch in senatsfinanzierten Untersuchungen über die "Sozialorientierte Stadtentwicklung" als Indikator für die Verslummung von Kiezen herhalten muß, tritt hier als Urbanit und Gentrifizierer auf? Herr Degirmenci und seine Käufer scheinen die These der Ethnisierung sozialer Konflikte zu widerlegen. Oder?

Herr Degirmenci ist bekannt als Menschenfreund, Vereinsfreund um genauer zu sein. Er bemüht sich geradezu um das Sponsoring türkischer Fußballvereine. Und genau hier findet er die Ansprechpartner, denen er erklären kann, daß die Aufenthaltsgenehmigung positiv durch den Nachweis von Wohneigentum beeinflußt werden könne, daß er als Patron das Ganze besonders günstig beschaffen würde - völlig selbstlos versteht sich - und daß, alter ländlicher Sitte entsprechend, erst Grund- bzw. Wohnungseigentum den Mann zum Manne und die Familie zur Familie machen würde.

Offensichtlich nutzt Herr Degirmenci, daß die Käufer, qua Herkunft bereits ausgegrenzt, nach der vermeintlich einzigen Chance greifen? In jedem Fall merken die Käufer - wenn überhaupt - zu spät, daß die Preise besseres ermöglicht hätten, und daß die Wohnungen mit Mietern versehen sind, die überhaupt nicht daran denken, auf die Geschäfte des Herrn D. Rücksicht zu nehmen.

Und so ist es eben nicht verwunderlich, wenn der Haus- und Grundbesitzerverein der Euroim von Herrn Degirmenci gern noch ein paar Ladenhüter anbietet, denn "der kauft doch alles."

Herr Degirmenci gibt ein gutes Studienobjekt für alle diejenigen ab, die mit einer gewissen Leichtfertigkeit die Vorteile ethnischer Segregation anpreisen. Ein interessantes Beispiel für ethnische Ökonomie ist Herr Degirmenci und seine ganz offenkundig unaufgeklärte Käuferklientel gewiß. Die BMG kann nur alle ihre Mitglieder warnen, sich auf derartige Geschäfte einzulassen. Sie kann auch nur allen MieterInnen empfehlen, sich durch Herrn Degirmenci nicht zur Suche nach einer anderen Wohnung bewegen zu lassen.

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