MieterEcho
Nr. 268 - April/Mai 1998

Mietspiegel 1998
Der Mietspiegel mit seiner Umstellung von der Brutto- auf die Nettokaltmiete überrumpelt die Mieter in Westberlin

Die Berliner MieterGemeinschaft (BMG) hat dem vorliegenden Mietspiegel 1998 nicht zugestimmt. Dabei geht es nicht so sehr um den Mietspiegel selbst, als vielmehr um die einseitige Fixierung auf die Umstellung von der bisherigen Darstellung der Bruttokaltmieten noch im Mietspiegel 1996 auf die jetzt vorgelegte Darstellung der Nettokaltmieten. Diese Umstellung wird als eine eher technisch-methodische Angelegenheit vollzogen, dahinter verbergen sich aber mietenpolitische Aspekte, die einer gründlichen öffentlichen Erörterung bedurft hätten. Das ist jedoch nicht geschehen, und so ist der Übergang und die sich daraus ergebende Konsequenzen unverständlich. Zusätzlich von exorbitanten Mieterhöhungssprüngen in ausgewählten Marktsegmenten begleitet, werden sie für die betroffenen Mieter nur schwer nachvollziehbar sein.

Die Umstellung von der zu Grunde gelegten Bruttomietendarstellung auf die Nettomietendarstellung im Mietspiegel wird damit begründet, daß die Mehrheit der Mietverträge - nämlich 55% - bereits auf Nettokaltmieten und davon getrennter Abrechnung der kalten Betriebskosten abgestellt sind. Es verbleiben aber etwa 200.000 Mieterhaushalte, deren Verträge nach wie vor mit vereinbarter Bruttokaltmietzahlung abgeschlossen wurden. Diese Mieterhaushalte sind jetzt kaum mehr in der Lage, eine Mieterhöhungsforderung auf Basis der ortsüblichen Vergleichsmiete anhand des vorgelegten Mietspiegels '98 auf ihre rechtliche Zulässigkeit selbständig zu überprüfen.

Die BMG sieht ein Gefahrenmoment auch darin, daß die Vermieter nunmehr - auf der Grundlage einer langfristig angelegten Strategie - besonders die Bestandsmieter mit Bruttomietverträgen zur Umstellung der Mietverträge drängen werden. Mit dem Ziel, sich zum gegebenen Zeitpunkt komplett aus der Verantwortung hinsichtlich der Betriebskosten zu ziehen und die kommunalen Gebühren auf Direktabrechnung zwischen Mieter und den (jetzt noch) kommunalen Versorgungsbetrieben umzustellen. Damit wäre der bisher gemeinsame Widerstand gegen die kommunale Selbstbedienungsmentalität einseitig auf die Mieter abgewälzt.

Die aus Sicht der BMG unausgereifte schnelle Umstellung von der Brutto- auf die Nettokaltmietendarstellung im Mietspiegel verfolgt mit hoher Wahrscheinlichkeit auch den Zweck, möglichst frühzeitig eine Vereinigung der beiden Berliner Mietspiegelgebiete West und Ost zu befördern. Denn der Ost-Mietspiegel basiert bereits auf Grundlage der Nettokaltmiete. Insofern werden die Zahlen vergleichbarer und die Folge wird sein, daß bei der Bildung der (gemeinsamen) ortsüblichen Vergleichsmieten die Westberliner Altbaumieten auf das höhere Mietniveau der östlichen Vergleichswohnungen und im Gegenzug die Ostberliner Neubaumieten dem höheren Niveau der Westberliner Vergleichswohnungen angeglichen werden.

Der Mietspiegelvergleich von 1996 auf 1998 erbringt Mieterhöhungen in ausgewählten Marktsegmenten des Westberliner Mietwohnungsmarktes, die der BMG erklärungsbedürftig erscheinen. Das betrifft u.a. den im Mietspiegel '98 angelegten Fortfall der Spalten 1 und 5 (die Wohnungen mit niedrigem Standard auswiesen), die aus dem Mietspiegel 1996 nicht fortgeschrieben werden, sowie die Erscheinung, daß in 17 Mietspiegelfeldern die neuen Nettokaltmieten 1998 die bisherigen Bruttokaltmieten von 1996 überschreiten bzw. sich stark an diese Bruttomieten annähern. Im einzelnen bedeutet das:

a.) Im Mietspiegel '98 sind gegenüber dem Mietspiegel 1996 die Spalte 1 (Baujahr bis 1918, mit Innen-WC, ohne Bad, ohne Sammelheizung) und die Spalte 6 (Baujahr 1950 - 55, mit Innen-WC, mit Bad oder Sammelheizung) nicht mehr enthalten. Die Berechnung der ortsüblichen Vergleichsmiete soll sich durch Anbindung an des Mietniveau der Spalten 1 und 5 im Mietspiegel '98 unter Reduzierung der dort ausgewiesenen Mieten um 0,25 DM/qm erfolgen (vergl. Tabelle 1). Das heißt, daß diese Wohnungen mit niedrigem Standard nur noch mit Hilfe der Spanneneinordnung von denen mit höherem Standard unterschieden werden können. Damit verringert sich die Mietdifferenz, und in der Gegenüberstellung ergeben sich erstaunliche Mietsprünge, die erkennen lassen, daß die veranschlagte Reduzierung der Anpassungsvorgaben um 0,25 DM/qm entschieden zu tief angesetzt ist.

b.) Auf insgesamt 17 Feldern des Mietspiegels '98 und verteilt über alle Baualtersgruppen sind die Nettokaltmieten 1998 höher als Bruttokaltmieten 1996 bzw. stark angenähert (vergl. Tabelle 2). Das Volumen des Wohnungsbestandes für dieses Marktsegment beläuft sich auf mehr als 65.000 Wohnungen. Bei sinkender Umzugsrate, hohem Leerstand und einem gegenüber dem Ostteil wesentlich geringerem Modernisierungsanteil an den hier einbezogenen Wohnungsbeständen, liegt die Vermutung nahe, daß Zuzügler aus dem übrigen Bundesgebiet und besonders unberatene Bestandsmieter kräftig über den Tisch gezogen worden sind.

Für die BMG besteht kein Zweifel, daß die Erläuterung des neuen Mietspiegels '98 in den Medien sich nicht mehr nur auf die Ratgeberseiten beschränken kann, sondern auch die öffentliche Erörterung der genannten und ggf. weiterer Problemfelder nachvollziehen sollte. Diese Forderung nachhaltig zu unterstreichen ist der eigentliche Sinn, diesem Mietspiegel nicht zuzustimmen.

Von Bodo Meinecke, für den Delegiertenrat der BMG

 
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