MieterEcho
Nr. 267 - März/April 1998

Johannisthaler Geschäfte

Anfang Dezember landete das Schreiben in den Briefkästen der BewohnerInnen vom Treptower Sterndamm 30 bis 58 und Staudenweg 1 und 2: "Die Firma Konzept Zwischenerwerb GmbH & Co. Objekt '1' KG hat, wie Ihnen bereits mitgeteilt wurde, die Objekte von der 'Stadt und Land Wohnbauten-Gesellschaft mH' erworben." Die MieterInnen kannten aber weder eine Firma mit Namen "Konzept Zwischenerwerb" noch waren sie von dem Verkauf durch die Wohnbauten- und Beteiligungsgesellschaft (WobeGe), der mit der Verwaltung der Häuser beauftragten Tochtergesellschaft der Stadt und Land, unterrichtet gewesen. In besagtem Schreiben ging es jedoch munter weiter: "Im Kaufvertrag wurden wir beauflagt, die Wohnungen vor Sanierung vorrangig an Sie als Mieter zu veräußern", Konzept Zwischenerwerb gewähre daher den Mieterinnen und Mietern einen Vorzugsrabatt gegenüber anderen Kaufinteressierten von 250 DM pro Quadratmeter an. 250 DM weniger als was? Das war dem Schreiben genauso wenig zu entnehmen, wie die vorab erteilte, ordnungsgemäße Autorisierung also schriftliche Bevollmächtigung durch WoBeGe. Sie selbst äußerte sich zu der Transaktion erst Tage später.

Sicherlich, die BewohnerInnen wußten, daß die WoBeGe die Privatisierung ihre Blöcke - immerhin 194 Wohnungen - beabsichtigt, schließlich waren die Wohnungen aus der gleichen Bauphase auf der gegenüberliegenden Seite des Sterndammes bereits 1994 an einen Privatunternehmer gegangen. Aber genau deshalb machen sie sich keine Illusionen über die möglichen Aussichten. Schließlich ist dieser - nach dem Krieg erstmals bebaute - Straßenzug von Johannistal wie ein eigenständiger Kiez. Der Sterndamm ist mehrspurig angelegt, Bäume umsäumen die Straßenbahngleisen, die Bürgersteige laden zum Flanieren ein, und es bieten sich reichlich Einkaufsmöglichkeiten. Die atmosphärische Nähe zu den Bauten an der Karl-Marx-Allee ist sicherlich nicht zufällig. "Drüben auf der anderen Seite bezahlen die Mieter jetzt 850 DM für eine ca. 50 qm große Zweiraumwohnung," das sind exorbitante Mietsteigerungen.

Den Mieterinnen und Mietern der Objekte am Sterndamm 30 bis 58 und Staudenweg 1 und 2 riß also zum Jahreswechsel der Geduldsfaden. Sie verfaßten innerhalb kürzester Zeit ein Protestschreiben an die WoBeGe, in welchem sie die Mißachtung wesentlicher Grundsätze bei Umwandlung und Verkauf kritisieren. 2/3 aller Mieter unterschrieben, doch der Adressat war eben nicht mehr die KWV. Der hätte man das ja vielleicht sagen können, da wäre wahrscheinlich noch der Bezirksbürgermeister gekommen, vermuten die MieterInnen, doch da war eben auch noch keine freie Marktwirtschaft. Und also reagierte die WoBeGe wie bewährt: nämlich erst mal gar nicht. Die MieterInnen organisierten eine Mieterversammlung. Viele und vor allem ältere Menschen kamen. Haben sie doch große Angst davor, jetzt verdrängt zu werden, aber sie sind ebenso entschlossen, ihr Zuhause nicht ohne Gegenwehr aufzugeben. Schließlich wohnen Viele seit 43 Jahren dort, haben sich mit ihren Lebensmittelpunkt dort tief verwurzelt und die Wohnungen ganz individuell ausgebaut. Der Fußbodenestrich war fast noch weich, erinnern sich manche MieterInnen an ihren Einzug im Nov. 1955. Das war eine Zeit, als Wohnraum sowohl in der Bundesrepublik als auch in der DDR noch längst nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung stand. Um eine von diesen modernen und im familienfreundlichen Stil geschnittenen Wohnungen zugewiesen zu bekommen, bedurfte es aber seinerzeit mehr als nur Glück. Die Mieterinnen und Mieter haben sich ihre Wohnberechtigung durch Aufbauarbeiten selbst verdienen müssen. Jetzt bekommen sie vorgeführt, wie die einst so mühsam erworbenen Wohnungen zum Schleuderpreis an Spekulanten verramscht werden.

Von einem Billigangebot könne jedoch keine Rede sein, versicherte Herr Jentschura von der WoBeGe, als er endlich Mietervertreter über den Stand des Verkaufes unterrichtete. Er hält statt dessen das Vorgehen der WoBeGe und das der Käuferfirma für seriös und bezeifelt vielmehr, ob die MieterInnen an der ordnungsgemäßen Abwicklung interessiert seien. Schließlich habe man die GmbH und Co KG "Konzept Zwischenerwerb" aus mehreren Bietern gewählt, weil man von ihr am ehesten erwarte, daß sie sozialverträglich sanieren und umwandeln werde. Herr Jentschura brüstet sich damit, daß sie Selbstverständlichkeiten im Kaufvertrag aufgenommen haben: ausschließlich ein Kündigungsgrund, nämlich der aufgrund mangelnder wirtschaftlicher Verwertbarkeit wäre nennenswert, wäre dieser Mieterschutz im Grundbuch verankert worden und damit für die Käufer in Folge verbindlich. Die Höhe des Kaufpreises wollte er den geladenen Gästen allerdings nicht nennen. Für die WoBeGe erscheint die Konzept Zwischenerwerb, die auch in anderen ostdeutschen Städten wie Halle, Eberswalde oder Potsdam ihr "Un"wesen treibt, besonders sozialverträglich, weil sie zügig sanieren will - nämlich innerhalb von 7 Tagen pro Wohnung.

Das zügige Vorgehen der "Konzept Zwischenerwerb" zeigt jedoch vielmehr, daß sie einzig ihrem Profitinteresse folgt. Das vorwiegend in Ostdeutschen Bundesländern tätige Unternehmen, unter Beteiligung einer Kommanditgesellschaft mit Sitz in Frankfurt/Main, erzielte schließlich bereits 1997 einen Umsatz von 130 Mio. DM und beabsichtigt Umsatzsteigerungen um 300 Mio. DM im laufenden Jahr. Aufgrund der Berliner Erfahrungen scheint das Strickmuster in sämtlichen Städten ähnlich: Kauf von öffentlichem Wohnraum zu Spottpreisen, an Belästigung heranreichende Besuche bei den BewohnerInnen, mit der Absicht eine schnelle oder vielmehr rasante Sanierung und schließlich Veräußerung der Wohnungen an Anleger durchzuführen. Da bleibt keine Zeit für die Befriedigung sozialer Bedürfnisse. Die schnell zu erwartende Rendite ist es schließlich, die diese "Zwischenerwerbsfirmen" zum Erwerb überhaupt erst veranlaßt.

Und dafür bietet die Immobilie noch einen weiteren Vorteil: Konsequenterweise wurden von der WoBeGe viele Wohnungen nicht mehr neu vermietet. Immerhin standen Ende Dezember 1997 31 also fast 16% der Wohnungen seit langer Zeit leer. Inzwischen sind den MieterInnen erste mündliche Kaufangebote gemacht worden: 2.650 DM pro qm für die unsanierte Wohnung, für sie zum "Schnäppchen" von 2.400 DM. Inzwischen haben die MieterInnen auch den Preis erfahren, den die Zwischenerwerb der WoBeGe zahlte: Nach unseren Recherchen muß nämlich von einem Kaufpreis von ca. 850 DM pro qm ausgegangen werden. Jetzt wissen die MieterInnen auch, was die Vertreter der WoBeGe mit denen der Zwischenerwerb bereits im Oktober 1997 bei Champagner und Hummer im Restaurant "Stern" begossen... Auf die Frage, warum sich die WoBeGe überhaupt für den Verkauf von öffentlichem Wohnraum hergibt, wird nur zynisch reagiert: Hier wird doch sowieso Alles privatisiert...

AG Umwandlung

 
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