MieterEcho
Nr. 266 - Januar/Februar 1998

Mehr Verkehr in die Wohngebiete oder postmoderne Schildbürger

Die maßgeblichen Masterplaner planen gerne viel und vor allem suchen sie, den zukünftigen Stadtbürger zu umwerben. Der - darin sind sie sich einig - sicherlich einige Ansprüche stellen wird. Bis er sich in Scharen an der Frankfurter Allee, dem Potsdamer Platz oder an der Spree niederläßt, ist es noch ein weiter Weg. Damit dieser Stadtbürger auch Lust bekommt, seine Wohnung oder gleich mehrere in Eigentum zu erwerben, muß, so denken die Planer, der Verkehr raus aus der Innenstadt. War diese Forderung nicht mal...?

Statt bisher 80 prozentigem Individualverkehr, der sich durch die Straßen walzt, soll das Verhältnis umgekehrt werden: 80 % des innerstädtischen Verkehrs - so das hohe Ziel - soll sich über den öffentlichen Nahverkehr bewegen.

Doch anstatt unabhängig davon, ob der Stadtbürger Wirklichkeit wird oder nicht, die jetzt in der Innenstadt lebenden BürgerInnen von Lärm als auch von den Schadstoffen durch den Individualverkehr zu entlasten und den öffentlichen Nahverkehr effektiv auszubauen, planen die Planer der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz ersteinmal, die Grundlagen für die Planung zu schaffen und gaben ein Gutachten in Auftrag.

Schade nur, daß diese Studie der Verkehrsgutachtenfirma IVU (Informatik Verkehrs- und Umweltplanung) zur verkehrstechnischen Wirkung des Masterplans jetzt für Aufregung sorgt. Denn die Strieder'sche Senatsverwaltung zeigt sich sichtlich verärgert darüber, daß einige Tageszeitungen Auszüge daraus veröffentlichten. Steigt doch nach dieser Analyse auf Grundlage des Masterplans, der den Rückbau der Hauptverkehrsstraßen in der Innenstadt vorsieht, "die Lärmbelastung (...) in den kommenden Jahren im innerstädtischen Gebiet weiter an". Damit läßt sich der Stadtbürger sicherlich nicht umwerben. Man stelle sich nur vor, er müsse mit seinem Porsche eingekeilt zwischen rostigen Blechkarosssen von Stau zu Stau schleichen. Oder auf den Trottoirs könnte er nicht ausgiebig flanieren, weil der Straßenlärm jeden smal talk verhindert und er ständig parkenden Autos ausweichen muß.

Aber auch die Bevölkerung der Berliner Mitte wird damit sicherlich nicht umworben, deren Haushalte schließlich überhaupt nur zu knapp 50 % über ein Auto verfügen. Bausenator Jürgen Klemann machte daher auch keinen Hehl daraus, daß er die Kompetenz der Masterplaner in dieser Frage nicht sehr hoch einschätzt, schlug er doch Strieder wiederholt vor, sich lieber um die Aufgaben seines Ressorts zu kümmern.

o.k.

 
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