MieterEcho
Nr. 264 - September/Oktober

DEGEWO Goes Public

Manfred Krug, der 'die Spur der Steine' so geduldig verfolgt hatte, bis sie ihn zum Eigentum an einem schöneberger Mietshaus und seinen Mietern zu einer interessanten Erfahrungen mit diesem Sympathieträger brachte, erklärte den Fernsehzuschauern im Herbst vorigen Jahres bieder und geduldig: "Die Telekom geht an die Börse und ich geh' mit." Wer sich ihm anschloß, konnte Telekom Aktien im Nominalwert von DM 5,-- für DM 28,--zeichnen.

Wer sich im Frühjahr diesen Jahres beispielsweise Frau Arabella Kiesbauer oder die schreckliche Familie Bundy zu Gemüte führen wollte, konnte sich nur schwer der Information verschließen, daß auch 'Pro Sieben' an die Börse zu gehen gedenke und dafür viele Begleiter suche. Pro Sieben ging an die Börse, Thomas Kirch konnte Einnahmen von über 1 Mrd. DM verbuchen, und wer DM 5,-- Aktien der Pro Media AG zum Ausgabekurs von DM 72,-- erhielt, konnte sie an der Börse kurz darauf für DM 90,-- verkaufen.

Sollte jemand nach Erklärungen für den Preis der Aktien gesucht und gemeint haben die Telekom sei ja schließlich einiges wert, besitze technische Einrichtungen, Grundstücke, verfüge über Rechte usw. usw. und dies alles bewertet und zusammengerechnet drücke sich in dem Emissionskurs aus, irrt genauso wie der, der glaubte auch bei der Pro Media AG sei der Wert z.B. der Aufführungsrechte an den Filmen ein kursbildendes Element und an der Börse würde entsprechend einem derart festgestellten Wert durch Angebot und Nachfrage der jeweils aktuelle Preis, sprich Kurs, ermittelt.

Es wird vielleicht manch einem befremdlich erscheinen, aber der Substanzwert eines Unternehmens beeinflußt sowohl den Emissionskurs als auch den jeweils aktuellen Kurs einer Aktie fast gar nicht.

Aktien haben mit Grundstücken etwas Fundamentales gemeinsam. Wie sich bei Grundstücken, der Preis nach den zu erwartenden Einnahme bemißt, also die »kapitalisierte zukünftig mögliche Grundrente« darstellt, orientiert sich der Aktienkurs an dem Verhältnis, in dem er zu dem zu erwartenden Gewinn eines Unternehmens steht, d.h. er bildet, so könnte man sagen, die »kapitalisierte Gewinnaussicht«.

Herr Krug sowohl als gut bezahlter Propagandist bei Börseneinführungen als auch in seiner Eigenschaft als praktizierender Grundeigentümer wäre sicherlich doppelt geeignet zu erklären, daß sich auch bei dem geplanten Börsengang der DEGEWO der Kurs nicht durch den Wert der ca. 50.000,-- Wohnungen aus ihrem Bestand sondern entscheidend nur durch die Gewinnerwartung beeindrucken läßt.

Positive Ertragsveränderung werden durch Steigerung des Umsatzes, Senkung der Kosten und/oder Erhöhung der Einnahmen bewirkt. Der Umsatz läßt sich von der DEGEWO nur in geringem Maße verändern, Kostensenkung wurden bereits durch Reduzierung der Arbeitsplätze in Angriff genommen und Einnahmensteigerungen wird man dort zu erzielen suchen, wo sich ca. 85% der Geschäftstätigkeit dieses Unternehmens abspielen: bei der Vermietung und Verwaltung von Wohnungen.

Für die Mieter, so behaupten die Verantwortlichen der DEGEWO, ändere sich nichts. Die Maßnahme, erklären die Politiker, diene nur der Verringerung des Haushaltsdefizites. Weder noch! Haushaltsdefizite sind ein Überschuß der lfd. Ausgaben über die lfd. Einnahmen. Durch Verkäufe aus der Substanz verringern sich nicht die einen und vergrößern sich auch nicht die anderen. Verringert wird die politische Manövriermasse zugunsten der Mieter, verspielt werden politisch-demokratische Einflußmöglichkeiten, erhöht wird aber vor allem der Grad der Liberalisierung des Wohnungsmarktes, ausgedehnt die Einflußsphäre des Kapitals. Einnahmen aus jeder weiteren Kapitalerhöhung an der Börse werden in Zukunft von der Ertragslage des Unternehmens abhängen. Somit sind Gewinnsteigerungen nicht nur gewöhnliches Ziel der Geschäftstätigkeit des Unternehmens, sondern sie werden zu einer inneren strukturellen Notwendigkeit des Unternehmens, gefordert durch finanzwirtschaftliche Logik und die Erwartungen der Aktionäre.

Für die Mieter ändert sich dadurch sehr viel. Spätestens mit den nächsten Mieterhöhungen werden sie auch eine kostenlose Unterweisung in liberaler Marktwirtschaft und deren sich immer wieder neu schaffende »Sachzwänge« erhalten. Und das wird in Zukunft das einzige Kostenlose sein.

Allen Grundeigentümern dieser Stadt, von Herrn Krug bis zur DEGEWO, kann das nur recht sein.

Joachim Oellerich


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