MieterEcho
Nr. 264 - September/Oktober

Ostberliner Mietspiegel 1997
Abbild der Ergebnisse einer siebenjährigen »Marktanpassung« der ostberliner Mieten, aber auch Prüfinstrument für künftige Mietpreiserhöhungen!

Der ostberliner Mietspiegel vom 11.08.1997 hat erwartungsgemäß ein unterschiedliches Echo in der Öffentlichkeit ausgelöst. Eine linke Tageszeitung meinte strahlende Vermieterverbände und zerknirschte Mieter-Vereine bemerkt zu haben; stellt sich nur die Frage, auf welcher Veranstaltung sie wohl gewesen sein könnte. Andere Printmedien jubeln mit Senator Klemann, daß die Mietpreise im Osten Berlins nach wie vor relativ günstig seien, wiederum eine andere Zeitung titelt: »Wohnen fast so teuer wie in den Westbezirken.«

Die ostberliner Mieter haben indessen schon zwei Wochen nach Veröffentlichung des Mietspiegels mit einem deutlich abflauendem Interesse reagiert. Möglicherweise haben sich viele damit beruhigt, daß für die Bestandsmieter der Mietspiegel als Instrument um die Erhöhung der Nettokaltmiete zu begründen erst ab 1.1.1998 angewendet wird und seit l.7.1997 nur für neu oder wiedervermieteten Wohnraum gültig ist. Manche Mieter werden sich aber auch die zu erwartende Mieterhöhung durchgerechnet haben und wie gewohnt zur Einschätzung »das schaffen wir noch« gekommen sein. Noch nicht allen Mietern ist bewußt, daß mit dem Mietspiegel die Zeit der Mietpreisbindung beendet und der Übergang in das Vergleichsmietensystem vollzogen wird. Eine Entwicklung für die die Westberliner 42 Jahre benötigten, ist den Ostberlinern in sieben Jahren zugemutet worden. Die Einkommensentwicklung hinkt freilich nach.

Für jeden einzelnen Mieter kann die Nettokaltmiete vom Vermieter erhöht werden und jeder einzelne Mieter muß sich gegen Mietpreisverstöße zur Wehr setzen. Er sollte dies auch tun, weil jede Abwehr ungerechtfertigter Mietpreiserhöhung ein notwendiger Akt der Solidarität mit allen Mietern ist, denn jede künftige Mietpreiserhöhung erhöht zugleich die Vergleichsmiete des nächsten Mietspiegels. Der nächste soll zum 1.1.99 vorliegen. sein Erhebungszeitraum beginnt im ersten Halbjahr 1998.

Die Berliner MieterGemeinschaft hat sich die Anerkennung des ersten ostberliner Mietspiegels nicht leicht gemacht. In mehreren Beratungen des Delegiertenrates und einer eigens gebildeten Arbeitsgruppe wurden kontroverse Positionen erwogen:

1. Der Mietspiegel ist Bestandteil des geltenden Vergleichsmietensystems. Ihn kann man nur zusammen mit dem Vergleichsmietensystem ablehnen. Eine Alternative zum Vergleichsmietensystem steht aber leider z.Zt. nicht auf der politischen Tagesordnung. Dazu bedürfte es der Verhältnisse von Westberlin aus dem Jahre 1987 als 500.000 Unterschriften von einem breiten politischen Bündnis gesammelt wurden.

2. Der Mietspiegel führt zur Mieterhöhung ohne für den Mieter nachvollziehbare Gegenleistung. Er wird vom Vermieter vor allem genutzt, um Mieterhöhungen in Angleichung an die Marktlage d.h. an die sogenannte ortsübliche Vergleichsmiete, rechtswirksam durchzusetzen. Neben, dem Mietspiegel kann der Vermieter, die Angleichung an die ortsübliche Vergleichsmiete auch durch Benennung von drei Vergleichswohnungen oder mit Hilfe von Sachverständigengutachten durchsetzen. Demgegenüber sind Mietspiegel öffentlich. Sie werden von der Rechtsprechung in dem Maße berücksichtigt, wie er von den Interessenverbänden der Mieter und der Vermieter als zutreffendes Abbild der ortsüblichen Vergleichsmiete anerkannt und mitgetragen wird.

Der Mietspiegel ermöglicht den Mietern selbst zu vergleichen und sich mit anderen Mietern auszutauschen. In soweit befördert er eine Kommunikation zwischen den Mietern und erleichtert den Mieterorganisationen, gegen Auswüchse öffentlich vorzugehen. Bei hinreichenden kommunalen und genossenschaftlichen Wohnungsbeständen können Mietspiegel soziale Mietenpolitik unterstützen, indem Gemeinde und/oder Genossenschaften darauf verzichten, die Spielräume zur Mieterhöhung voll auszuschöpfen. Dies würde sich nicht nur unmittelbar auf die betroffenen Mieter auswirken, sondern hätte auch eine dämpfende Wirkung auf die Mietspiegelwerte künftiger Mietspiegel. Endlich wäre der Mietspiegel den beiden anderen Begründungsmitteln vorzuziehen, weil es dann nicht nur dem Ermessen des Vermieters überlassen bliebe, welche Vergleichswohnung er zur Begründung seines Mieterhöhungsverlangens heranziehen würde.

Im Ergebnis sprach sich die Mehrheit im Delegiertenrat für die Anerkennung des ersten ostberliner Mietspiegels aus.

Maßgeblich waren folgende Überlegungen: Erstens: Nachdem die DDR Wohnungen auf dem Wege in das 1. bundesdeutsche Miethöherecht ihr Ziel fast erreicht haben, brauchen die Mieter ein von allen Interessenverbänden anerkanntes und rechtsverbindliches Instrument zur Überprüfung von Mieterhöhungsverlangen auf ihre preisrechtliche Zulässigkeit und die Einhaltung der ortsüblichen Vergleichsmiete. Das betrifft ab 1.7.97. die Neuvertragsmieten und ab 1.1.90 auch die Bestandsmieten.

Zweitens: Die Mieter im Ostteil der Stadt sind noch unerfahren im Umgang mit dem Vergleichsmietensystem. Der Mietspiegel wird von vielen als rechtsverbindliche Grundlage für eine gewisse Sicherheit gesehen und als eine Art Preisliste betrachtet. Eine Auslieferung der Mieter an ein vorwiegend auf Vergleichswohnungen gegründetes Mieterhöhungsverlangen der Vermieter birgt in sich die Gefahr einer kaum nachprüfbaren Mietpreistreiberei und kommt dem Deregulierungsverlangen der öffentlichen Hand und der totalen Marktfreigabe, wie sie von den Unternehmungen der Wohnungswirtschaft angestrebt werden, sehr entgegen.

Kritiker des Mietspiegels erwecken gern den Anschein, daß die Mietspiegelwerte d.h. die Mittelwerte und die Spannenwerte der angegebenen Preise je Quadratmeter Wohnfläche beliebig verhandelbar seien. Den Beweis bleiben sie allerdings schuldig. Bei vorliegenden 280 000 Datensätzen von 572 000 mietspiegelrelevanten Wohnungen im Ostteil der Stadt bleibt festzustellen: Der vorliegende Mietspiegel bildet die enorme Mietentwicklung Ost seit 1990 ab, die geprägt ist durch die beiden Grundmietenerhöhungen, die Beschaffenheitszuschläge, das Mietenüberleitungsgesetz sowie die Modernisierungsumlagen einschließlich hingenommener Mietpreisverstöße. Die undifferenzierten, flächendeckenden Mieterhöhungen, die verlangt und gezahlt worden sind, sind Teil der Gefahren für die Mieter, denen nur durch striktes Einfordern der Mietspiegelkriterien dämpfend entgegengewirkt werden kann.

Der vorliegende Mietspiegel Ost eröffnet den Vermietern durch die Spannenoberwerte in den Altbaubeständen (Baujahre bis 1949) erheblichen Mieterhöhungsspielraum. Zweifelhaft bleibt dabei, ob angesichts des Ausbleibens der Lohnangleichung, der steigenden Zahlen von Arbeitslosen und Sozialhilfehaushalten die Mieterhöhungen noch verkraftet werden können oder ob die Mieterverdrängung beschleunigt werden wird. Ein bedeutender Teil der Wohnungsbestände gehört zu dieser Baualtersgruppe. Beispielsweise in:

Prenzlauer Berg81,5%
Köpenick51,2%
Friedrichshain65,7%
Treptow50,8%
Weißensee62,5%
Mitte49,0%
Pankow59,0%

Ungerechtfertigte Mieterhöhungsverlangen dürften hier hauptsächlich durch wohnwertmindernden Merkmale, wie sie in den Orientierungshilfen zur Berechnung der Mietspannen aufgelistet sind, z.B. die marode Bausubstanz, abzuwehren sein. Kritikwürdig an diesem Mietspiegel, ist auch die Höherstufung von Wohnlagen in Wohngebieten mit reger, nicht abgeschlossener Bautätigkeit in Vorwegnahme auf unterstellte Wohnumfeldverbesserungen. Bei 32 von der MieterGemeinschaft vorgetragenen Einwendungen, die sich häufig auch mit den Einwendungen der Bezirksämter deckten, wurden immerhin für neun Wohngebiete eine Abstufung erreicht. Bei aller Unzulänglichkeit kann der Mietspiegel auch als Instrument zur Verzögerung ungebremster Liberalisierung des Wohnungsmarktes dienen.

Der Vergleich der Mietspiegel zeigt, daß die Mietpreise in den Altbaubeständen/Ost erheblich höher als im Westteil der Stadt sind während die Mietpreise in den Neubaubeständen/West die im Osten übersteigen. Die Vermieterverbände werden also auf eine möglichst schnelle Vereinigung der beiden Mietspiegelgebiete drängen. Mit dem Effekt, daß die Altbaumieten/Ost die Altbaumieten/West und die Neubaumieten/West die Neubaumieten/Ost nach oben treiben werden. Dagegen wurde bereits von den Mieterverbänden Widerstand angemeldet. Deshalb ist die weitere Beteiligung der Berliner MieterGemeinschaft an der Arbeitsgruppe des Senats gefordert, um zu verhindern, daß der Osten gegen den Westen und der Westen gegen den Osten zum Nachteil der Mieter ausgespielt wird.

Gerhard Eichmann/Bodo Meinecke


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