MieterEcho
Nr. 263 - Juli/August

Senat plant Ausverkauf
Die Wohnungsbaugesellschaften sollen unter den Hammer

        

Das Land Berlin ist Pleite. So Pleite, daß den Politikern nichts anderes übrig bleibt, als mit der Finanznot auch noch Politik zu machen. Alles was nicht niet- und nagelfest ist, soll unter den Hammer kommen. Denn Geld muß rein. Damit das aber nicht nach hilflosem Ausverkauf aussieht, versuchen die Verantwortlichen den Sommerschlußverkauf als politisch gewolltes Handeln darzustellen.

Ein dicker Guthabenposten des Landes sind noch die Anteile an den Wohnungsbaugesellschaften. "Die Privatisierung von Wohnungen aus deren Bestand muß als Teil einer gesellschaftspolitischen Initiative angesehen werden, die zur erheblichen Ausweitung der Bildung von Wohnungseigentum durch die bisherigen Mieter führt", brachte Stadtentwicklungssenator Strieder (SPD) Ende Juni die geplante Verhökerung auf seine Linie. Und damit die Mieter auch begreifen, worum es geht, fordert er gleich noch "eine Marketingstrategie ähnlich der bei der Einführung der T-Aktie".

Und die Privatisierung würde ja nur allzugut in die heutige Zeit passen. "Angesichts einer Arbeitslosenqoute von 17 Prozent und fehlendem Eigenkapital müssen Selbsthilfemodelle für den Einsatz einer Muskelhypothek angeboten werden", fordert Strieder. Außerdem könne durch den Kauf der eigenen Wohnung ein wesentlicher Baustein für die Altersversorgung gesetzt werden. Na Klasse! Die Renten schrumpfen, die Arbeitsplätze fallen weg, nun sollen sich die lieben, kleinen Leute an ihrem Heim gesundstoßen. Ganz nebenbei scheint Strieder übersehen zu haben, daß sein Kollege in der Bauverwaltung die Selbsthilfeförderung für Hausgemeinschaften im vergangenen Jahr kräftig zusammengestrichen hat. So sehr, daß die Projekte fast vor den gleichen Finanzproblemen stehen, wie der Senat: Woher die Kredite nehmen?

Damit auf jeden Fall sofort Geld in die Landeskasse fließt, schwebt Strieder eine Privatisierungsgesellschaft vor, die alle zu privatisierenden Wohnungen von den Wohnungsbaugesellschaften übernimmt. Noch ist nichts endgültig beschlossen. Und aus dem Hause von Bausenator Klemann (CDU) wird auch gleich gegengeschossen. Die komplette Weitergabe an eine zentrale Gesellschaft sei mit Klemann nicht zu machen. Geeinigt hat sich die Koalition aber schon jetzt darauf, daß ein Eigentumsprogramm zu Vorzugskonditionen aufgelegt werden soll. Wohnungserwerber sollen dadurch an die Stadt gebunden werden und die Wohnungsbaugesellschaften bereits aufgenommene Aufwendungsdarlehen zurückzahlen können. Außerdem wird bei dem Verkauf des 50%-Anteils des Landes an der GEHAG an die Veba Wohnstätten als Käufer gedacht. Der Kaufpreis beträgt schlappe 800 Millionen Mark. Das wäre ein Durchschnittspreis von 25.000 Mark pro Wohnung, errechnete die wohnungspolitische Sprecherin der Grünen, Barbara Oesterheld.

Wenn es zu weiteren Verkäufen aus dem Bestand der Wohnungsbaugesellschaften kommen sollte, dürfte sich wohl wie gehabt der Verkauf an große Gesellschaften durchsetzen. Nicht nur, weil für die Mieter ganz andere Preise gelten würden. Die Verkaufs-Erlöse, die die öffentliche Hand beim Verkauf von Anteilen an Wohnungsbaugesellschaften erzielen würde, liegen beim Verkauf an die Mieter vergleichsweise deutlich höher, hatte Strieder schon im Mai festgestellt. Doch auch aus anderen Gründen wollen die Bewohner ihre Mieterstadt Berlin nicht zur Eigentümermetropole verwandeln lassen. Bei den bisher versuchten Verkäufen hatten nur sechs Prozent der Mieter Interesse bekundet, kritisiert Oesterheld. "Die Leute fühlen sich als Mieter bei den Wohnungsbaugesellschaften wohl, wollen nicht Eigentümer werden und wenn doch, bekommen sie häufig nicht die notwendigen Kredite."

Dem Senat wirft Oesterheld völlige Konzeptlosigkeit vor. Erst hätten die Bezirke lange darum kämpfen müssen, daß sie bei der Übergabe der kommunalen Wohnungen an die Wohnungsgesellschaften das Belegungsrecht behielten. Nun überlege der Senat neben dem Verkauf der Wohnungen auch gleich noch die Belegungsrechte zu verkaufen. Und das während gleichzeitig Bundesbauminister Töpfer (CDU) genau das Gegenteil vorschlägt: Belegungsrechte kaufen, um den fehlenden sozialen Wohnungsbau vor allem in Ostdeutschland zu ersetzen.

Dabei könnte der Senat auf den Verkauf von 30.000 landeseigenen Wohnungen verzichten, wenn die Eigenheimförderung um nur 2.800 Wohnungen gekürzt würde, hat Oesterheld berechnet. Daher würden die Grünen auch jedem Wohnungsverkauf widersprechen, so lange der Senat an der unverhältnismäßig hohen Eigentumsförderung festhalte. Vorstellbar sei allenfalls der ebenfalls angedachte gegenseitige Aufkauf der Wohnungsbaugesellschaften, meint Oesterheld. Das würde zwar zu einer weiteren verdeckten Kreditaufnahme führen und die Verwaltungskolosse würden ebenfalls noch größer, aber immerhin könnten so die Strukturen erhalten bleiben. Der kontrollierende Einfluß der öffentlichen Hand auf den Wohnungsbestand bliebe genauso erhalten , wie die Belegungsrechte. Aber daß Wohnungspolitik vor allem eine soziale Aufgabe ist, scheint man im Senat schon vergessen zu haben. Milliardenlöcher in der Haushaltskasse machen offensichtlich blind für die Probleme der Stadt.

ga


MieterEcho-Archiv | Inhaltsverzeichnis Nr. 263

HTML-Auszeichnung © 1997 U. Pieper