MieterEcho
Nr. 263 - Juli/August

Der diskrete Charme privater Sicherheit
Ausgrenzung im "Unternehmen Berlin" - von Volker Eick

        

Innenstädte müssen "genauso wie ein Einkaufszentrum gemanagt" werden, fordert Jörn Kreke, Chef des Kosmetik- und Immobilienkonzerns Douglas Holding. Der Berliner Architekt und Stadtplaner Christoph Langhof fordert die Veräußerung ganzer Straßenzüge und Grünflächen an Unternehmen.

Und tatsächlich verkauft das Land Berlin den Charlottenburger Los-Angeles-Platz Ende 1996 an die Conti-Park International Parking GmbH, entsteht mit dem Potsdamer Platz eine "Stadt in der Stadt" unter der Regie der Daimler Benz AG. Auch die Deutsche Bahn AG und die Berliner Verkehrsbetriebe machen mit bei der Privatisierung "öffentlicher" Räume. So bestimmen mehr und mehr Großkonzerne, welche Art von StadtbewohnerInnen noch Platz im "Unternehmen Berlin" (Diepgen) haben. Denn aus diesen privatisierten Stadträumen wird durch staatliche Polizei und private Sicherheitsdienste alles vertrieben, was das Bild der sauberen Metropole Berlin stört. Ganz offen richten sich die Angriffe gegen die wachsende Zahl von Armen, die mit Begriffen wie "Herumlungernde" (Deutsche Bahn AG) oder "Gesindel" (CDU-Chef Landowsky) kriminalisiert werden.

Waren 1989 bundesweit etwa 700 private Sicherheitsdienste im Einsatz, sind es heute fast 1.500 Dienste, die mit ihren rund 250.000 Beschäftigten an die Zahl bundesweit tätiger Polizeibeamter heranreichen. Auch in Berlin konkurrieren inzwischen 330 Sicherheitsdienste mit knapp 15.000 Beschäftigten um Aufträge aus der Privatwirtschaft und von der öffentlichen Hand. Zwölf Firmen teilen unter sich gut 60 Prozent des Marktes auf, der Rest verteilt sich auf kleine und mittelständische Unternehmen. Unter den großen Anbietern finden sich Tochtergesellschaften großer Konzerne wie der Veba AG (Raab-Karcher Sicherheit), der Peter Dussmann AG (Pedus Sicherheitsdienst), die Industrie- und Handelsschutz GmbH (IHS) oder der Stinnes AG (Brink's Schenker). Der Energie-Riese Veba etwa, inzwischen auch stark im Immobiliengeschäft engagiert, bietet privatisierte Stadträume mit angeschlossenen shopping malls und dem dazugehörigen Sicherheitsdienst aus einer Hand. Ähnlich arbeitet auch der B.O.S.S.-Sicherheitsdienst, ein Co-Unternehmen des Berliner Immobiliengespanns Penz/Garski, der u.a. auf den Fern- und S-Bahnhöfen im Einsatz ist. Neben Immobiliengeschäften betreiben Penz und Garski über 40 Flüchtlings-, Obdachlosen- und Aussiedlerheime mit ca. 700 Betten. Was ihr Sicherheitsdienst aus den Bahnhöfen und deren Umgebung vertreibt, landet so - durch den Senat mit bis zu 1.800,- Mark pro Bett und Monat vergütet - in den betriebseigenen Unterkünften, den berüchtigten "Läusepensionen".

Sicherheit als Standortfaktor

Dabei profitieren die privaten Sicherheitsdienste wie die Polizei von einem boom des Begriffs "Sicherheit", dessen Gehalt sich inzwischen völlig verselbständigt hat. Das immer wieder bemühte "subjektive Sicherheitsgefühl" hat jedweden Zusammenhang zu tatsächlicher Bedrohung oder gar Opfererfahrung, ja selbst zur Kriminalstatistik der Polizei (PKS) verloren. Denn während die (ohnehin kritisch zu betrachtenden) PK-Statistiken eher auf einen Rückgang von Vergehen und Straftaten deuten, werden zeitgleich Bagatelldelikte dramatisiert und nahezu wahnhaft "Sicherheit" und "Sauberkeit" beschworen.

Das Bedürfnis nach "Sicherheit" ist zur Ideologie geworden, zum symbolischen Begriff, hinter dem sich von privater Seite Profit- und staatlicherseits Ordnungs- und Repräsentationsinteressen verbergen, während gleichzeitig sozialstrukturelle Problemlagen wie zunehmende Armut und Obdachlosigkeit verschwiegen werden.

Unverhohlen drohen etwa Einzelhandelsverbände und Großkonzerne den Kommunen mit dem Wegzug aus den Innenstädten, sollten diese nicht ein "konsumfreundliches Umfeld" schaffen. In Berlin ist es den Geschäftsleuten inzwischen sogar gelungen, den Senat zur Einrichtung spezieller Polizeieinheiten gegen die Armen der Stadt zu zwingen (Eick 1995a). Der Versuch, Arme statt Armut zu beseitigen, deckt sich in Berlin darüber hinaus mit den Interessen von Senat und Bundesregierung in Hinblick auf das Image Berlins als "Hauptstadt aller Deutschen" (Eick 1995).

Dieser Prozeß der Metropolisierung Berlins produziert zwingend Armutsbevölkerung. Sie ist von Erwerbsarbeit dauerhaft ausgeschlossen, von staatlicher Hilfsleistung abhängig oder aus ihr schon ausgegrenzt und reift in entgarantierten Arbeitsverhältnissen zur urban underclass heran, wie sie aus US-amerikanischen Städten bereits bekannt ist (Davis 1994). Mit dieser Polarisierung der Bevölkerung geht auch eine Ausgrenzungsstrategie einher, die von Polizei wie privaten Sicherheitsdiensten in den teil-privatisierten Innenstädten umgesetzt wird. So entstehen in räumlicher Perspektive regelrechte no go areas für einen wachsenden Teil der Bevölkerung, zu dem neben Obdachlosen, DrogenkonsumentInnen und Prostituierten auch (ausländische) Jugendliche sowie generell und zunehmend MigrantInnen gehören (Antirassistische Initiative 1997).

Die Rolle privater Sicherheitsdienste

Private Sicherheitsdienste sind Schlüssel und Motor der beschriebenen Entwicklung hin zu privatisierten "öffentlichen" Räumen und präventiver Ausgrenzung. Sie sind Schlüssel, weil die von ihrer Kundschaft artikulierten Interessen - reibungslose Profitrealisierung - unter der Hand partikulare Normen durchsetzen. Denn anders als die Polizei, die als Teil der Strafrechtspflege Interesse an der öffentlichen Vorführung (PKS), juristischen Aufbereitung und Sanktionierung von Straftaten hat, sich vom Anspruch her der Gleichbehandlung aller verpflichtet fühlen muß, haben private Sicherheitsdienste im Gegenteil ein Interesse an der möglichst geräuschlosen und unsichtbaren Auftragserfüllung, die präventiv orientiert zu Zutrittsverboten nach Hausrecht führt (mittlerweile arbeitet auch die Polizei entsprechend im öffentlichen Raum mit Platzverweisen).

Motor sind private Sicherheitsdienste insoweit, als die Dramatisierung der "Sicherheits"-Lage ihre Auftragslage ebenso verbessert, wie die immer offensiver und mit dem Kostenargument vorgetragene Forderung, auch in öffentlichen und hoheitlichen Bereichen des Sicherheits"marktes" tätig werden zu wollen. Die Umdefinition "öffentlicher" Räume - der bis vor kurzem weitgehend unhinterfragten Hochburg polizeilichen Tätigwerdens - zu privaten Räumen sowie die aktive Mitwirkung bei der Privatisierung des Stadtraumes liegt mithin in ihrem ureigensten Profitinteresse.

Für die privaten Sicherheitsdienste tritt neben die "wirtschaftliche Nutzung eines privaten Kontrollbedarfs" (Voß 1997) auch in "öffentlichen" Räumen das Interesse, auch den Staat auf ihre Sichtweise - Stadtbürger ist, wer sich profitabel verwerten läßt - zu verpflichten.

So wird aus bisher "öffentlichem" Stadtraum unter polizeistaatlicher Kontrolle tendenziell das "Unternehmen Berlin" mit angeschlossenem privatwirtschaftlich und staatlich organisierten Werkschutz. Und die Berliner Geschäftswelt findet dafür klare Worte: "Wir wollen", so Conti-Park-Geschäftsführer Dieter Luchterhand, "Penner und Drogenabhängige vertreiben." Die vom Berliner Senat auf Zuruf der Geschäftswelt eingerichteten Spezialeinheiten der Polizei, die geplante Einführung von Bettel- und Grillverboten zeigen, daß sie dies nicht allein tun müssen. "Inzwischen sind wir am Kurfürstendamm", so in Verkehrung der Tatsachen die Geschäftsführerin der AG City e.V., Manuela Remus-Woelffling, "mit unserem Sicherheitsdienst der verlängerte Arm der Polizei."


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