MieterEcho
Nr. 262 - Mai/Juni

Wie Scientologie unser Haus kaufte und sich dabei verspekulierte

        

Es begann eines schönen Frühlingsmorgens mit unangekündigten Bauarbeiten. Kurz darauf bekamen wir heraus, daß unser altes, sanierungsbedürftiges Mietshaus von einer Tarnfirma aus dem Umkreis der sogenannten "Scientology Church" gekauft worden war, um es in Eigentumswohnungen umzuwandeln. Niemand hatte uns vom EigentümerInnenwechsel informiert und das war vermutlich Absicht, denn ganz in der Nähe gab es schon mehrere Häuser, die sich mit Transparenten gegen die fragwürdigen Methoden der Scientology-Umwandler wehrten.

Seit ein paar Jahren ist es allgemein für SpekulantInnen leichter geworden, Mietshäuser in Eigentumswohnungen aufzuteilen. Der stückweise Verkauf eines umgewandelten Hauses kann schnell ein paar Millionen einbringen, wenn man dabei möglichst skrupellos vorgeht und wenn die MieterInnen sich genügend einschüchtern lassen. (Siehe dazu auch MieterEcho 251/95).

Neben der Angst um unsere Wohnungen hatten wir es nun auch mit einer internationalen Organisation als Vermieter zu tun, die sich als Religionsgemeinschaft ausgibt und die von Kennern vor allem als geldgierig, totalitär und kriminell beschrieben wird. Scientology ist schon seit der Gründung in den 50ern dafür bekannt, vor allem eines anzubeten: Geld, Geld, Geld. Und so ist es kein Wunder, daß z.B. laut Hamburger Mieterverein dort schon die Hälfte des Umwandlungsgeschäftes mit Altbauwohnungen von der Sekte kontrolliert wird " in Berlin und Potsdam sind es mindestens 70 Häuser, möglicherweise aber auch viel mehr.

Bekannt sind die AnhängerInnen des Science-Fiction-Schreibers L. Ron Hubbard auch dafür, daß sie versuchen, mit verschiedenen Tarnorganisationen Einfluß und Ansehen zu gewinnen. Hinter so mancher Initiative für Bosnien, gegen die Psychiatrie, gegen Drogen, aber z.B. auch hinter einigen Computerfirmen, Unternehmensberatungen und Heilpraktiker-Instituten stecken Scientology-AnhängerInnen und ihre wirren Ideen.

So funktioniert der Psychokonzern

Auf der Straße werben ScientologInnen mit einem kostenlosen Psychotest. "Wir nutzen nur 10 Prozent unseres geistigen Potentials" heißt es darin. Die Auswertung erfolgt nach Angaben von AussteigerInnen ohne Rücksicht auf den Datenschutz (überhaupt soll nach Angaben von AussteigerInnen der sekteneigene Geheimdienst "Büro für spezielle Angelegenheiten" alle erreichbaren Informationen sammeln und z.B. zur Erpressung von GegnerInnen mißbrauchen). Das Testergebnis zeigt dann, daß man zumindest gestört oder selbstmordgefährdet ist und sofort einen Scientology-Kurs braucht. Wer darauf eingeht, kommt unter Umständen jahrelang nicht mehr von Scientology los, denn ein Kurs reicht natürlich nicht, um "clear" (klar) zu werden, wie es versprochen wird. Durch anfängliche Erfolge und das Versprechen, "die totale geistige Freiheit" zu erlangen, durch ständigen Erfolgsdruck und eine eigene pseudo-wissenschaftliche Kunstsprache wird den AnhängerInnen systematisch ihre Kritikfähigkeit und der Bezug zur Wirklichkeit genommen.

Das "Auditing", eine primitive Therapie mit Hilfe eines Lügendetektors, kostet pro Stunde mindestens 400 Mark. Daneben gibt es ein wahnwitziges System von Kursen und Lehrmaterialien, die schnell 100.000 bis 500.000 Mark verschlingen können. Doch noch nie ist jemand ans Ende aller Kurse gelangt, denn laufend werden neue, geheimnisvoll klingende Einweihungsstufen erfunden. Den AnfängerInnen wird erzählt, daß fortgeschrittene ScientologInnen, die sogenannten "Operierenden Thetanen" (das Computer-Rechtscheibeprogramm würde statt "Thetanen" lieber "Teetassen" schreiben, red.), Gedanken lesen und durch Wände gehen können. Bei mir hatten sie zum Glück noch keinen Erfolg damit " oder habe ich es bloß nicht gemerkt?

Der Gründer von Scientology

L. Ron Hubbard, lebte in dem Wahn, von Psychiatern und Kommunisten verfolgt zu werden. (Leider) war das nicht der Fall, und so konnte er seine krude 50iger-Jahre-Ideologie ungehindert entwickeln. Nach einem Zwischenspiel bei den Satanisten des Ordo Templi Orientis um Aleister Crowley brachte er seine Einsichten unter dem Namen "Dianetik" heraus. Hubbard hat dabei vor allem eines verstanden: Er setzte eine gigantische Geld- und Unterdrückungsmaschine in Gang, die er erst später geschickt als Religion tarnte, um Steuern zu sparen und besser vor KritikerInnen geschützt zu sein. Durch einen eigenen Geheimdienst werden KritikerInnen und AussteigerInnen mit Telefonterror, Rufmordkampagnen und Prozessen überschüttet. Dieser Geheimdienst hat es laut SPIEGEL Anfang der 90er Jahre sogar geschafft, MitarbeiterInnen der US-amerikanischen Steuerbehörde so unter Druck zu setzen, daß Scientology schließlich von der Steuerzahlung befreit wurde.

In der weltweit verzweigten Organisation, die vermutlich mehrere Millionen AnhängerInnen hat, wird jedes Mitglied jede Minute kontrolliert und gezwungen, sich von kritischen FreundInnen oder Familienangehörigen zu trennen. In spezielle Straflager wird verfrachtet, wer sich selbst kritisch äußert oder die "Statistik" nicht erfüllt. Die Statistik zu erfüllen bedeutet bei den Entmietungsprofis von Scientology konkret, daß sie eine Mindestzahl von Wohnungen pro Woche verkaufen müssen, auch um damit ein neues Scientology-Zentrum zu finanzieren, wie es einer internen Mitteilung an die Mitarbeiter hieß.

KennerInnen schätzen, daß das Umwandlungsgeschäft eine der Haupteinnahmequellen der deutschen ScientologInnen ist, die dazu ein verwirrendes Netz von Immobilienfirmen aufgebaut haben. Manche dieser Firmen sollen bis zu 15 Prozent ihres Umsatzes als Spenden an die Organisation abführen, was bedeutet, daß WohnungskäuferInnen damit rechnen müssen, mit ihrem Geld Scientology-Aktivitäten zu unterstützen.

Schlimm ergeht es auch Leuten, deren Firma von Scientologen übernommen oder aufgekauft wird, z.B. über die Treuhand-Anstalt. Die Nichtsahnenden müssen Management- und Kommunikationskurse belegen " wer keine Lust auf die Sektenideologie hat, dem kann es passieren gekündigt oder rausgeekelt zu werden. Auch in der ehemaligen Sowjetunion hat Scientology auf diese Weise wichtige Positionen z.B. in der Rüstungsindustrie und in den Medien erobert, und es tauchten in Griechenland Pläne auf, nach denen die Sekte den Staat Albanien und von dort aus den Balkan unter Kontrolle bringen wollte, worauf die lokale Scientology-Organisation in Griechenland verboten wurde.

Im Haus ging es dann so weiter

Die scientologischen "MieterberaterInnen" versuchten zuerst, uns unsere eigenen Wohnungen aufzuschwatzen. Doch für die Leute in Neukölln und Kreuzberg wäre das ein schlechtes Geschäft. Woher soll ich 180.000,- Mark für eine Bruchbude nehmen, die nur ein paar hundert im Monat kostet und in der ohnehin ein sehr guter Kündigungsschutz besteht? Wir machten also Hausversammlungen und informierten uns über unsere Rechte. Viele ließen niemanden zur Besichtigung in ihre Wohnungen und hängten freche Transparente aus dem Fenster. Herumirrende KaufinteressentInnen wurden über Scientology im allgemeinen und die schlechte Bausubstanz im besonderen aufgeklärt. Außerdem wiesen wir sie darauf hin, daß wir die überfällige Instandsetzung auch von ihnen fordern werden. Die UmwandlerInnen wehrten sich mit den üblichen Methoden: z.B. mit Strafanzeigen wegen angeblicher Sachbeschädigung, Kündigungsdrohungen und dem Versuch, die MieterInnen gegeneinander aufzuhetzen. Das hat uns, den HausbewohnerInnen, jedoch nur gezeigt, wie wichtig es ist, sich jetzt und mit allen Mitteln gegen den Sektenkonzern zu wehren, der sich mit den Spekulationsgewinnen immer weiter ausbreitet.

Nach einem halben Jahr waren nicht mal die Hälfte der Wohnungen in unserem Haus verkauft, die Preise fielen, die Verluste der SpekulantInnen müssen langsam schmerzhaft gewesen sein. Aus einem benachbarten Haus hatten sie sich sogar vorübergehend ganz zurückgezogen. Die MieterInnen dort hatten jedesmal die Polizei geholt, wenn wieder VerkäuferInnen herumschlichen, ohne sich ausweisen zu können. Jetzt, zwei Jahre nach der Umwandlung, ist zwar ein Großteil des Hauses verkauft, doch unser Ziel ist es auch zu verhindern, daß Scientology woanders weiter ungestört MieterInnen einschüchtert und vertreibt.

Die Sekte ist nicht die Ursache

Leider haben wir gemerkt, daß die Umwandlungsproblematik selbst in der Öffentlichkeit totgeschwiegen und statt dessen Scientology als Sündenbock benutzt wird. Weil die KommunalpolitikerInnen Geld brauchen und deshalb hunderttausende von Ostwohnungen privatisieren wollen, singen sie das gleiche Lied wie die Immobilienhaie: Bildung von Wohneigentum " Wohlstand für alle! Die MieterInnen sollen sich dafür über Jahrzehnte verschulden und alle Risiken selbst tragen. Können sie ihren Kredit nicht abzahlen, reiben sich die Banken die Hände und lassen zwangsversteigern. Umwandlung schafft keine neuen Wohnungen, sondern Unsicherheit für die MieterInnen, Verschuldung für die KäuferInnen und Profit für Banken und SpekulantInnen.

Positive Effekte

Wir MieterInnen haben uns viel besser kennengelernt, uns gemeinsam über unsere Rechte informiert und gegen die Umwandlungstricks gewehrt. Die frühere Anonymität im Haus und in der Nachbarschaft hat abgenommen, wir MieterInnen achten mehr darauf, was um uns herum geschieht. Einige haben zwar Geld genommen und sich zum Auszug drängen lassen, die übrigen feiern im Sommer gemeinsame Hoffeste und freuen sich, daß sie sich nicht einschüchtern ließen. Die nächsten Jahre wird uns Scientology jedenfalls nicht verdrängen.

Und wir werden weiter Krach machen. Eine Gruppe Betroffener tat sich zusammen und geht seit drei Jahren gegen Scientology und andere SpekulantInnen mit Informationen und Aktionen an die Öffentlichkeit. Außerdem haben wir ein Info-Telefon für Betroffene und KaufinteressentInnen eingerichtet, die Fragen zur Umwandlung und zu Scientology haben.

tat


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