MieterEcho
Nr. 261 - März/April 97

Sparzwang in Deutschland?
Die Standort-Lüge

An allem müsse gespart werden, so hört man es immer wieder von offizieller Seite, vor allem an Löhnen und Sozialausgaben, und die Steuerlast, die Betrieben und Vermögen auferlegt ist, müsse verringert werden; sonst sei der Industriestandort Deutschland wegen zu hoher Steuern und Arbeitskosten gefährdet. Stimmt das?

Zu den Lohnstückkosten

Die Wissenschaftler der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik/Bremen(*) haben das Problem untersucht und im Vergleich zu den vier anderen größten Industrieländern festgestellt:

" 1. Die absoluten Lohnstückkosten liegen in Deutschland 1995 niedriger als in den anderen Ländern.

2. Dies war bereits 1991 der Fall. Seitdem sind die Lohnstückkosten überall weiter gesunken, in Deutschland stärker als in drei der vier anderen Länder. Nur im Verhältnis zu England ist der Abstand etwas kleiner geworden.

3. Von einer lohnkostenbedingten Bedrohung der Wettbewerbsfähigkeit kann auch langfristig keine Rede sein: Bereits seit Beginn der 80er Jahre sind die realen Lohnstückkosten in allen wesentlichen Industrieländern gefallen (d.h. die Arbeitskosten pro Stunde sind weniger stark gestiegen als die Produktivität)."

Ergänzend fügen die Wissenschaftler hinzu, daß diese realen Lohnstückkosten am stärksten in Frankreich, Holland und Deutschland gefallen sind und am geringsten in den USA und Japan.

Zur Steuerlast

Seriöse Vergleichsstudien zeigen, daß Deutschland sich mit der effektiven Steuerbelastung der Unternehmen im Mittelfeld befindet. Dieser Befund wird durch Studien des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung sowie der OECD bestätigt. Dazu die Arbeitsgruppe:

"Die These vom deutschen Hochsteuerland ergibt sich aus einer grob fahrlässigen Reduktion des Belastungsvergleichs beispielsweise auf die Grenzsteuersätze für nicht ausgeschüttete Gewinne. Vergleicht man nämlich ausschließlich diese, so ergeben sich in der Tat gegenüber wichtigen Konkurrenzländern Nachteile. In den Vergleich einbezogen werden müssen allerdings neben dem Steuersatz auch die gesetzlich gewollten Möglichkeiten, die Bemessungsgrundlage und damit die Steuerlast zu reduzieren. Deutsche Unrternehmen verfügen im Gegensatz zu wichtigen Handelspartnern über vielfältige Möglichkeiten, mit Abschreibungen und ausufernden Rückstellungen die Steuerlast zu verringern. diese Vorteile machen die vergleichsweise höheren Steuersätze mehr als wett."

"Das Bild von den Investoren im steuerlichen Würgegriff", setzen die Bremer Wirtschaftswissenschaftler fort,"dient letztlich nur dazu, massive Senkungen der Unternehmenssteuern durchzusetzen, während parallel dazu die steuerliche Belastung der Masseneinkommen - über das wachsende Gewicht der Lohn- und Umsatzsteuer - hochgetrieben wird". Und als Beleg führen sie einige Zahlen an:

Anteil der Steuer auf Gewinne der Kapitalgesellschaften am gesamten Steueraufkommen:

1985: 7,3 %
1995: 2,2 %

Quote der Steuern auf Gewinne (im Verhältnis zum Bruttoeinkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen):

1980: 37 %
1995: unter 24 %

Die Lohnsteuer dagegen macht unverändert, bei starken Schwankungen, über 15 % des Bruttolohns bzw. -gehalts aus.

*) Die Professoren Rudolf Hickel und Jörg Huffschmid haben am 9. September 1996 in Bonn ein Sondermemorandum "Beschäftigungspolitik statt Sparritual" der Bremer Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik vorgestellt. Wir haben darüber kurz im MieterEcho 259, S.2, berichtet. Die Zitate in obigem Beitrag stammen aus dem ersten Teil des Memorandums.

(Fortsetzung in der nächsten Ausgabe: Haushaltsdefizit und Arbeitslosigkeit)

 
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