MieterEcho
Nr. 261 - März/April 97

Ausbaumietverträge - eine Alternative für Wohnungssuchende?

In Berlin stehen nach offiziellen Angaben schätzungsweise über 15.000 Wohnungen leer. Eine Ursache für diesen Leerstand, der vorwiegend den Ostteil der Stadt betrifft, liegt in den nach wie vor ungeklärten Rückübertragungsansprüchen von Alteigentümern. Die meisten dieser Häuser befinden sich noch im Besitz von städtischen Wohnungsbaugesellschaften und werden von diesen notverwaltet. Die Wohnungsbaugesellschaften führen in diesen Gebäuden nur die unbedingt notwendigen Reparaturen durch, da sie die Kosten dafür ausschließlich aus den Mieteinnahmen des Hauses bestreiten müssen. Das hat zur Folge, daß dieser Wohnungsbestand in einem schlechten Zustand ist, einen höheren Leerstand aufweist und zu normalen Konditionen nicht vermietbar ist.

In den Bezirken Friedrichshain, Lichtenberg, Mitte und Prenzlauer Berg versuchen die Wohnungsbaugesellschaften, diese Wohnungen mit Hilfe sogenannter Ausbaumietverträge bzw. Instandsetzungsverträge an die Frau und den Mann zu bringen, um diesen Leerstand abzubauen.

Wohnungssuchende, die solche Verträge unterzeichnen, verpflichten sich, in den Wohnungen vertraglich festgelegte Instandsetzungsarbeiten durchzuführen. Im Gegenzug erhalten sie ab Vertragsabschluß einen Mieterlaß in Höhe von 15 bis 18 Nettokaltmieten, je nach Wohnungsbaugesellschaft. Die Betriebskosten für diese Wohnungen müssen sie jedoch zahlen.

Das hört sich erstmal nicht schlecht an, und auch der Grundgedanke, etwas gegen Leerstand zu unternehmen und weniger betuchten Wohnungssuchenden preiswerten Wohnraum zu vermitteln, ist positiv zu bewerten. Doch bei genauerer Betrachtung kommen Nachteile zum Vorschein.

  • Da diese Wohnungen in einem schlechten Zustand sind, besteht ein erheblicher Instandsetzungsbedarf. Typische anfallende Instandsetzungsarbeiten sind die Erneuerung der Elektroinstallation, der Austausch schadhafter Dielen, die Erneuerung von Glasscheiben, die Reparatur und Reinigung von Kachelöfen bzw. Kochmaschinen und die malermäßige Grundrenovierung. Der Mieterlaß, der den Mieter/innen in den Ausbaumietverträgen gewährt wird, liegt jedoch in der Regel unter den Aufwendungen für diese Instandsetzungen, seien es Materialkosten, Kosten für beauftragte Handwerkerfirmen und Eigenleistungen. Hier ergeben sich schnell Ausgaben in Höhe von 5.000 bis 10.000 DM.
     
  • Doch nicht nur das Mißverhältnis zwischen eingesparter Miete und Instandsetzungskosten stellt ein Problem dar. Die Mieter/innen brauchen zwar 15 bis 18 Monate ab Vertragsabschluß keine Miete zuzahlen, ausgenommen die Betriebskosten. Doch bewohnbar wird eine solche Wohnungen in der Regel erst nach Abschluß der wesentlichsten Instandsetzungsarbeiten. Der Mietnachlaß wird somit zum Teil für einen Zeitraum gewährt, in dem die Wohnung eher einer Baustelle gleicht. Die Mieter/innen wohnen während dieser Zeit woanders und müssen gegebenenfalls dort noch Miete zahlen.
     
  • Bei der Vergabe von Ausbaumietverträgen achten die Wohnungsbaugesellschaften darauf, möglichst solvente Mieter/innen zu nehmen, die auch die Kosten für eine Instandsetzung der Wohnung aufbringen können. Gerade sozial schwächere Wohnungssuchende, die Zielgruppe dieser Maßnahme sein sollte, kommen daher nicht in den „Genuß“ solcher Verträge, obwohl sie durch erhöhte Eigenleistung einen Teil dieser Kosten abfangen könnten.
     
  • Auch wenn die Wohnungsbaugesellschaften nicht alle vertraglich vereinbarten Instandsetzungarbeiten penibel überprüfen oder die Mieter/innen aus Geldmangel einige Arbeiten auf einen späteren Zeitpunkt verschieben oder in reduzierter Form durchführen, können die Alteigentümer nach erfolgter Rückübertragung auf Durchführung der vereinbarten Instandsetzungsleistungen bestehen.
     
  • Die Mieter/innen haben zu einem späteren Zeitpunkt keinen Anspruch auf Mietminderung, wenn die Mängel zum Zeitpunkt des Vertagsabschlusses bekannt sind.
     
  • Aus sanierungspolitischer Sicht sticht ein negativer Aspekt hervor: Die in der Regel erforderliche grundlegende Sanierung des gesamten Hauses unterbleibt, und der Verfall dieses Wohnungsbestandes schreitet voran. Bestenfalls in den betroffenen Wohnungen werden die allernotwendigsten Instandsetzungen ausgeführt. Grundsätzlich problematisch bleibt in diesem Zusammenhang die Abwälzung von Instandhaltungsleistungen auf Mieter/innen, die eigentlich Aufgabe des Vermieters ist.

Mieter/innen sollten sich erst nach reiflicher Überlegung auf solche Verträge einlassen. Und auch die Wohnungsbaugesellschaften könnten den Mieter/innen entgegenkommen. Zwar ist ihr Spielraum eingeschränkt, aber sie könnten den Mieter/innen z.B. bereits vor Vertragsbeginn einen angemessenen Zeitraum, der nicht innerhalb der mietfreien Zeit liegt, zur Durchführung von Instandsetzungsarbeiten gewähren. Und Wohnungssuchenden, die nicht in der Lage sind, die Instandsetzung aus eigener Tasche vorzufinanzieren, könnten mit Darlehen unterstützt werden, die dann mit dem Mieterlaß verrechnet werden.

U.P.

 
MieterEcho-Archiv | Inhaltsverzeichnis Nr. 261

HTML-Auszeichnung © 1997 U. Pieper