MieterEcho
Nr. 261 - März/April 97

Mieterschutz ein Investitionshindernis?

Mieterschutz schmälert die Rendite aus der Vermietung von Wohnraum; damit schreckt der Mieterschutz von Investitionen im Wohnungsbau ab und schadet so letztlich auch den Mietern. Das ist die These, die sich als roter Faden vom Gutachten der Expertenkommission Wohnungspolitik durch alle Stellungnahmen zieht, die eine Liberalisierung des Mietrechts verlangen. Zugespitzt bedeutet dies: Weg mit dem Mieterschutz und dann werden soviel Wohnungen gebaut, daß man ihn auch gar nicht mehr braucht. Alles ganz logisch - in der Theorie. Ein vom Bundesbauministerium (BMBau) in Auftrag gegebenes Gutachten belegt: Die These stimmt nicht.

Wie kommt das bloß - in den letzten Jahren haben wir trotz des so schlimmen Mietrechts Rekordzahlen im Wohnungsbau erreicht. Jetzt brechen die Fertigstellungszahlen weg und die FDP stellt fest, daß das Mietrecht Investitionen verhindert. Oder: 1983 wurden für Vermieter mit dem »Gesetz zur Erhöhung des Angebots an Wohnraum« die mietrechtlichen Rahmenbedingungen verbessert - trotzdem sanken in der Folgezeit die Fertigstellungszahlen.

Welche Faktoren beeinflussen Investitionsentscheidungen?

Es muß wohl andere Faktoren geben, die ein viel größeres Gewicht haben. Welche, das kann man in wohnungswirtschaftlichen Lehrbüchern nachlesen. Folgende Rahmenbedingungen werden als maßgebend für Investitionsentscheidungen angeführt:

  • Die Bevölkerungs- und Haushaltsentwicklung im Verhältnis zum vorhandenen Wohnungsbestand als Bedarfsprognose
  • Das Zinsniveau - als Kostenfaktor
  • Die Baupreise - als Kostenfaktor
  • Das verfügbare Einkommen der Haushalte als Nachfrageprognose
  • Die Verfügbarkeit von Bauland und die Baulandpreise - als Planungs- und Kostenfaktor.

Erst danach kommt als Entscheidungskriterium für die Wohnungsbauinvestition das Mietrecht. Die Frage der Herstellungskosten und der zahlungsfähigen Nachfrage ist hiernach so viel wichtiger für den wirtschaftlichen Erfolg, daß die Erwartung höherer Erträge durch weniger Mieterschutz für die Investitionsentscheidung nur eine nachrangige Bedeutung haben kann.

Untersuchung des IfS

Bestätigt wird diese Wertung nun durch eine im Dezember 1996 fertiggestellte empirische Untersuchung, die das Berliner »Institut für Stadtforschung und Strukturpolitik« (IfS) im Auftrag des Bundesbauministeriums fertiggestellt hat.

Das IfS hat seine Erkenntnisse durch eine repräsentative Befragung von Mietern und Vermietern freifinanzierter Wohnungen in den alten Bundesländern im Frühjahr 1996 gewonnen. Schwerpunkt des Interesses war die Frage, ob durch die gesetzlichen Vorschriften zur Miethöhe im freifinanzierten Wohnungsbestand die Vermieter in ihrer Rentabilität behindert werden.

Ergebnis: Das Mieterhöhungsverhalten und die Einschätzung des Mietrechts fällt je nach Professionalität der Vermieter recht unterschiedlich aus. Es gibt einerseits Vermieter, die mit Rücksicht auf vorhandene Mietverhältnisse die Mieterhöhungsmöglichkeiten gar nicht voll ausschöpfen. Und es gibt andere, die professionell rausholen, was drin ist. Eigenartigerweise sieht sich vor allem die erste Gruppe durch das Mietpreisrecht an der Rentabilität gehindert, während die »Profis« ihre Anlage als rentabel bewerten.

Das IfS zieht daraus die Schlußfolgerung: »Nicht das Mietrecht, sondern das individuelle Handeln und die daraus resultierende Einschätzung der Wirtschaftlichkeit des Hausbesitzes hat somit den entscheidenden Einfluß auf die Investitionstätigkeit.«

Mietrecht und Mietendynamik

Zu den politischen Forderungen nach Streichung der Kappungsgrenzen bei Mieterhöhungen stellt das IfS fest: »Die Ergebnisse der Untersuchung weisen darauf hin, daß - anders als von der Expertenkommission Wohnungspolitik angenommen - von den Kappungsgrenzen des § 2 MHG keine bzw. nur eine sehr geringe Begrenzung der allgemeinen Mietendynamik ausgeht. In Einzelfällen dürften die Kappungsgrenzen jedoch einen nicht unwesentlichen Schutz für die Mieter darstellen und dazu beitragen, besonders hohe Mietsteigerungen zu verhindern.«

Widerlegt wird von der Vermieterbefragung auch die Behauptung, daß in anderen Fällen die Kappungsgrenze eine Art Sogwirkung entfalte, also die Vermieter durch ihre Existenz vermehrt dazu neigen, sie mit der Mieterhöhung auch auszuschöpfen.

Zum Verbot der Mietpreisüberhöhung in § 5 Wirtschaftsstrafgesetz (WiStG), dessen Streichung von Vermieterseite gefordert wird, ergibt sich folgendes Bild: Für 61 Prozent der Vermieter ist das Verbot weitgehend ohne Bedeutung, da die von ihnen geforderten Mieten in der Regel deutlich unter der kritischen Grenze liegen. 26 Prozent empfinden die Grenze als bedeutsam und achten darauf, sie nicht zu überschreiten und 13 Prozent mißachten die Grenze einfach und nehmen aufgrund der Einigung mit den Mietern die überhöhte Miete.

Die Bedeutung des Verbots der Mietpreisüberhöhung bewertet das IfS wir folgt: »Eine Abschaffung des § 5 Wirtschaftsstrafgesetz bzw. der in ihm festgelegten 20%-Grenze würde keine signifikante Wirkung auf die Entwicklung der Vergleichsmiete bzw. auf die allgemeine Mietendynamik haben. Im Wesentlichen hat diese Regelung Schutzfunktionen im Einzelfall, wie es vom Gesetzgeber beabsichtigt war.«

»Expertenkommission Wohnungspolitik« wird widerlegt

Insgesamt werden von der Untersuchung reihenweise Annahmen widerlegt oder zumindest in Frage gestellt, die dem Gutachten der »Expertenkommission Wohnungspolitik« und den Forderungen nach Liberalisierung des Mietrechts zugrunde liegen. Dementsprechend fällt auch das Resümee des Forschungsinstitutes aus: »Der grundlegende Handlungsbedarf für eine grundlegende Modifizierung und Ergänzung des Mietrechts erscheint auf der Grundlage der Untersuchungsergebnisse als eher gering. (...) Die Diskussion um das Mietrecht sollte (...) praxisorientierter geführt werden, um eine Verunsicherung von Vermietern und von potentiellen Investoren zu verhindern (Signalwirkung), die möglicherweise negativere Auswirkungen auf das Investitionsverhalten hätten als die mietrechtlichen Regelungen und die von ihnen ausgehenden möglichen Restriktionen selbst.«

Bleibt zu hoffen, daß die Ergebnisse der empirischen Untersuchung des IfS sich in den Köpfen unserer Politiker gegenüber den wirtschaftstheoretischen Annahmen der Expertenkommission durchsetzen. Zweifel sind angebracht, denn der Mensch nimmt bevorzugt das wahr, was in sein schon vorhandenes Bild paßt. Wir dürfen gespannt sein, wie FDP und CDU mit den Ergebnissen des Gutachtens umgehen.

tw

Nachdruck aus »Mensch MieterIn« 2/1997, dem Magazin des Hamburger Mietervereins »Mieter helfen Mietern«, Zwischenüberschriften von der Redaktion

 
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